Haushaltsmisere

Grundsteuer – es kann noch schlimmer kommen

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Ich möchte – nicht zuletzt mit meinem fachlichen Blick als Steuerberater – auf einen Punkt aufmerksam machen, der in der medialen Berichterstattung noch keine Berücksichtigung gefunden hat. Bislang wurde nämlich nur über die geplante Erhöhung des Hebesatzes von 620 auf 1450 Prozent berichtet, aber nicht über die Basis, auf die dieser Hebesatz angewendet wird, nämlich den Grundsteuermessbetrag (nachstehend: „GMB“).

Durch die dem Gesetzgeber im Bund aufgegebene Grundsteuerreform mussten nämlich alle Immobilien in Deutschland neu bewertet und der GMB jeder in Deutschland belegenen Immobilie neu festgestellt werden, und zwar auf den Stichtag 1. Januar 2022. In unserer Steuerkanzlei haben wir über alle bearbeiteten Fälle feststellen müssen, dass viele der neuen GMB-Bescheide eher höhere Werte aufweisen als die bisher gültigen. Diese neuen Werte werden qua gesetzlicher Konzeption erstmals der Grundsteuerfestsetzung ab dem Jahr 2025 zugrunde gelegt. Bisher wurde immer nur dargestellt, wie die geplante Erhöhung bei gleichbleibendem GMB wirkt – das ist für den Einzelfall aber so nicht korrekt!

Ein einfaches Beispiel dazu: Bei einem bisher festgestellten GMB von 100 Euro und dem bestehenden Hebesatz von 620 Prozent beträgt die aktuelle Grundsteuer 620 Euro im Jahr – nach einer Erhöhung auf 1450 Prozent satte 1450 Euro, was eine Steigerung der Grundsteuerbelastung auf das rund 2,3-fache bedeutet. Wurde nun etwa durch die Grundsteuerreform ein neuer GMB mit 110 Euro festgestellt, so würde bei Anwendung des aktuellen Hebesatzes von 620 Prozent auch ohne Hebesatz-Anpassung bereits eine Grundsteuererhöhung von 62 Euro bzw. 10 Prozent eintreten.

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Anna Meister
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Bei Anwendung des geplanten Hebesatzes von 1450 Prozent beträgt die zusätzliche Erhöhung der Grundsteuer 145 Euro pro 10 Euro Erhöhung des GMB. Wenn sich also nun jeder potenziell Betroffene das Ausmaß der ihn betreffenden Erhöhung ausrechnen möchte, so muss er seine aktuelle Grundsteuerbelastung vergleichen mit dem neuen, ab 2025 gültigen GMB (Bescheide sollten inzwischen alle vorliegen) multipliziert mit dem geplanten Hebesatz von 1450 Prozent. Das wird Manchem Tränen in die Augen treiben.

Wenn nun im BA vom 29. Oktober berichtet wird, dass die Bodenrichtwerte, die für die Feststellung von GMB mit maßgeblich sind, an der Bergstraße in den letzten Jahren gefallen sind, so hat dies zunächst keinerlei Auswirkung auf die eben getroffene Betrachtung. Denn: Die GMB-Bescheide auf den 1.1.2022 sind ohne Wenn und Aber ab 2025 bindend – und die enthalten nun mal die historisch höheren Werte. Auch werden Einsprüche gegen die neuen Grundsteuerbescheide nicht helfen können, da der GMB-Bescheid ein sogenannter Grundlagenbescheides ist, den die Stadt Bensheim anzuwenden hat.

Einwendungen in Sachen Bodenrichtwerte müssen immer beim zuständigen Finanzamt gegen den GMB-Bescheid erhoben werden, der allerdings in den meisten Fällen schon bestandskräftig, heißt, nicht mehr anfechtbar sein dürfte. Geeignete Rechtsmittel zu finden, wird also schwierig sein und bedürfen jeweils einer individuellen Analyse. Der Gesetzgeber im Bund hatte im Rahmen der Grundsteuerreform vollmundig angekündigt, sie solle für die Bürger „aufkommensneutral“ beziehungsweise für die Kommunen „einkommensneutral“ sein. Bei tendenziell gestiegenem GMB wäre der Stadt zur Erfüllung dieser Vorgabe also aufgegeben, ihren Hebesatz ab 2025 abzusenken.

Dies wohl wissend hatte die Stadt ab 2022 die Hebesätze erst einmal von 480 auf 620 Prozent angehoben, uns sich somit eine komfortablere Einnahmen-Basis geschaffen. Dass die Gewerbesteuereinnahmen Bensheims nicht immer so munter sprudeln würden, wie das in der Vergangenheit der Fall war, hätte jedem halbwegs Interessierten und Kundigen schon länger klar sein können.

Regelmäßige Gespräche der Stadt mit den Top-10-Gewerbesteuerzahlern Bensheims vor der Aufstellung eines jeden Haushalts hätten sicherlich Erkenntnisgewinne bringen und zu realistischeren Steuerschätzungen führen können.

Dem Leserbriefschreiber Julian Puppe im BA vom 29. Oktober ist nur zuzustimmen, wenn er feststellt, dass nun die Bürger für das Versagen ihrer kommunalen Akteure in Haftung genommen werden sollen. Besonders perfide ist dabei, dass die Haftung für kommunales Missmanagement nun die Immobilieneigentümer – und damit auch die Mieter und Pächter, auf die die Grundsteuer umlegbar ist – trifft, denn wie der Name schon sagt: Eine Immobilie ist nun eben nicht mobil – man kann mit ihr und damit der Besteuerung nicht ausweichen. Da es alle trifft, die in Bensheim wohnen und Betriebe unterhalten, ist aus meiner Sicht breiter und nachhaltiger bürgerlicher Protest angesagt!

Ralf Vesper

Bensheim

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