Bensheim. Ökumene hatte er sich auf die Fahnen geschrieben. Für Pfarrer Norbert Eisert war es aber nicht das Zauberwort, der Berg, der fast unerreichbar scheint. Er wusste, was Ökumene bedeutet, er entstammte aus der Ehe eines katholischen Vaters und einer evangelischen Mutter.
Seine beiden älteren Brüder waren zunächst evangelisch, er katholisch. Später als Ministrant, der das Orgelspiel am Bischöflichen Institut für Kirchenmusik in Mainz erlernte, um in seiner Heimatgemeinde Sankt Peter in Offenbach dem Organisten auszuhelfen, durfte er in der evangelischen Kirche üben, weil in Sankt Peter damals nur ein Harmonium zu Verfügung steht. Ein erster Berührungspunkt mit der Ökumene.
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Seit November 2019 wohnte er im Caritasheim Sankt Elisabeth in Bensheim. Am vergangenen Donnerstag, 28. Dezember, ist Pfarrer Eisert, Ehrenpräses der Bensheimer Kolpingsfamilie, im Bensheimer Krankenhaus im Alter von 76 Jahren verstorben.
Gelebte Ökumene vor Ort
Als Norbert Eisert 1972 von Bischof Hermann Volk zum katholischen Priester geweiht wurde und seine Primiz feierte, war der evangelische Pfarrer seiner Mutter mit dabei. Der Bogen spannt sich weiter: Weil er aufgrund eines Hüftleidens lange Zeit an den Rollstuhl gefesselt war, hätte er unmöglich die Treppenstufen an der evangelischen Kirche in Bensheim-Gronau alleine bewältigen können. Kurzerhand organisierte sein evangelischer Amtsbruder vier kräftige Träger, die ihre „katholische Last“ in die Kirche brachten, damit Pfarrer Eisert das Bach-Konzert hören und sehen konnte. Gelebte ökumenische Basis vor Ort.
Norbert Eisert strahlte Vertrauen aus. Seine Erscheinung verbürgte Solidarität, Herzlichkeit und natürliche Einfachheit – ohne die praktizierende Spiritualität zu vergessen, ohne die es in den verschiedenen Stufen der Sozialisation nicht geht. Wollte ein Biograph ihm die Biedermannsmütze aufsetzen, träfe er nicht den wirklichen Norbert Eisert. Der geistige Habitus war weiter gespannt, verästelter, vielschichtiger.
Eisert hatte auch im Alltagsgeschäft die Sensibilität zu anderen Werten nicht verloren. Für ihn war das Wahrnehmen der Wirklichkeit keine bloße Spiegelung der öffentlichen Abläufe, sondern sein umfassendes Wissen, sein hoher Kenntnisstand von Land und Leuten, selbstredend von Religion, von Kommunalpolitik und Institutionen, Vereinen bis hin zu jenen, die man gerne um Rat fragt, bei denen man sich im Gespräch wohlfühlt.
Hohe Akzeptanz der heutigen Jugendlichen
Dass er sich als Heranwachsender für Theologie interessierte, lag wahrscheinlich an seinem Hausarzt, Dr. Georg Volk, dem Bruder des späteren Bischofs und Kardinals Hermann Volk. Als Norbert Eisert nach dem Abitur an der Leibnizschule in Offenbach, dann tatsächlich nach Mainz zum Theologiestudium für das Lehramt geht, trifft er auf Weihbischof Josef Maria Reuß, den Leiter des Priesterseminars, der dem jungen Studenten zum großen Vorbild wird und ihn zum Priesterstudium ermuntert. Zunächst gegen den Willen der Eltern.
Und wenn Norbert Eisert öfter einen persönlichen Wunsch äußerte, so lagen dessen Wurzeln bei Joseph Maria Reuß. Eisert wollte, dass es der Kirche gelingt, Jugendliche zu begeistern, junge Menschen anzusprechen und für die Mitarbeit in der Kirche zu interessieren. Er sah mit Sorge, dass die Gesellschaft auf eine Krise im Ehrenamt zusteuert, dass sich immer weniger Jugendliche ehrenamtlich engagieren. Und so wurde er nicht müde, sei es als Präses der Kolpingsfamilie in Bensheim und Heppenheim, oder in früheren Zeiten, als er als Religionslehrer und Oberstudienrat an der Karl-Kübel-Schule in Bensheim unterrichtete, jungen Menschen jene Werte zu vermitteln, die für ein funktionierendes Gemeinwohl unentbehrlich sind.
Als er von der Diözese gefragt wurde, ob er nicht die Gemeindearbeit mit der Schularbeit tauschen wolle – er war vorher Kaplan in Neu-Isenburg und in Seligenstadt beim früheren Heppenheimer Pfarrer Paul Kämmerling, sagte er ja, weil er erkannte, wie wichtig es ist, sich um diese Altersgruppe nicht nur fachlich, sondern auch und gerade menschlich zu kümmern. Eigentlich war für ihn die Pfarrgemeinde in Fürth vorgesehen. Und wenn Norbert Eisert – für seine Verdienste um das Schulwesen, längst zum Geistlichen Rat ernannt – immer wieder die hohe Akzeptanz der heutigen Jugendlichen erhielt, dann war seine Entscheidung damals richtig. Viele Schüler von einst, heute selbst in der Verantwortung, haben sich von Pfarrer Eisert trauen lassen. Auch das zeugt vom Vertrauensverhältnis und Respekt.
Er war aber nicht nur Seelsorger an der Schule, er kümmerte sich in Vertretung des Pfarrers auch um eine Gemeinde. Lange Jahre war sein Feld die Sankt-Michaels-Gemeinde in Einhausen, sieben Jahren wirkte er als Pastor, als Hirte, in Sankt Michael und Sankt Hildegard in Viernheim. Er hatte gute Verbindungen nach Birkenau und zuletzt, bereits im Ruhestand, wirkte er ein Jahr lang in der Pfarrei in Gernsheim.
Das entsprach auch seinem Wunsch, wenn er einmal in Ruhestand ist, dann auch als Pfarrer wirken zu können. Der damalige Mainzer Generalvikar Dietmar Giebelmann kam dieser Bitte nach. So lange es körperlich noch machbar war, half Pfarrer Eisert aus, sei es in der Pfarrei in Reichenbach oder in der Krankenhauskapelle im Heilig-Geist-Hospital in Bensheim oder im Raum Bensheims wurde er als Vertretung gerne gesehen. Auch turnusmäßig in Heppenheim, wenn er die Hubertusmesse zelebrierte.
Schon im Ruhestand unterrichtete er noch auf freiwilliger Basis in „seiner“ Karl-Kübel-Schule Latein. Und zwar für die Schüler, die von anderen Gymnasien nach Bensheim kamen und bereits drei Jahre diese Sprache erlernt hatten, denen aber noch ein Jahr zum Erwerb des Latinums fehlte.
Bach, Beethoven und die Beatles
2017 feierte Eisert sein 25-jähriges Jubiläum als Präses der Bensheimer Kolpingsfamilie. Wenig später wurde Heinz Förg sein Nachfolger – und Eisert zum Ehrenpräses ernannt.
In seiner Freizeit war er, zumindest bis zu seinen beiden Hüftoperationen, die ihn lange Zeit außer Gefecht setzten, ein Fastnachter, ein absolutes Bütten-Ass, das sich und anderen den Narrenspiegel vorhielt. Der bekennende Fußballfan der Offenbacher Kickers war äußerst belesen, er sprach neben anderen Sprachen perfekt Russisch, er war einem guten Essen und einem guten Wein nicht abgeneigt.
Seine Liebe galt nach wie vor der Orgel, die er früher oft spielte, und sein Lieblingskomponist war nicht nur wegen desselben Geburtsdatums, 21. März, Johann Sebastian Bach. Sein Herz schlug aber genauso für Beethoven und die Beatles. Der Beerdigungstermin steht noch nicht fest, sehr wahrscheinlich wird Pfarrer Norbert Eisert in Bensheim beigesetzt. Franz Müller
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