NABU Bensheim/Zwingenberg feiert 75. Jubiläum

Seit 75 Jahren im Einsatz für Naturschutz und Artenvielfalt: Ein mit besonderen Aktionen prall gefülltes Jahr steht den Mitgliedern und Freunden des NABU-Stadtverbandes Bensheim/Zwingenberg zum Jubiläum bevor.

Von 
Eva Bambach
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Einzigartiges Feuchtbiotop: Der NABU-Stadtverband hat sich – gemeinsam mit dem Förderverein – um die Wiederbelebung und den Erhalt des Naturschutzgebietes Tongruben verdient gemacht. © Thomas Neu

Bensheim/Zwingenberg. Was im Jahr 1950 als „Vogelschutzbund Bensheim“ gegründet wurde, hat sich im Lauf seiner 75-jährigen Geschichte zum NABU Bensheim/Zwingenberg mit aktuell mehr als 800 Mitgliedern gemausert. Obwohl die Aufgabenfelder im Lauf der Jahrzehnte enorm gewachsen sind, liegt der Fokus nach wie vor auf dem Naturschutz vor Ort.

Für Werner Eck, den Ersten Vorsitzenden der Gruppe, geht es um die Beobachtung der urbanen Entwicklung der Stadt und die Entwicklung der Naturräume, um Wald, Wasser, Landwirtschaft, Wiesen, geschützte Flächen – wo wird die Artenvielfalt gestört oder zerstört, wo sind besondere Rücksichtnahmen erforderlich und wo könnten Schutzmaßnahmen negative Folgen sogar wieder rückgängig machen? Mit Stellungnahmen und sachlicher Kritik, mit Gutachten und Erfassungen im Sinne des Bundes- und Hessischen Naturschutzgesetzes bringt sich der Verband in die städtebauliche und naturräumliche Entwicklung der Stadt ein. Mit zahlreichen Projekten wird aktiver Natur- und Artenschutz betrieben.

Zur Geschichte gehören auch gescheiterte Projekte

Trotzdem: Zur Geschichte des Verbandes gehören auch erfolglose Stellungnahmen und gescheiterte Projekte. So konnte die Erweiterung des Gewerbegebiets Stubenwald II im ökologisch wichtigen Gebiet der Altneckarschleife nicht verhindert werden, obwohl die Bedenken des NABU auch von Fachbehörden geteilt wurden.

Die Anfänge der örtlichen NABU-Gruppe gehen ins Jahr 1950 zurück, als sich unter dem Namen „Bund für Vogelschutz“ Bensheimer Vogelfreunde unter Leitung des Oberstudienrates Friedrich Hering zusammenfanden. Die Geschichte des Verbandes ist eng mit Eberhard F. Erb, Heinz Berscheid, Reinhold Meixner, Georg Rossa und Hanne Andel verbunden. Vorsitzender der Gruppe war von 1986 bis 2022 Stephan Schäfer, der noch heute aktiv im Vorstand ist. Sein Schwerpunkt war und ist das vogelkundliche Engagement.

Naturschutz früher und heute: Zur Vogelbeobachtung im Ried brach im Januar 1985 eine Gruppe NABU-Mitglieder auf, vorne (v. li.) die Vorstandsmitglieder Reinhold Meixner, Heinz Berscheid und Stephan Schäfer. Das Bild rechts zeigt Mäharbeiten auf einer Waldwiese bei Hochstädten – ein Arbeitseinsatz im Sommer 2024. © NABU/Dietmar Funck

Die Umweltkatastrophen der 1980er Jahre wie der „Saure Regen“ und das Waldsterben, das Ozonloch und der Atomunfall von Tschernobyl bewirkten ein wachsendes umweltpolitisches Bewusstsein. 1973 wurde auf Anregung von Eberhard F. Erb in Bensheim eine Naturschutzkommission mit beratender Funktion gegenüber dem Magistrat gebildet. Neben Eberhard F. Erb wurde auch Stephan Schäfer Mitglied dieser Kommission, deren Anliegen nicht immer Gehör fanden. So konnten der Flächenverbrauch und die Eingriffe in die Naturräume nicht aufgehalten werden: Große Lagerhallen, breite Umgehungsstraßen und neue Gewerbegebiete gefährdeten die Natur zum Teil massiv.

Generationswechsel der Mitglieder stand an der Tagesordnung

Die Wiedervereinigung Deutschlands brachte den Zusammenschluss des „Deutschen Bundes für Vogelschutz“ mit entsprechenden Fachgruppen in der ehemaligen DDR zum „Naturschutzbund Deutschland“ (NABU). Der NABU-Stadtverband Bensheim unterstützte die Fachgruppe Naturschutz Oberlausitz beim Erwerb von Naturschutzflächen.

Vor Ort aktiv: In Hochstädten (Bild li.) wurde ein Biodiversitätsmonitoring im Umkreis des Kiesbruchs durchgeführt, links NABU-Vorsitzender Werner Eck. Beim Obstbaum-Schnittkurs zeigte Gerhard Kraft (re.) den naturgemäßen Schnitt. © NABU

Es folgten gegenseitige Besuche zum Erfahrungsaustausch, die von Hanna Andel organisiert wurden. 1998 schloss sich die NABU-Ortsgruppe Zwingenberg dem NABU-Stadtverband Bensheim an. Die Mitgliederzahlen stiegen erneut an. Sorge bereitete jedoch das zum Teil hohe Alter der aktiven Mitglieder. Ein Generationswechsel stand auf der Tagesordnung, um die Arbeit für den Naturschutz weiterzuführen. Auch wenn nicht allen Bedenken und Hinweisen von den öffentlichen Gremien gefolgt wurde – die Anstöße des NABU hatten und haben in Bensheim und Umgebung dennoch sehr konkrete Auswirkungen. Allen voran ist wohl das „Naturschutzgebiet Tongruben von Bensheim und Heppenheim“ zu nennen, eine Fläche von rund 92 Hektar zwischen Bensheim und Heppenheim, auf der bis 1960 Ton abgebaut wurde. Nach Einstellung des Abbaus füllten sich die Gruben mit Grundwasser. Es entstand ein für die Vogelwelt einzigartiger Lebensraum mit Flachwasserbereichen, Schilf, Röhricht und Feuchtwiesen. Doch mit einem sinkenden Grundwasserpegel in den 1990er Jahren drohte der Verlust dieses Paradieses.

Ein Gewinn für Bensheim – Tongruben und Co

Besonders verdient gemacht hat sich für die Wiederbelebung der Tongruben Willy Helm. Er hat unermüdlich um den Erhalt der Tongruben geworben und tatkräftig über Jahre für die Entbuschung und Vernässung der zwischenzeitlich vertrockneten Tongruben gesorgt. Auf Initiative von Helmut Wolf gründete sich ein Förderverein für dieses Naturschutzgebiet. Seine Aufgabe ist die Erhaltung des einzigartigen Feuchtbiotops. Mittlerweile zählt der Förderverein rund 80 Mitglieder.

© Raith W.

Ein weiterer Meilenstein in der Arbeit des NABU Bensheim/Zwingenberg war die Einrichtung des Naturschutzzentrums an der Erlache. Es wurde 2004 im Rahmen des Hessentages eröffnet und zu einer Stätte der Begegnung und Information für Kinder, Jugendliche und Familien zu allen relevanten Themen und Problemen des Natur- und Artenschutzes.

Auch abseits von diesen weithin öffentlich wahrgenommenen Projekten zeigt die NABU-Arbeit vielfältige Wirkung: So wurde das Erlachwäldchen unter Naturschutz gestellt. Durch den Schutz der Schilfröhrichte in den Riedgräben konnten Wasserralle, Teichralle, Blessralle und weitere Vogelarten sowie zahlreiche Insekten Brutplätze finde. Außerdem wurden Streuobstbäume und Streuobstwiesen gepflegt, um weitere Biotope für Vögel und Insekten zu verbessern. Als Lebensraum für Amphibien wurden Teiche angelegt.

Insektenangebot ist entscheiden für die Vögel

Für den NABU gehören Artenschutz und Klimaschutz zusammen. So beteiligte er sich zum Beispiel auch beim Jugend-Klimaforum des Kreises vor einigen Wochen. In zehn Workshops erforschten Sechstklässler der Geschwister-Scholl-Schule die Ursachen und Folgen des Klimawandels und erarbeiteten gemeinsam mögliche Lösungen. Die Schülerinnen und Schüler bauten unter Anleitung des NABU dabei ein großes Insektenhotel für die Schule.

Sehr viele unserer Vogelarten sind im Rückgang, konstatieren die Naturschützer. Insbesondere macht es ihnen Sorgen, dass der früher so zahlreiche Feldsperling kaum noch zu sehen ist. Die Feldvögel wie Feldlerche, Rebhuhn und Goldammer sind nur noch sehr selten anzutreffen. Nur einige wenige Arten haben sich den Umweltbedingungen angepasst wie beispielsweise der Storch, die Ringeltaube oder die Amsel.

„Das Insektenangebot ist entscheidend für die Vögel“, sagt Hermann Kirchmann, der als Zweiter Vorsitzender im Vorstand des NABU Bensheim/Zwingenberg aktiv ist: „Wir fordern mehr Grün in der Stadt“. Exakt in diesem Sinn war übrigens schon ein Bericht des BA vor 20 Jahren überschrieben, in dem es um den örtlichen NABU ging.

„Die Menschen für den Naturschutz einnehmen und Interesse für die Bedeutung und Schönheit der Natur wecken“, ist die Motivation für den NABU-Vorsitzenden Werner Eck. In dieser Hinsicht ist der Verband offensichtlich sehr erfolgreich: Mehr als 200 neue Mitglieder konnten allein im vergangenen Jahr gewonnen werden. Darüber hinaus schätzen viele Menschen den Verband wegen seiner Sach- und Informationskompetenz, wenn es um Fragen rund um die Tierwelt und Natur geht.

Eine Stadt ist mehr als Straßen und Häuser

Dass die Interessen von Naturschutz und urbaner Infrastruktur oft entgegengesetzt sind, liegt auf der Hand. Doch unter dem Strich ist die Zusammenarbeit mit der Stadt Bensheim durchaus gut, sagen Werner Eck und Hermann Kirchmann. Unter anderem auch mit Hinweis auf das jüngste Projekt, das Teil des Jubiläumsprogramms ist: Im Bensheimer Stadtpark ist eine – vom Magistrat schon genehmigte – Beispielfläche für Stadtnatur geplant, die von einer ökologischen Grünplanerin gestaltet werden wird.

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Dadurch sollen möglichst viele regionale Gärtner zur Nachahmung anregt werden. Schließlich, so sagen es Werner Eck und Hermann Kirchmann frei nach Erich Kästner: „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.“ So lautet das Motto des Verbandes, der die Stadt und die Region durch Beratung und Stellungnahmen sowie beispielhafte Projekte mitgeprägt hat.

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