Fehlheim/Schwanheim. Die berühmten Spatzen pfiffen es zwar noch nicht lautstark von den Dächern. Aber hinter den kommunalpolitischen Kulissen herrschte seit einiger Zeit Klarheit: Für Fehlheim und Schwanheim soll es nun doch keine siebenzügige Kindertagesstätte im alten Neckarbett geben. Die Variante mit einem Neubau im regionalen Grüngürtel am Fehlheimer Ortseingang soll in der nächsten Stadtverordnetenversammlung am 21. Juli abgeräumt werden.
Vor einem Jahr sah das bekanntlich noch anders aus. Mit den Stimmen der Koalition aus CDU, SPD und FDP wurden die Änderung des Flächennutzungsplans und der Vorentwurf des Bebauungsplans beschlossen – trotz massiven Widerspruchs der anderen Fraktionen und in dem Wissen, dass vor Ort bei den Ortsbeiräten, Eltern, Erzieherinnen und Kirchengemeinden eine gemeinsame Kita auf Ablehnung stößt.
Im vergangenen Jahr abgelehnt
Den Beschluss rückgängig machen und die von Ex-Bürgermeister Rolf Richter (CDU) kurzzeitig ins Spiel gebrachte Option mit zwei Neubauten in den Stadtteilen erneut aufgreifen? Diese Forderung wurde vom Dreier-Bündnis abgelehnt. Man könne es schließlich nicht immer allen recht machen, hieß es vor knapp zwölf Monaten noch. Diskussionen seien ja erwünscht, aber irgendwann müsse man zu einem Ergebnis kommen – was sicherlich grundsätzlich die richtige Einstellung ist.
Soweit der Stand im Sommer 2021. Außer einer Bürger-Informationsveranstaltung im Herbst tat sich anschließend aber nicht mehr viel bei dem Thema, was für Bensheimer Verhältnisse mittlerweile keine Überraschung mehr darstellt. In den vergangenen Wochen sickerte jedoch langsam durch, dass Bewegung in die Angelegenheit gekommen ist und die nächste Kehrtwende ansteht. Offizielle Verlautbarungen dazu gab es aber nicht – bis zu diesem Freitagmorgen.
In einer gemeinsamen Pressemitteilung erklärten CDU, SPD und FDP, dass es in Fehlheim und Schwanheim auch künftig jeweils eine Kindertagesstätte geben soll. Man wolle das Betreuungsangebot an zwei Standorten weiterführen. Das sei das Ergebnis der Diskussionen in den vergangenen Monaten. Die Koalitionsfraktionen wollen deshalb den bestehenden Beschluss für eine Groß-Kita nun doch aufheben. Es solle eine neue Entscheidung getroffen werden aufgrund der Informationen, die – auch auf ihre Nachfragen – mit aktuellem Stand vorlägen.
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„Es hat sich herausgestellt, dass die große siebenzügige Kita nicht ausreichen würde, um genügend Plätze für die Kinder aus Fehlheim und Schwanheim sowie auch Langwaden zu schaffen“, erklärt Tobias Heinz, Vorsitzender der CDU-Fraktion. „Wir wollen jedoch erreichen, dass die Kinder im Vorschulalter in ihren Stadtteilen, in denen sie wohnen, betreut werden können.“
Schließlich müsse nicht nur Ersatz für die bestehenden Einrichtungen geschaffen werden, sondern auch für die Plätze in den Containern, die aufgrund des Betreuungsbedarfs ab diesem Sommer in Schwanheim hinzukommen. In den nächsten Jahren sei mit einer hohen Nachfrage aufgrund der Neubaugebiete und der zunehmenden Anmeldung von Kindern unter drei Jahren zu rechnen – was, nebenbei bemerkt, keine neue Erkenntnis sein sollte.
Ausreichend Fläche für einen Neubau in Fehlheim bietet aus Sicht des Bündnisses das Gelände im Neubaugebiet Langgewann, das für einen Gemeinbedarf vorgesehen war. Weil dort kein Dorfgemeinschaftshaus errichtet werden könne, sei es verfügbar. In Schwanheim bestehen die Möglichkeiten, ein Gebäude am seitherigen Standort in der Straße Auf der Hochzeit neu zu errichten oder ein alternatives Areal zu nutzen. Im Gespräch war bei der Bürger-Informationsveranstaltung im Herbst beispielsweise ein Gelände am Ortsausgang Richtung Jägersburger Wald.
„Zahlreiche Eltern, die Kirchengemeinden als Träger und auch die Ortsbeiräte haben den Wunsch formuliert, weiterhin zwei Kitas zu haben. Das wollen wir aufgreifen“, lässt sich SPD-Fraktionsvorsitzender Jürgen Kaltwasser in der Mitteilung zitieren. Hingewiesen worden sei aus den Ortsteilen auf den regionalen Grünzug, den der Bau einer siebenzügigen Einrichtung am Ortsrand von Fehlheim in Richtung Schwanheim beeinträchtigt hätte. Eine Änderung des Flächennutzungsplans wäre erforderlich gewesen, während an den alternativen Standorten lediglich der Bebauungsplan anzupassen sei.
Auch erschien die Verkehrsführung an jener Stelle – nicht zuletzt wegen des hier verlaufenden Schulwegs – problematisch. „Die Situation der An- und Abfahrt wird durch zwei Standorte entzerrt. Ein Vorteil sind die geringeren Entfernungen, so dass Kinder zu Fuß laufen oder leichter mit dem Fahrrad gebracht werden können,“ hebt Thorsten Eschborn, Fraktionsvorsitzender der FDP, hervor.
Alle diese Argumente lagen bereits vor einem Jahr vor und wurden damals auch von den Oppositionsfraktionen und den Ortsbeiräten erfolglos angeführt.
Gleiches gilt für die Trägerschaft: Evangelische und katholische Kirchengemeinden, die bisher diese Aufgaben übernehmen, haben zugesagt, dies weiterhin zu übernehmen, wenn es keine gemeinsame Einrichtung gibt. Mit ihnen sollen dazu Verhandlungen geführt werden. Die Koalitionsfraktionen stellen gemeinsam mit Grünen, BfB und FWG einen Antrag, um den Magistrat mit der Planung der zwei Kitas zu beauftragen. Zusammen sollen diese mehr als sieben Gruppen umfassen, um den Bedarf aufnehmen zu können.
Gemeinsamer Antrag
In der Sitzung der Stadtverordnetenversammlung im Juli wird über das Thema beraten. CDU, SPD und FDP wollen nach eigenem Bekunden anschließend dafür sorgen, dass „die Baumaßnahmen zielgerichtet in Angriff genommen und möglichst zügig umgesetzt werden“. Man darf davon ausgehen, dass – trotz des gemeinsamen Vorgehens der sechs Parteien und Wählergemeinschaften – die Opposition den Erkenntnisgewinn der Koalition nicht unkommentiert stehen lassen wird.
Gelingt es aber, alle Befindlichkeiten, die bereits in das Projekt gesteckte Arbeit und alle unnötigen Kehrtwenden auszublenden, bleiben unterm Strich durchaus gute Nachrichten: Für Eltern wie Erzieherinnen herrscht nun Klarheit – auch wenn bis zur Einweihung der Neubauten noch ein paar Jahre ins Land gehen dürften.
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