Bensheim. Über 130 Jahre Firmengeschichte in Auerbach, die Weihe der Bergkirche vor 238 Jahren als Ursprung der Auerbacher Kerb, die nach ihrer Wiederbelebung 1976 in diesem Jahr zum 50. Mal in Folge gefeiert wurde und das vor 70 Jahren erstmals verliehene Prädikat Luftkurort Auerbach sind Traditionen, die verbinden. Eine Woche nach der Jubiläumskerb führten sie zu einer interessanten Ausstellung im Sanner Forum an der Schillerstraße, zu deren Eröffnung am Freitagabend auch zahlreiche Vertreter der Kommunalpolitik gekommen waren.
Neben den Hausherren Ute Sanner-Friedrich und Hendrik Friedrich waren der Kur- und Verkehrsverein Auerbach mit seiner Abteilung Auerbacher Kerb die Gastgeber der übers Wochenende laufenden Ausstellung. Mit dem im Außenbereich aufgebauten kleinen gastronomischen Angebot bot die Präsentation neben der Erinnerung an vergangene Auerbacher Zeiten auch eine gemütliche Gelegenheit für gemeinsame Gespräche.
Auch wenn die inzwischen weltweit agierende und im vergangenen Jahr in das Bensheimer Gewerbegebiet Stubenwald umgesiedelte Sanner Group heute mehrheitlich einem britischen Finanzinvestor gehört, bleibt die Familie Sanner Auerbach nach wie vor eng verbunden. Das war auch den Begrüßungsworten von Ute Sanner-Friedrich und ihrem Sohn Hendrik zu entnehmen. Ebenso spiegelt sich das in der Immotolia GmbH & Co. KG mit Geschäftsführer Hendrik Friedrich wider, die eigens für die Entwicklung des ehemaligen Firmengeländes an der Schillerstraße zum neuen Wohnquartier „Alte Stobbefabrik“ gegründet wurde.
An vorderster Front der Kerwemacher hatte sich die Familie nie beteiligt, aber es war Ehrensache, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Kerwemontag auf der Auerbacher Kerb waren. So wurde von beiden auch die Bereitstellung der Räumlichkeiten im Sanner-Forum für die Ausstellung als Dank und Wertschätzung für das in den vergangenen Jahrzehnten geleistete ehrenamtliche Engagement gesehen. Das sei etwas ganz Besonderes, denn „ohne dieses Engagement würde es keine Auerbacher Kerb geben“, so Ute Sanner-Friedrich.
Das bestätigte auch der Vorsitzende des Kur- und Verkehrsvereins, Reinhard Bauß, der es übernommen hatte, aktuelle und ehemalige Persönlichkeiten aus der Kommunalpolitik zu begrüßen. Neben Stadtverordnetenvorsteherin Christine Deppert, Mitgliedern der Stadtverordnetenversammlung und des Magistrats sowie dem neuen Ersten Stadtrat Frank Daum, hieß er auch Ortsvorsteher Robert Schlappner mit weiteren Ortsbeiratsmitgliedern willkommen. Besonders begrüßt wurden der frühere Landrat Matthias Wilkes, sowie Ex-Bürgermeister Rolf Richter, der frühere Erste Stadtrat Bensheims, Helmut Sachwitz und der ehemalige Auerbacher Ortsvorsteher Peter Schott.
Wie Bauß vermutete, dürften vermutlich einige Gäste anwesend sein, die alle 50 Kerweveranstaltungen des vergangenen halben Jahrhunderts mitgemacht haben, mit den Anfängen Auerbachs als Luftkurort vor 70 Jahren dürfte das dagegen etwas schwieriger sein. Dazu dienten dann aber auch die zahlreichen Schautafeln, die mit vielen Bildern und Dokumenten an die vergangenen 50 beziehungsweise 70 Jahre erinnerten.
Zuvor hatte der ehrenamtliche Auerbacher Stadtrat Ralph Stühling in die Ausstellung eingeführt. Eigentlich sei Auerbach schon seit 1738 Luftkurort, als im Fürstenlager mineralische Quellen entdeckt wurden und Landgraf Ludwig VIII von Hessen-Darmstadt hier seine Sommerresidenz errichten ließ. Die offizielle Anerkennung erfolgte allerdings erst im August 1955, nachdem die Stadt Bensheim gut ein Jahr zuvor einen entsprechenden Antrag für den 1939 eingemeindeten Stadtteil gestellt hatte.
Dass auch damals dem Anerkennungsprozess viele bürokratische Hürden vorausgingen, war den Dokumenten mit den zahlreichen Fragen und Antworten von Bürgermeister Treffert zu entnehmen. Da wurde nach allgemeinen sanitären Voraussetzungen gefragt, wie zum Beispiel bei der Ausstattung der Unterkünfte mit fließendem warmen und kalten Wasser sowie WC und Bad, oder nach allgemeinen Einrichtungen wie einem Kurhaus. Das gab es noch nicht, aber ein Kurpark-Kaffee sowie drei Kurparks (Fürstenlager, Kurpark der Stadt Bensheim, Schlosspark Schönberg) und die Zusicherung von Treffert, dass die noch fehlenden Einrichtungen „raschestens“ geschaffen werden.
Es gab eine Vielzahl an Ideen und Plänen zur Stärkung des Luftkurorts, von denen aber längst nicht alle umgesetzt wurden, Dazu gehören die Seilbahn zum Auerbacher Schloss, ein schwimmendes Café auf dem Niederwaldsee oder die Verlängerung der Weinbergstraße als Wanderweg mittels einer Brücke zur Bergkirche. Realisiert wurden insbesondere vom Kur- und Verkehrsverein das Auerbacher Verkehrsbüro, das Lesezimmer oder die Kurkonzerte, die heute als Auerbacher Konzerte weitergeführt werden.
Auch ein Messgerät zur Feststellung der Luftqualität gehörte zu den Ausstellungsstücken. Vor zwei Jahren war mit der vom damals zuständigen Minister Tarek Al-Wazir unterschriebenen Urkunde bereits zum vierten Mal die Anerkennung Auerbachs als Luftkurort bestätigt worden.
Auch zur 50. Auerbacher Kerb in Folge konnte Ralph Stühling einiges berichten, denn sein Vater und damalige zweite Vorsitzende des Kur- und Verkehrsvereins, Ernst Stühling, gehörte zu den Personen, die 1976 die Interessengemeinschaft Auerbacher Kerb ins Leben riefen, dem dann im Oktober des gleichen Jahres die erste wiederbelebte Kerb folgte. Damals noch „mit einem Festzug ohne Genehmigung der Stadt und mit Gegenverkehr auf der Darmstädter Straße“.
Nach wie vor sind es die Traditionsfiguren, die die Auerbacher Kerb prägen. Sei es die erste Kerwekönigin 1979 mit Brigitte Weigold (geb. Kadel), dem Kerweboijemoaschder (ab 1981 Kerweparre oder den Schirmherrn, deren Anfang der damalige Landrat Ekkehard Lommel machte. Seit 1982 fahren die in den Folgejahren amtierenden Schirmherrn im Festzug als Stammtisch mit.
Auch der Standort der Kerb wechselte in den vergangenen fünf Jahrzehnten mehrmals. Vom Platz am alten Rathaus in der Bachgasse, über den Schloßplatz, den vorderen Kroneparkplatz, den Kronepark mit Musikpavillon und eigenem Zelt bis zum Bürgerhaus seit 2015 war die Ortsmitte immer Austragungsort. Einzige Ausnahme war die Corona-Pandemie. Da wurde die Kerb im Kerweschuppe an der Lahnstraße zur „Schuppekerb“.
Ein wichtiger Bestandteil der Kerb ist auch die alljährlich neu aufgelegte Kerwezeitung, die mit Heften aus den vergangenen Jahren ebenfalls Teil der Ausstellung war.
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