Bensheim. Es blieb kein Platz frei im ausverkauften Kolpinghaus in Bensheim, an den langen Tischen drängten sich Haremsdamen im wallend-glitzernden Kostüm neben Sportskanonen im hauteng-pinken Dress, das sanfte Bambi im kuschligen Pelz schunkelte selig mit dem putzig-gepunkteten Marienkäfer-Mädchen. Die Bensheimer Frauenfastnacht hatte zur reinen Frauensitzung eingeladen, schon vor dem Einzug des Elferrats war die Stimmung prächtig, die Zuschauerinnen voller Vorfreude auf das rund vierstündige Programm – ausverkauft!
Die Tanzgruppe kam sehr gut beim Publikum an
Und wieder einmal hatten die Aktiven der Frauenfastnacht nicht zu viel versprochen, sie hatten ein buntes Programm zusammengestellt: Tanzeinlagen aller Altersklassen, viel Musik, Büttenreden, die es in sich hatten und die Klassiker wie „Olga und Mariechen“, die vom Publikum frenetisch gefeiert und allesamt nicht ohne Zugabe von der Bühne gelassen wurden.
Passend zu den vielen Sportveranstaltungen im Jahr 2024 läutete das Kindershowballett die Sitzung im silbrigen-funkelnden Outfit zum Hit der Fußball-EM „Major Tom“ ein. Völlig losgelöst starteten die Fastnachterinnen zu diesem Song ihr vierfarb-buntes Feuerwerk. Die Kleinsten hatten eine intergalaktisch gute Choreografie auf die Beine gestellt und heimsten gleich die erste Rakete des Abends für ihre bezaubernde Darbietung ein. Als eine kleine Astronautin in der Nasa-Rakete aus Pappe über die Bühne schwebte, war dem Tanznachwuchs der Applaus des begeisterten Publikums sicher.
Das Dreigestirn – Johanna Förg, Martina Pongratz und Margit Cattarius – nahm anschließend launig das Geschehen in der geliebten Heimatstadt aufs Korn. Reporterin „Sonja sag mir was“ vom Radiosender HR 5einhalb zeigte sich total begeistert von Bensheim an der Bergstraße und seinen Bergen: „Der höchste ist der Schuldenberg.“ Auch die „abgesoffene Stadtbücherei“, die jetzt in die viel zu kleine Alte Gerberei gepackt werde, war Thema: „Habt ihr nur so wenig Bücher?“, fragte sich die rasende Reporterin. Die Diskussion um die Standortfrage wurde von ihr genüsslich filetiert: „Hat da im Rathaus jemand gepennt?“ Bensheim müsse jetzt sparen – Weinprobe, Feuerwerk und Weihnachtsbäume wurden gestrichen. Auch ins Basinusbad könne man nur noch einmal im Monat gehen, das Fitness-Programm sei damit sehr eingeschränkt: Jetzt gibt‘s Hula-Hoop mit dem Einmachgummi. Einen nicht ganz ernst gemeinten Rat hatte das Dreigestirn für frustrierte Bensheimer parat: „Wenn euch Bensem ist zu teuer, geht nach Hepprum, die zahlen weniger Steuern.“
Die Tänzerinnen der Jugendgarde im rot-weißen Dress wirbelten zu „Benjamin Blümchen“ über die Bühne des Kolpinghauses und versprühten Lebensfreude pur. „Ein Feuerwerk der Emotionen“, bescheinigten die Präsidentinnen Angela Schmidt und Astrid Dochtermann, die gekonnt und gut gelaunt durch das Programm führten, den jungen Tänzerinnen.
Dunja Kuttig hatte als Chef-Sekretärin so manchen Klatsch und Tratsch aus den Büros aufgeschnappt und berichtete über die ihr eigene Art, eine Gehaltserhöhung einzufordern: „Ich hab dem Chef gedroht, meine Memoiren zu veröffentlichen – und schon ging‘s.“ Die Pointen aus dem wahren Büroalltag und Einblicke in das harte Leben einer Sekretärin trafen den Geschmack des weiblichen Publikums, ob Knutschfleck vom EKG auf der Brust oder eine Begegnung mit dem Chef am FKK-Strand.
Natürlich kriegen die Männer bei der Frauenfastnacht gehörig ihr Fett weg
Schlag auf Schlag ging es weiter im Kolpinghaus, keine Atempause für das begeisterte Publikum in bester Feierlaune. Die Freundinnen Ulrike Meyer und Carina Pongratz hatten es geschafft, ihren Urlaub zu zweit anzutreten und die Ehemänner zu Hause zu lassen. Aber zu früh gefreut: Sehr weit kamen sie nicht, am Busbahnhof kam schon der Hilfefruf des verlassenen Gatten. Dabei war doch alles bestens vorbereitet: Essen vorgekocht, die Mikrowelle erklärt, um den Flaschenöffner eine Kordel gehäkelt, damit er nicht verdurstet.
Und natürlich kriegen die Männer bei der Frauenfastnacht gehörig ihr Fett weg: „Beim gemeinsamen Urlaub kommen wir immerhin bis zum Campingplatz – in Gronau“, erzählte Ulrike Meyer, ein „hoffnungsloser Fall“. Und wenn sie mit den schicken gelben Dessous im Schlafzimmer auf ihren Ehemann wartet, reagiert der entsetzt: „Oh Gott, ich hab vergessen, die gelben Säcke rauszustellen.“
Kurz vor der Pause setzte das Gardeballett mit seinen sieben Tänzerinnen einen Glanzpunkt mit einer wunderbar schmissigen Choreografie, die mit Leichtigkeit und Eleganz präsentiert wurde. Dass Mütter und Töchter eine besondere Beziehung – von explosiv bis liebevoll – zueinander haben, bewiesen Emilia Albrecht, Astrid Dochtermann, Mara Lenhart und Diana Mayer bei ihrem Auftritt als Quartett. „Ihr seht aus wie Teenager in der Midlife-Krise“, rief die Tochter ihrer jugendlich verkleideten Mama zu. Und machte auch gleich ihrem Unmut darüber Luft, dass die Mutter immer gleich alles auf Facebook postet – „wie im letzten Jahrhundert“. Und der feurige Schlagabtausch ging gleich in die nächste Runde: „Wir sind nicht cringe, wir sind fancy“, fand die selbstbewusste Erziehungsberechtigte, die sich über das „sofort“ ihrer Tochter mokierte, was beim Aufräumen eher nächste Woche bedeute: „Aufräumen ist was für Anfänger.“
Die Mitwirkenden auf und hinter der Bühne
- Präsidentinnen: Angela Schmidt, Astrid Dochtermann
- Elferrat: Elisabeth Hauf, Elisabeth Jahn, Gisela Laubenheimer, Christine Lückmann, Susanne Knöttner, Waltrud Krug, Melanie Kuch, Eva Müller von der Bank, Marion Schuhmann, Monika Weißmüller, Verena Strobusch
- Kindershowballett: Leni Albrecht, Ella Bernhardt, Annalena Dammeier, Hanna Grimm, Ida Klein, Ida Knebelspieß, Leni O´Malley, Leandra Mattern, Emma Ramsauer, Sophie Simmons, Edda Weber
- Choreographie: Sabine Grimm
- Jugendgarde: Mara Bernhardt, Lena Dochtermann, Paula Lenhart, Carla Müller, Clara Schnarchendorff, Hanna Steinbacher, Lea Wolff
- Choreographie: Sabine Schneider
- Gardeballett: Sarah-Louise Bartoschek, Lara Gallenstein, Pia Hoser, Nele Kindinger, Katharina Merk, Celine Neidhöfer, Miriam Neidhöfer
- Choreographie: Maike Haas
- Showballett: Sophie Bartoschek, Anna Hohenadel, Eva Klug, Katharina Merk, Clara Meyer, Carina Pongratz, Tine Rettig, Sophie Schuhmann, Kim Weber
- Choreographie: Maike Haas, Sophie Bartoschek
- Tanzmäuse: Petra Ahlers, Heike Kindinger, Monika Piecha-Wenzel, Veronika Schwarz, Sylvia Volk
- Muddi Dance: Zornitsa Ahmed, Julia Bernhardt, Astrid Dochtermann, Anne Knebelspieß, Andrea Müller, Tanja Ring, Sina Scharchendorff, Sabine Schneider, Caroline Storch, Claudia Wolff
- Gesangsgruppe Prosecco Lerchen: Sabine Borger, Cornelia Fischer, Susann Jetter, Angelika Schuhmann, Marita Schuhmann-Hillenbrand, Gaby Virnkaes
- Büttenredner/innen: Emilia Albrecht, Margit Cattarius, Astrid Dochtermann, Johanna Förg, Dunja Kuttig, Mara Lenhart, Diana Mayer, Ulrike Meyer, Simone Planicka, Anja Pohl, Carina Pongratz, Martina Pongratz, Mona Ramsauer, Angela Schmidt
- Maske: Martina Müller, Natalia Hille, Nicole Lenhart
- Mischpult: Dr. Martin Weicker und Philipp Sartorius
- Musik: Michael Hagenmeyer
- Karten- und Plakate: Druckerei J. Gmeiner GmbH
Auch nach der Pause folgte ein Höhepunkt auf den nächsten im närrischen Programm der Frauenfastnachterinnen. Den Auftakt machten die Prosecco-Lerchen, die in wohlgereimten Versen von ihrem Mädelsausflug berichteten, hier besteht die Grundeinigkeit „Girls wanna have fun“ sangen die sechs Damen in Pink frohgemut. Angelehnt an den Hit von Shirin David trällerte die Gesangssgruppe: „Wir haben nen Body, den finden wir klasse.“ Und statt „Wir sind pretty im Bikini, das ist Bauch, Beine, Po“ gibt‘s bei den Prosecco-Lerchen „Maniküre, Pediküre, dann sind wir froh“. Und als sie dann auch noch den neuen Traummann besingen, der sich schlussendlich als das ultimative Küchengerät Thermomix herausstellt, gibt‘s im Saal kein Halten mehr. Lautstark wird mitgesungen, geklatscht und herzlich über die frechen Texte gelacht. Die „Lerchen“ haben das Herz auf dem rechten Fleck, und aus diesem ist auch ihre Heimatstadt nicht wegzudenken. „Oh, Bensem ist schee“ singen sie zur Melodie des französischen Chansons „Oh, Champs-Élysées“ von Joe Dassin und statt Reisen durch die Welt steht ihnen der Sinn nach einem Spaziergang auf den Kirchberg.
Ein Besuch auf dem Winzerfest ist für manche Mama nicht ganz einfach
Stürmisch eroberten anschließend die Tanzmäuse als „Zwerge“ in feschen Latzhosen und bunten Shirts die Bühne im Kolpinghaus. Die Zipfelmützen wippten lustig beim Brutto-Sozialprodukt-Tanz nach dem Motto „Jetzt wird wieder in die Hände gespuckt“. Mit viel Schwung brachte die muntere Truppe bei der Zugabe den ganzen Saal zum Tanzen, so manche Zuschauerin hielt es bei „YMCA“ von den Village People nicht mehr auf den Sitzen.
Ein Besuch auf dem Winzerfest ist für manche Mutti nicht ganz einfach. Helikopter-Mutter Mona Ramsauer hatte mit ihrem überbehüteten Filius Karl Theodor so ihre Mühe und sah überall drohende Gefahren, während die entspannte Erziehungsberechtigte Simone Planicka höchstens mal ein Pflaster aus der Handtasche zückte. Die beiden plauderten unterhaltsam über ihr „Leben am Limit“, das die Erziehung der Sprösslinge für sie bedeute. Statt der schwierigen Trotzkopfzeit werde heute die „Autonomiephase“ gefeiert, Belohnung oder Strafen seien längst out, stattdessen müsse eine bedürfnisorientierte Erziehung gelingen.
Nach einem stimmigen Auftritt des Showballetts in Seemannskostümen zu Shanty-Melodien eroberten Olga und Mariechen, eine feste Größe im Programm der Frauenfastnacht, die Bühne: Anja Pohl und Angela Schmidt berichteten von Bella Italia und den vielen Köstlichkeiten dort wie Tiramtitu, Moskaubohne und Apothekerschinken. Olga im Zebrakostüm von Kopf bis Fuß hatte ihre liebe Mühe, die Sprachverwirrung ihrer Freundin zu lösen und Mariechen mit Klumpfuß berichtete gerne von ihrer Vorliebe für Corega-Tabs und der Zahnfee im Alter. Beifallsstürme und Raketen waren dem Duo sicher, das das Publikum an seiner Lebenserfahrung teilnehmen ließ.
Und schon näherte sich die Frauensitzung dem furiosen Finale, das mit dem „Muddi Dance“ einen spektakulären Schlusspunkt setzte. Fantasievolle Kostüme, eine tolle Choreografie und fetzige Musik sorgten für den letzten Stimmungshöhepunkt im Programm. Mit dem Tanz zu „Foot Loose“ herrschte Partystimmung und Disco-Feeling. So konnte noch bis weit nach Mitternacht weitergefeiert werden.
Zwei weitere Sitzungen der Bensheimer Frauenfastnacht stehen am Freitag (21.) und Samstag (22.) im Bensheimer Kolpinghaus an, Beginn ist jeweils um 19.31 Uhr. Beide Veranstaltungen sind bereits ausverkauft.
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