Bensheim. Anfang Dezember gab es für den Marktplatz der Zukunft bekanntlich den nächsten Nackenschlag. Vom Verwaltungsgericht Darmstadt trudelte nach dem Nikolaustag ein Schreiben ein, in dem Bürgermeisterin Christine Klein und Erste Stadträtin Nicole Rauber-Jung darüber informiert wurden, dass die Bürgerinitiative „Bensheimer Marktplatz besser beleben“ sich erneut ans Verwaltungsgericht in Darmstadt gewandt hatte.
Stoßrichtung dieses Mal: die Auslobung für den ergebnisoffenen Ideenwettbewerb kippen. Konkret hatte sie den Erlass einer einstweiligen Anordnung im Eilverfahren beantragt. Im Wesentlichen verwiesen die Akteure der BI darauf, dass der Text aus ihrer Sicht nicht mit dem Bürgerbegehren und dem Abhilfebeschluss aus dem Dezember 2020 konform gehe. Außerdem seien die Anlagen widersprüchlich und nicht auf dem aktuellen Stand der Sachlage. Darüber hinaus sei – wenn auch nicht im Einflussbereich der BI – die Termingestaltung für einen ordnungsgemäßen und erfolgreichen Ideen-Wettbewerb kontraproduktiv.
Verfahren ausgesetzt
Verbunden mit dem Vorstoß bei Gericht war, dass die Stadt bis zur Klärung keine weiteren Entscheidungen hinsichtlich der Auslobung treffen darf. Die wiederum setzte nach einer juristischen Beratung das gesamte Verfahren aus und hatte wenig Verständnis für das Ansinnen der Bürgerinitiative. „Das gerichtliche Vorgehen der BI ist für uns absolut unverständlich. Denn die Verwaltung setzt den Stadtverordnetenbeschluss zum Ideenwettbewerb um“, erklärte Erste Stadträtin Nicole Rauber-Jung (CDU) im Dezember.
Kurzum: Neben weiteren atmosphärischen Störungen konnte nicht nur der vorher kommunizierte Zeitplan in die Tonne getreten werden. Unklar ist seitdem auch, wie man überhaupt am Marktplatz sinnvoll zusammenfinden will. Zumal auch das Bürgernetzwerk deutlich seine Unzufriedenheit mit der Ausschreibung und darin verankerten Vorgaben äußerte (wir haben berichtet). Mehr als zwei Monate, nachdem sich die BI auf den Rechtsweg begeben hatte, lässt sich kaum abschätzen, wann mit einem Fortgang der Geschichte zu rechnen ist.
Auf Nachfrage teilte die städtische Pressestelle mit, dass man im Rathaus bislang keine Rückmeldung vom Verwaltungsgericht erhalten habe. Auch eine Tendenz, wann es zu einer Entscheidung kommen könne, habe man nicht. Auf gut deutsch: Man ist so klug als wie zuvor, sprich einst im Dezember.
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Ein Sprecher des Verwaltungsgerichts erklärte auf Anfrage dieser Zeitung, dass das Eilverfahren weiterhin anhängig sei. „Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist nicht absehbar, ob eine gerichtliche Entscheidung erforderlich sein wird und – wenn ja – wann mit einer Entscheidung zu rechnen ist“, so der Sprecher weiter. Sollte sich die Angelegenheit anderweitig erledigen, wäre ein Eingreifen der Richter nicht vonnöten. Dies sei etwa dann der Fall, wenn sich alle Beteiligten doch noch (gerichtlich oder außergerichtlich) einigen. Ob das (noch) realistisch ist, sei zurzeit nach den ihm vorliegenden Informationen nicht absehbar, erläuterte der Pressesprecher des Verwaltungsgerichts.
Nach allem, was man bisher weiß, strebt zumindest die Stadt eine finale Entscheidung durch die Justiz an. Bei ihrer Rede am Neujahrsempfang ließ Bürgermeisterin Klein die Gäste wissen, dass der Magistrat nach einem intensiven Prozess des Abwiegens entschieden habe, dem angeregten Güteverfahren nicht zu folgen. Was nun wirklich nötig sei, „sind Klarheit und Handlungssicherheit“. Es bedürfe einer für alle Beteiligten bindenden gerichtlichen Entscheidung, „um endlich voranzukommen“. Nach Angaben der städtischen Pressestelle habe sich an dieser Einstellung nichts geändert.
In der Praxis bedeutet das: Sollten sich die Rathausspitze und die Vertrauensleute der Bürgerinitiative nicht in einem plötzlichen Anfall gegenseitiger Zuneigung und gegenseitigem Verständnis in die Arme fallen, muss das Verwaltungsgericht mal wieder eingreifen. Nur wann das sein wird, steht offenbar zumindest momentan in den Sternen.
Dass es beim Marktplatz länger dauert und die Tendenz eher in Richtung eines Generationenprojekts geht, ist indes nicht Neues. Zwar hatten die Verantwortlichen im Rathaus noch im Spätherbst gehofft, mit dem Ideenwettbewerb und der dafür schon feststehenden Jury einen Weg aus der Misere gefunden zu haben. Dem scheint aber nicht so zu sein.
Wobei der Ideenwettbewerb an sich nicht grundsätzlich in tiefen Schubladen verschwinden muss. Abhängig vom Ausgang des Verfahrens kann das Prozedere durchaus wieder in Gang gesetzt werden – wenn es von keinen der Beteiligten mehr Bedenken gibt. Allerdings muss der Zeitplan neu aufgesetzt werden. Da sich die Bensheimer mittlerweile aber ohnehin an den Anblick ohne Haus in Kombination mit ein paar Holzbuden vor der Mauer gewöhnt haben, stellt sich mittlerweile sowieso die Frage, wie hoch der Handlungsdruck überhaupt ist – lässt man die ursprüngliche Intention kurz außer Acht, mit einem wie auch immer gearteten Neubau oder einer schicken Freiflächengestaltung für mehr Leben in der Innenstadt zu sorgen.
Wie dem auch sei: Eigentlich hätten am 10. März die Sieger des mit 60 000 Euro dotierten Ideenwettbewerbs gekürt werden sollen. Der Termin ist bekanntlich Geschichte. Und wie das nächste Kapitel des tragikomischen Trauerspiels aussieht, wissen vermutlich nicht einmal die Hauptdarsteller.
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