Bensheim. Es fühlte sich ein wenig an wie ein Clubkonzert Mitte der 70er Jahre. Doch die feine Akustik und das Rauchverbot im Musiktheater Rex bewahrten einen davor, komplett in vernebelte Live-Erinnerungen einer musikhistorisch bedeutsamen Vergangenheit zu versacken. Der Grundsound wäre dafür allerdings auf jeden Fall dienlich gewesen: Mit der Formation Jane war am Donnerstag ein Urgestein des Krautrock in Bensheim zu Gast. Und auch, wenn Gründer Peter Panka bereits 2007 verstorben ist und die Formation vor vier Jahren auf „Abschiedstournee“ war: Manche Dinge verblühen eben nie.
Dennoch sind von der guten alten Dame, die bereits 53 Jahre auf dem Buckel hat, schon ein paar Blätter abgefallen. 2019 segnete Bassist Charly Maucher das Zeitliche, und auch der leidige Namensstreit in den 90er Jahren ist an der Band nicht folgenlos vorüber gegangen. Zwischenzeitlich existierten bis zu vier Ableger der Ursuppe, die auch in juristischer Hinsicht einiges mitgemacht hat. Und auch das Personalkarussell führte zu einer fast permanenten inneren Dynamik, die aber der stilistischen Homogenität wenig anhaben konnte.
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Dass Walz auch die Dortmunder Rockband Epitaph mit aus der Taufe gehoben hat, machte den Abend im Rex zu einer Art Familientreffen mit Stromgitarren. Und auch zwischen Epitaph und Fargo gab es personelle Querverbindungen. Dies alles zu entwirren wäre an dieser Stelle zu komplex.
Mit Corvin Bahn (Keyboard), Niklas Turman (Gitarre) und Achim Poret an den Drums hat sich eine illustre, allerdings nicht unbedingt durchweg hochklassige Runde an Musikern zusammengefunden, die den alten Spirit so gut es geht am Leben halten. Die Fans im Musiktheater haben dieses nostalgische Gipfeltreffen jedenfalls sehr genossen. Entsprechend stattlich war der Altersdurchschnitt in der alten Güterbahnhofshalle. Nicht nur so manches Tourshirt war ein bisschen zerknittert. Doch es war ein würdiges Altern, was man auf und vor der Bühne zu erkennen vermochte.
Ein schöner Ausklang
Neben „All my Friends“ vom legendären ’77er Livealbum „Live at Home“ und dem Titeltrack der Veröffentlichung „Fire, Water, Earth & Air“ kamen mit Songs wie „Tomorrow“ aus dem Jahr 2006 auch jüngere Stücke zu Gehör. Zu den Perlen gehörten aber natürlich die Klassiker „Hangman“ und „So So Long“, was als Mitsing-Hymne überlebt hat und den von einer treu mitgereiften Fangemeinde kultisch verehrten Musikern auch in Bensheim einen schönen Ausklang bescherte.
Epitaph wurde 1969 gegründet und ist nach einer Pause seit 2000 wieder aktiv. Mit Cliff Jackson und Bernd Kolbe standen an diesem Abend die Gründungsmitglieder aus dem alten Dortmunder Fantasio-Keller auf der Bühne. Ein erdiger Kontrast zum bisweilen etwas ausgefransten Sound-Teppich der manchmal etwas überladenen Jane-Arrangements. Doch auch Epitaph serviert heute nicht mehr den angejazzten Progressive-Stil der frühen Jahre, sondern konzentriert sich auf den energiegeladenen und melodisch ausgefeilten Hardrock aus der mittleren und späten Bandbiografie.
Im Beat Club und Rockpalast
Spätestens nach den Fernsehauftritten im Beat Club und im Rockpalast war die Band damals in aller Munde. Gemeinsame Tourneen mit Joe Cocker, Rory Gallagher, Golden Earring oder ZZ-Top machten sie zu einer der gefragtesten und kultigsten deutschen Rockbands überhaupt.
Mit „Outside the Law“ und „Crossroads“ sowie der 2019er Chicago-Hommage „Windy City” konnte die Formation in Bensheim technisch reüssieren und den Draht zum Publikum ohne Posing und jegliche Anbiederungsgesten am Glühen halten. Schnörkelloser, straighter und zeitloser Rock erfüllte auch bei „Lost In America“ die Halle, die von Fargo bestens auf Betriebstemperatur gebracht worden war.
Auch diese Band umweht eine spezielle Aura. Vor allem in Person von Bassist Peter Knorn, der die Formation 1973 gründete und sich später auch in der britischen Szene einen wohlklingenden Ruf eroberte. Anfang der 80er waren die Musiker für die ausgefallenen Whitesnake als Vorgruppe von AC/DC eingesprungen. Die Band hatte Hannover neben den Scorpions maßgeblich als deutsche „Rock City“ auch international – zwischenzeitlich unter dem Namen Victory – bekannt gemacht.
Das Publikum wurde in diesem recht kurzen ersten Set mit den unvermeidlichen Klassikern „I’m a Loser” und „Little Miss Mystery” verwöhnt. Auch der Heavy-Ohrwurm „Leave It“ gelang famos. Als Appetitanreger zündete „Gimme That Bone“ sehr ordentlich. Während Peter Ladwig solide Vocals bot und gerne mal mit Effekten wie der Talkbox spielte, steuerte Knorn („Fargo-Peter“) satte Basslinien und schnoddrige Kommentare bei, lediglich Nikolas Fritz am Schlagzeug hätte dem insgesamt sehr lässigen Hard- und Bluesrock etwas mehr Feingefühl und weniger Metal-Power beisteuern können.
Das Rex war gut besucht. Doch ein derartiges Line-Up hätte vor 40 Jahren wohl annähernd das Zehnfache an Gästen angezogen, wie ein Gast bemerkte. Auffällig plastisch und transparent war der Sound des Abends, der durchweg glänzend ausgesteuert war. Unterm Strich ein sehr unterhaltsamer Dreierpack mit handgemachter Musik, Spielfreude und angenehm kurzen Umbaupausen. Rockhistorie live. Man musste nicht 70 sein, um das gut zu finden.
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