Marmorit-Werk

„Prachtbau“ in Hochstädten fiel der Abrissbirne zum Opfer

Historische Bilder des ehemaligen Bürogebäudes zeigen Zusammenhang mit der Wandgestaltung der Königshalle des Klosters Lorsch auf

Von 
Gerlinde Scharf
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Im Hochstädter Haus wurden jetzt die historischen Bilder vorgestellt. Unser Bild zeigt (v.li.) Susanne Sartorius, Bernd Rettig und Herbert Fuchs. © Thomas Neu

Bensheim. Inständig, aber letztendlich ohne Erfolg, hat die Stadtteildokumentation Hochstädten nach dem endgültigen Aus des Marmoritwerks 2008 beim Magistrat der Stadt Bensheim und besonders beim damaligen Bensheimer Bürgermeister um den Erhalt des prächtigen, von dem Frankfurter Künstler Reinhold Schön gestalteten Bürogebäudes, gekämpft. Alle Anstrengungen und Bitten waren umsonst.

Der Abriss des Prachtbaus mit noch einwandfreier Putzstruktur und Farbe war beschlossene Sache. Die Bagger taten ihre Arbeit. Und das, obwohl die außergewöhnliche Fassade, von Schön 1965 anlässlich des 100-jährigen Jubiläums des industriellen Abbaus des Kalkstein- und Marmorvorkommens im Hochstädter Tal aufgebracht, schon auf den ersten Blick durch ihre strenge Geometrie und Harmonie, durch Farbgebung und Schönheit bestach.

Lediglich die ehemalige Kantine, das heutige Dorfcafé, wurde von der Abrissbirne verschont. Zu verdanken ist dies dem unter Denkmalschutz stehenden Kratzputzbild an der Stirnseite des Cafés und dem Fresko der Heiligen Barbara von Gustav Dulde. Letzteres stellt eine Arbeiterszene, die Bergeinfahrt in den Stollen, dar.

Ein weiteres Novum: Der Dekorationsmaler, Bühnenbildner und Zeichner hat die Wandgestaltung der Königshalle des karolingischen Klosters Lorsch inhaltlich auf das Empfangsgebäude des Marmoritwerks übertragen und gemeinsam mit Stukkateurmeister Willi Grön, Gerhard Steffan, Bruno Gröger und anderen vorgenommen. „Eine selbständige Interpretation der Lorscher Fassade“, nennt Herbert Fuchs, langjähriger Sprecher und Motor der Stadtteildokumentation Hochstädten, die Arbeit von Reinhold Schön. „Die neue „Königshalle“ war nunmehr das alte Bürogebäude, das in seiner Bausubstanz noch auf die Bergbaufamilie von Dr. Wilhelm Hoffmann zurückgeht.

Damit dieser „große Wurf eines Kunstwerks“ (so tituliert im Jubiläumsband 700 Jahre Hochstädten) nicht in Vergessenheit gerät, wurden jetzt auf Initiative von Fuchs, mit Unterstützung des Fördervereins Hochstädten und seiner Vorsitzenden Susanne Sartorius sowie unter Mitwirkung von Bernd Rettig, im Durchgangsbereich zum Hochstädter Dorfcafé zwei Bilder angebracht.

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Diese zeigen – kurz vor dem Abbruch - zum einen das Bürogebäude mit den kleinen geometrischen Quadrat- und Sechseckmustern in den Farben Rot und Weiß, das dezente Quadratmuster in Rot-Gelb sowie Schmuckbänder unter den Fenstern, außerdem die Kopie einer Federzeichnung der historischen Torhalle von Reinhold Schön. Auf den ersten Blick bereits ist der thematische Bezug zu erkennen.

Der 1975 verstorbene Reinhold Schön erhielt schon in den fünfziger Jahren vom damaligen Besitzer des Marmoritwerks, Karl Linck, Aufträge für Kratzputzarbeiten an Gebäudewänden und in gerahmten Bildern. Während seines Aufenthalts in Hochstädten wohnte er im Gasthaus „Zum Wiesengrund“. Dessen Wirtin Waltraud Jünger war es auch, die wichtige Hinweise auf den allzeit fröhlichen Erschaffer der Fassadengestaltung am Bürogebäude gab.

Freie Autorin Seit vielen Jahren "im Geschäft", zunächst als Redakteurin beim "Darmstädter Echo", dann als freie Mitarbeiterin beim Bergsträßer Anzeiger und Südhessen Morgen. Spezialgebiet: Gerichtsreportagen; ansonsten alles was in einer Lokalredaktion anfällt: Vereine, kulturelle Veranstaltungen, Porträts. Mich interessieren Menschen und wie sie "ticken", woher sie kommen, was sie erreiche haben - oder auch nicht-, wohin sie wollen, ihre Vorlieben, Erfolge, Misserfolge, Wünschte etc.

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