Bensheim. Kann man sowas heute noch bringen? Max und Moritz nach Wilhelm Busch, als Kindertheater, mit Figuren wie Schneider Böck und Lehrer Lämpel mit seiner langen Tabakspfeife – das klingt verstaubt und meilenweit entfernt von der Lebenswelt heutiger Grundschulkinder.
Für diese Zielgruppe gedacht war die Aufführung von „Max und Moritz – Da ist noch was im Busch“ am Sonntagnachmittag im Parktheater. Und wie der Titel schon vermuten lässt, kam die Geschichte aus dem vorvergangenen Jahrhundert gründlich durcheinandergerüttelt daher und mit ihrem Autor Wilhelm Busch wurde dabei in keiner Weise glimpflich umgegangen.
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Das Neue Globe Theater aus Potsdam präsentierte auf Einladung der Stadtkultur Bensheim in deutscher Erstaufführung das Stück des mit mehreren Preisen ausgezeichneten österreichischen Autors Bernhard Studlar aus dem Jahr 2014.
„Sie sind wieder da“, schallt es furchterfüllt aus den Kehlen von Witwe Bolte und Co, denn das berüchtigte Lausbubenpaar ist zurückgekehrt, als anarchistisch buntes Duo „M & M“, das sich von Wilhelm Busch – genannt der „Buschmann“ – schon lang nichts mehr sagen lässt. Den Ort ihrer Schandtaten nennen sie nun „Wilhelmsbusch“ und so geht es weiter im Text mit der Aneignung der alten Vorlage.
Über den Ort herrscht nun das „Heilige Huhn“, vermittelt durch die Witwe Bolte, deren autoritärer „Boltewismus“ von einem faschistischen Hühnerbeauftragten durchgesetzt wird. Erste Regel: „Müssen müssen“, zweite Regel: „Nicht wollen sollen“. Es herrscht eine allumfassende Farblosigkeit, für die Schneidermeister Böck die passenden Uniformen näht. Lehrer Lämpel hat die Tabakspfeife gegen die Trillerpfeife getauscht und nutzt den Turnunterricht für paramilitärischen Drill.
Onkel Fritz betet bigott zum heiligen Huhn und glaubt so fest daran, dass er am Ende tatsächlich selbst ein Ei legt. Doch ist es niemand anderes als die Witwe Bolte selbst, die die verfügten Gesetze bricht, die da lauten: Du sollst kein Huhn besitzen, halten oder essen. Insgeheim betreibt die Witwe nämlich ihre Hühnerzucht weiter und beschickt den Schwarzmarkt mit gebratenem Huhn.
Mit seinem Stück bringt das Neue Globe Theater unter der Regie von Kai Frederic Schrickel keine weichgespülte Story auf die Bühne. Max und Moritz setzen sich zwar für das Gute und Richtige und nicht zuletzt für Werte wie Freundschaft und Zuverlässigkeit ein, doch bewahrt die Aufführung auch in den Kostümen von Hannah Hamburger das Groteske der Vorlage, ebenso wie im karikierenden Spiel der vier Schauspieler Sebastian Bischoff, Andreas Erfurth, Martin Radecke und Laurenz Wiegand.
Politische Wiedergutmachung
Auch die grausamen Komponenten des Originals sind nicht eliminiert. „Ricke-Racke“ – die schreckliche Mühle – liegt als Drohung immer wieder über dem Geschehen, wird aber inhaltlich nicht weiter ausgeführt oder gar schauspielerisch umgesetzt. Doch legen M & M dem Buschmann am Ende das Handwerk für immer und befreien alle Hühner. „Irgendwie auch eine politische Wiedergutmachung an den bösen Buben“, so sieht die Theatergruppe das Stück.
Ganz gewiss nicht alle Kinder dürften die vielen darin enthaltenen Anspielungen verstanden haben, die den Erwachsenen viel Vergnügen machten. Doch allein schon das unangepasste Verhalten und die Frechheit der Hauptpersonen erfreute das Herz des jungen Publikums. Dazu die vielen Clownerien und Running Gags wie die Cola-Dose, aus der nur Konfetti kommt, oder eine Banane, mit der die dummen Erwachsenen immer wieder hereingelegt werden, Slapstick-Elemente und viel Sprachwitz. Am Ende gab es langen Applaus und begeisterte Rufe im etwa halb gefüllten Parkett des Theaters.
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