Bensheim. Mit einer ausgesprochen vielseitigen Ausstellung eröffnet die Gruppe Kunst im Fürstenlager des Auerbacher Kur- und Verkehrsvereins ihr Jahresprogramm 2025. Im Damenbau zeigt sie unter dem Titel „Zeitreise“ Bilder und Skulpturen der in Darmstadt lebenden Künstlerin Kersten Ruschke. Die Skulpturen in Bronze, Ton und Speckstein zeigen meist weibliche Figuren in unterschiedlichem Grad der Abstraktion. Auf den ersten Blick sind es oft harmonische, archaisch oder mystisch erscheinende Körper wie „Die Geheimnisvolle“.
Andere Figuren wirken unbeschwert und gelöst, in unterschiedlichen Posen der Entspannung, wie die kleinen, unter dem Titel „Im Schwimmbad“ ausgestellten Tonplastiken in einer Vitrine. Doch da gibt es auch Verstörendes, zum Beispiel den Bronzeguss einer „Nike“ – einer Siegesgöttin, deren Körper mit tiefen Einschnitten übersät ist und damit die Absurdität der Idee eines strahlenden, ungetrübten Sieges vor Augen führt.
Violinistin spielte Bach zur Eröffnung
Bei den in der Ausstellung gezeigten Ölbildern kann man zwei Tendenzen unterscheiden. Einerseits die meditativen Bilder, bei denen aus mehreren zarten Schichten lasierend aufgebaute Farbflächen mit einer als Horizont angelegten Linie aufeinandertreffen. Hier entstehen stimmungsvolle Landschaften wie „Aufziehendes Dunkel“ oder „So viel Himmel über so viel Weite“, die mehr oder weniger strukturiert sein können, dem Atmosphärischen aber Vorrang vor dem Topografischen geben. Daneben hat Kersten Ruschke auch eine ganze Reihe völlig anders gearteter Landschaften gemalt: Pastos setzt sie hier die Ölfarbe auf die Leinwand, baut sie mit kraftvollen Pinselstrichen und vertraut auf die manchmal fast brutale Kraft der Grundfarben.
Zur Eröffnung spielte die Violinistin Hyeyoon Lee, Studentin an der Musikhochschule in Mainz, die Partita Nr. 2 d-Moll von Johann Sebastian Bach und das Violinkonzert Nr. 5 von Wolfgang Amadeus Mozart und schuf damit einen stimmungsvollen Rahmen für die Vernissage. Joachim Gottstein, Architekt und seit vielen Jahren mit der Künstlerin und ihrem Mann befreundet, hatte die einführenden Worte zur Vernissage der – nach mehreren Ausstellungsbeteiligungen – ersten Einzelausstellung der Künstlerin übernommen.
Kersten Ruschkes vielseitiges Schaffen von Joachim Gottstein vorgestellt
Er zeichnete den Lebensweg der 1957 in der Oberlausitz geborenen Künstlerin nach und beschrieb sie dabei als mutige Frau, die 1975 mit ihrem Mann die leidvolle Erfahrung geteilt hatte, Heimat und Familie hinter sich zu lassen und sich auf den riskanten Weg in den Westen zu machen. In Darmstadt holte sie ihr Abitur nach und studierte dann an der Universität Frankfurt Deutsch und Kunst für das Lehramt. Zu Zeiten der Lehrerschwemme gelang es ihr als eine der wenigen, eine Festanstellung an einer Schule zu bekommen.
Für die eigene Kunst war erst wieder Zeit, als die drei Kinder etwas größer waren und sie sich durch die Teilnahme an Sommerakademien vor allem in den plastischen Techniken weiterbildete, unter anderem in der für die künstlerische Steinbearbeitung bekannten Stadt Pietrasanta in der Toskana. Joachim Gottstein wies unter anderem auf die Bedeutung des Horizonts in den Bildern von Kersten Ruschke hin, aber auch auf die Vielseitigkeit ihres Schaffens.
Dem Schrecken über den Ukraine-Krieg Ausdruck verliehen
Viel Applaus erhielt im Rahmen der Vernissage das Team um Gabriele Mundt. Die Sprecherin und Organisatorin der Gruppe Kunst im Fürstenlager freute sich über die große Besucherschar und erinnerte daran, dass die im Kur- und Verkehrsverein angesiedelte Gruppe nun schon seit 25 Jahren Ausstellungen im Damenbau veranstaltet Als besonderes Highlight in der aktuellen Ausstellung bezeichnete sie das Ölbild „Lasst den Himmel wieder blau sein“, insbesondere in Verbindung mit der kleinen Bronzefigur „Wenn die Eisenvögel fliegen“.
Die Künstlerin habe mit diesen beiden Kunstwerken auf sehr subtile Weise dem Schrecken über die Vorgänge in der Ukraine Ausdruck verliehen. Der kleine Torso stelle mit seinem an der Seite aufgerissenen Leib ein Kind dar, während das im Wesentlichen aus zwei horizontal geteilten Flächen bestehende Gemälde - unten gelb und oben in einem dunkelgrau verdüsterten Blau – sich als Spiel mit der ukrainischen Flagge verstehen lasse, aber auch als Landschaftsbild mit den sprichwörtlichen gelben Kornfeldern des Landes.
„Zeitreise“ von Kersten Ruschke ist noch bis zum 23. Februar im Damenbau zu sehen, immer samstags von 14 bis 17 Uhr und sonntags von 11 bis 17 Uhr.
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