Schwanheim. Fakten, Fakten, Fakten – darum sollte es nach Auskunft der Rathausspitze am Mittwochabend bei der Info-Veranstaltung zur geplanten Groß-Kita für Fehlheim und Schwanheim gehen. Und die Verwaltung präsentierte viele Zahlen und Erklärungen im sehr gut besuchten Dorfgemeinschaftshaus in Schwanheim, um ihre Empfehlung für eine Einrichtung mit sieben Gruppen im alten Neckarbett zu begründen.
Unterm Strich waren die Ausführungen nicht neu, aber um Überzeugungsarbeit bei den vom Vorhaben nicht überzeugten Eltern, Erzieherinnen und Ortsbeiräten zu leisten, hatte man in geballter Form zusammengetragen, was in den vergangenen Monaten erarbeitet und abgeprüft wurde. „Unser Ziel ist es, für die Kinder die bestmögliche Entscheidung zu treffen“, konstatierte Bürgermeisterin Christine Klein gleich zu Beginn. Wer wollte da widersprechen, wenngleich es unstrittig ist, dass es verschiedene Wege geben dürfte, das Wohl der Kinder zu gewährleisten.
Die Ausgangslage: Die beiden Kitas in Fehlheim und Schwanheim sind marode und bieten zu wenig Platz. Die Heizungsanlage macht Probleme, die Dächer sind undicht, die Wärmedämmung weit entfernt von einem modernen Standard. „Aus Gründen der Wirtschaftlichkeit ist ein Neubau unumgänglich“, erklärte Erste Stadträtin Nicole Rauber-Jung.
Der Vorschlag: Künftig sollen die Kinder aus den Ried-Stadtteilen gemeinsam eine Kindertagesstätte mit sieben Gruppen besuchen, die man am Ortseingang von Fehlheim im alten Neckarbett bauen will. Die Stadt verspricht sich davon – neben finanziellen Aspekten – mehr Flexibilität und ein vielfältigeres Angebot für die Kinder. Vor Ort stößt allerdings die vom ehemaligen Bürgermeister Rolf Richter ins Spiel gebrachte Lösung mit einem Neubau für Schwanheim am alten Standort (für zwei Gruppen) und einer neuen Kita für Fehlheim (fünf Gruppen) im Neubaugebiet auf deutlich mehr Sympathie.
Dieser Idee, die im vergangenen Jahr bereits den politischen Gremien zur Abstimmung vorlag, erteilten die Verantwortlichen am Mittwoch aber praktisch eine Absage, ohne das Kind direkt beim Namen zu nennen. „Der Aufwand für zwei Gruppen in Schwanheim ist unverhältnismäßig“, argumentierte Rauber-Jung und begründete dies unter anderem mit den geltenden Vorschriften und dem begrenzten Platz.
Die Baustadträtin führte darüber hinaus die Vorteile eines Neubaus im alten Neckarbett (im Vergleich zu anderen untersuchten Standorten in den Stadtteilen) auf: Die Grundstücksgröße mit mehr als 4000 Quadratmetern passt, es liegt relativ zentral und man könne ein Verkehrskonzept erarbeiten mit Parkplätzen für die Erzieherinnen, die Eltern und einer Anbindung an die Kreisstraße. „Uns ist dabei aber durchaus bewusst, dass wir uns im alten Neckarbett befinden.“
Der Zeitfaktor: Der Bedarf ist groß, deshalb strebt die Verwaltung die Lösung an, mit der am schnellsten weitere Kita-Plätze angeboten werden können, so Bürgermeisterin Klein und Erste Stadträtin Nicole Rauber-Jung. Bei einem siebenzügigen Neubau gehen nach ihren Angaben dreieinhalb Jahre von der Erstellung des Bebauungsplans bis zum Einzug ins Land. Bei einer Variante mit zwei neuen Gebäuden wären es fünfeinhalb Jahre, weil nicht parallel gebaut werden könnte. „Das ist vom Aufwand für uns nicht leistbar“, erklärte die städtische Architektin Birgit Kiemle. Sie verdeutlichte zudem die Dringlichkeit. „Wir halten die Luft an, dass in den nächsten Jahren nichts passiert“, kommentierte Kiemle den schlechten baulichen Zustand der Einrichtungen.
Der regionale Grünzug: Der Neubau wird in einem sensiblen Bereich stehen, auch wenn es sich nicht um ein Vogelschutzgebiet handelt und dort bei einer Voruntersuchung keine besonderen Arten gefunden wurde, erläuterte Umweltberaterin Maria Romero-Martin. Es sei aber dennoch ein wertvoller Naturraum. Eine Erweiterung des Bebauungsplan bis zum Sportplatz hält sie für möglich, um eine ökologische Aufwertung zu erreichen und weitere Bebauung zu verhindern. Diese Aufwertung will die Stadt auch auf dem restlichen Grundstück erreichen. Das Gebäude selbst könnte seinen Beitrag durch Photovoltaikanlage, Fassaden- und Dachbegrünung, Wohn- und Nisthilfen für Vögel, Fledermäuse und Wildbienen sowie Insektenhotels leisten. Wobei all diese Vorhaben, nüchtern betrachtet, mittlerweile zum Standard bei Neubauten zählen (sollten).
Der Untergrund: Das alte Neckarbett ist kein Baugrund, bei dem Planer und Bauherren vor Begeisterung in Jubelstürme ausbrechen. Das Gegenteil ist eher der Fall. Eine Baugrunduntersuchung steht zwar noch aus, fest steht aber schon, dass es ohne Pfahlgründung nicht funktionieren wird. „Diese Probleme haben wir aber mittlerweile in ganz Bensheim. Das macht Bauvorhaben teurer, ist aber Alltag“, so Birgit Kiemle.
Container: Weil der Bedarf bereits jetzt vorhanden ist, müssen im nächsten Jahr in Schwanheim zwei Container-Gruppen eröffnet werden. Die provisorischen Unterkünfte werden gegenüber dem Dorfgemeinschaftshaus am Spielplatz aufgestellt. Damit wird die Kita de facto zu einer vierzügigen Einrichtung.
Reichen sieben Gruppen aus?
Kapazitäten: Reicht eine große Kita mit sieben Gruppen für beide Stadtteile überhaupt aus? Eine konkrete Antwort darauf gab es am Donnerstag nicht. Zweifel scheinen aber angebracht. Schwanheim käme jetzt schon auf vier Gruppen und Fehlheim auf bisher drei (plus steigender Nachfrage samt Warteliste).
Finanzen: Ein Punkt, der am Donnerstag bewusst nicht im Vordergrund stand, weil verhindert werden sollte, dass die finanziellen Aspekte als Hauptargument für eine gemeinsame Kita gesehen werden. Unzweifelhaft ist für die Verantwortlichen im Rathaus, dass eine Kita kostengünstiger ist als zwei. Dafür nimmt man auch in Kauf, dass die Kirchen als Träger aussteigen. Diese steuern bisher jährlich 90 000 Euro bei. „Das sind nicht mal 15 Prozent der Betriebskosten“, bemerkte Armin Zeißler, Leiter des Eigenbetriebs Kinderbetreuung. Er geht davon aus, dass die Bereitschaft der Kirchen, sich monetär einzubringen, weiter sinken wird. „In zehn Jahre werden wir keinen Cent mehr von den Kirchen gekommen“, prognostizierte er. Deshalb sei dieser Aspekt für die aktuelle Diskussion seiner Ansicht nach zu vernachlässigen.
Fazit: Die Verwaltung hat ihren Standpunkt deutlich gemacht und sich erneut klar Richtung Groß-Kita positioniert. „Wir haben alles abgeprüft, was man abprüfen kann“, fasste Birgt Kiemle zusammen. Das Stadtparlament stimmte der Änderung des Flächennutzungsplans und dem Vorentwurf des Bebauungsplans mit Koalitionsmehrheit im Sommer zu, wenngleich noch viele Hürden zu nehmen sind, bis ein Bauantrag gestellt werden kann. Bürgermeisterin Klein bat die Ortsbeiräte, nun in ihren Gremien „eine sachliche Diskussion“ zu führen und lobte die bisherige Kommunikation.
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