Bensheim. Immerhin haben die Blumenkübel, die seit Kurzem die Lücke am oberen Marktplatz etwas zu kaschieren versuchen, nicht den spröden Betoncharme ihrer Pendants auf dem Hoffart-Gelände. Aber für eine veritable Aufwertung des Geländes braucht es mehr.
Das wissen die meisten Beteiligten, allen voran das Stadtmarketing. Nur: Bis der Ideenwettbewerb wieder angelaufen ist, die Jury Sieger-Entwürfe gekürt hat, die Bürger ein Stimmungsbild zeichnen und die Stadtverordneten am Ende ein Votum abgeben, werden die Bäumchen in den Kübeln sich merklich gen Himmel gestreckt haben.
Zumal nach einem wie auch immer gearteten Beschluss des Stadtparlaments weder am nächsten Tag eine Bebauung entstehen noch eine Freiflächengestaltung angegangen werden kann. So gesehen wundert es nicht, dass über mögliche Zwischennutzungen für das bekieste Fleckchen unterhalb der Stadtkirche Sankt Georg gesprochen wird. Im Bauausschuss hatte Vorsitzender Thomas Götz (Grüne) das Thema auf die Tagesordnung gebracht.
Schorsch-Alm im Winter
Marion Reiser vom Stadtmarketing gab einen kurzen Überblick, was in den vergangenen Jahren zeitweise angesiedelt wurde – vom Weingarten bis zur Schorsch-Alm, die im Übrigen im Winter ein Comeback feiern soll. Für den Sommer hat sie jedoch ein großes Problem ausgemacht. „Dort oben gibt es keinen Schatten. Weil es windig ist, können sie kein Sonnensegel anbringen. So hält es da keiner aus.“
Der Französische Markt wird wohl in diesem Jahr für ein paar Tage die Fläche beleben, aber sonst gestaltet es sich schwierig. Das gilt auch für ein mögliches Kulturprogramm. „Alle haben tolle Ideen, aber keiner macht was“, so Reiser. Hinzu kommen die Kosten für potenzielle Veranstalter. Dabei gehe es weniger um die Künstlergagen, sondern vielmehr um die Ausgaben für Ausrüstung, Technik und Personal. „Da bräuchte es rund um die Uhr Security“, meinte die Fachfrau.
Die Versuche, den Wochenmarkt weiter nach oben zu ziehen, kam bei den Betreibern nicht überragend gut an, vorsichtig formuliert. Auch weil aufgrund der Topographie das Aufstellen von Ständen kaum möglich sei. Sie sei schon froh, dass das Marktfrühstück einigermaßen angenommen werde, auch wenn sie noch Luft nach oben sieht.
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Grundsätzlich hält Reiser den Platz in seiner jetzigen Ausprägung als zu groß, er ziehe sich zu weit nach hinten. „Das ist keine heimelige Situation.“ Sprich: Es hapert am Ambiente. Die Fläche als Zwischennutzung dauerhaft im Sommer zu bespielen, hält sie für eine Illusion. Unabhängig von Kosten und Leuten, die anpacken und umsetzen, müsse man bedenken, was man den Anliegern damit zumute. Beim Stadtmarketing schlagen ihrer Auskunft nach oft Rückmeldungen von Anwohnern auf, denen es zu laut ist.
Thomas Götz brachte indes zwei beliebte Bensheimer Veranstaltungen ins Spiel, mit denen sich das Gelände seiner Meinung nach beleben ließe: Maiway und Vogel der Nacht. Beim Musik- und Kneipenfestival am Mittwoch (17.) hätte dort doch eine Band auftreten können. Marion Reiser verwies darauf, dass Maiway keine städtische Veranstaltung sei.
Davon abgesehen bestückt Initiator Harry Hegenbarth den Marktplatz mit den Ständen seines Nachtmarkts im unteren Bereich und hat mit der Kirche Sankt Georg eine weitere Spielstätte in unmittelbarer Nähe.
Das Festival Vogel der Nacht lebt von der Location
Die Verlagerung des Stadtpark-Festivals Vogel der Nacht in die Stadtmitte bewertete Reiser ebenfalls als schwierig. Einerseits, weil der Charme des Ganzen mit von der Location lebe. Andererseits, weil auch hier bekanntlich die Showmaker-Truppe um Hegenbarth als Ausrichter seit vielen Jahren einen guten Job macht – und das Stadtmarketing nicht der Veranstalter ist.
Erste Stadträtin Nicole Rauber-Jung äußerte ebenfalls Bedenken, ob es generell sinnhaft sei, dort so viele publikumsträchtige Events zu bündeln. „Es ist und bleibt ein schwieriges Kapitel.“ Zugleich betonte die Baudezernentin, dass zunächst der Ideenwettbewerb ergebnisoffen weitergeführt werden müsse.
„Wir haben keine geheimen Pläne in der Schublade“, entgegnete sie Thomas Götz, der darauf verwies, dass es bei einer möglichen Gastronomie in einem Neubau ja auch zu Beschwerden der Anwohner kommen könnte. Der Ausschuss-Vorsitzende sowie BfB-Fraktionschef Norbert Koller waren nicht wirklich glücklich über die Ausführungen der Stadtmarketing-Frontfrau. Koller sprach sich ebenfalls für eine zwischenzeitliche Belebung des Platzes bis zur finalen Entscheidung aus.
Marion Reiser versicherte, dass sie offen für Ideen und Vorschläge sei. Sie verdeutlichte jedoch, dass ihr Team es weder personell noch finanziell leisten könne, die Fläche im Sommer durchgehend mit Veranstaltungen zu belegen. „Und einen Investor, der ein paar Millionen Euro dort in ein Sommerprogramm steckt, den finden sie nicht. Kultur ist halt immer ein Zuschussgeschäft.“ Was bleibt nach der Runde im Ausschuss, ist die Erkenntnis, dass eine Übergangslösung schwer zu finden sein wird und am Ende des Tages ohnehin nicht retten kann, was am Marktplatz bisher an die stattliche Stützwand des Kirchenvorplatzes gefahren wurde, bildlich gesprochen natürlich.
So darf man die Blumenkübel und Bäumchen durchaus als stumme Zeugen der Anklage werten, die in der Sommersonne auf bessere Zeiten hoffen. Auch wenn sie selbstredend nicht als solche dort platziert wurden. Aber der Interpretationsspielraum beim Marktplatz der Zukunft war in den vergangenen Jahren bekanntlich groß.
Kurzfristig ist sowieso zunächst entscheidend für die Rathausspitze, ob das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig wird – oder die Bürgerinitiative „Bensheimer Marktplatz besser beleben“ Widerspruch gegen die Entscheidung der Richter einlegt. Wie der Sachstand in dieser Angelegenheit aussieht, ist noch offen. Aus dem Rathaus hieß es am Freitag dazu, dass es nichts Neues zu vermelden gebe.
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