Ludwigshafen. Diesem Anfang wohnte ein besonderer Zauber inne. Mit „Initium“, einem dreiteiligen Ballettabend der Berlin Ballet Company, hat Tilman Gersch, Intendant des Theaters in Pfalzbau, vor vollem Haus seinen „Theaterfrühling“ eröffnet. Auch für das noch junge freie Ensemble ist der Name „Initium“, aus dem Lateinischen übersetzt „Anfang“ oder auch „Ausgangspunkt“, Programm: Denn als 2023 die Intendanz des Berliner Staatsballetts wechselte und zahlreiche Verträge nicht verlängert wurden, beschlossen drei langjährige Ensemblemitglieder, ihren eigenen Laden aufzumachen.
Die Choreografie-erfahrenen Künstlerischen Leiter Alexander Abdukarimov und Arshak Ghalumyan sowie Oleksandr Shpak, der die Geschäfte führt, nahmen etablierte Kollegen wie die Staatsballett-Solisten Krasina Pavlova und Olaf Kollmannsperger mit. Und ergänzten ihre mittlerweile 13 Tänzerinnen und Tänzer umfassende Compagnie durch Newcomer und Rückkehrer wie den an der Staatlichen Ballettschule Berlin ausgebildeten, extrem biegsamen Michael Belilov. Ihr gemeinsames Ziel: ein breiteres und diverses Publikum für die Schönheit des klassischen Balletts zu begeistern und die Traditionskunst durch ein zeitgemäßes Vokabular sowie innovative Formate raus aus ihrem Elfenbeinturm und in die Zukunft zu führen.
Meist treten sie daher außerhalb konventioneller Theaterhäuser auf, erklärt Arshak Ghalumyan im Nachgespräch: „Wir können nicht warten, bis unser Publikum zu uns kommt. Wir müssen unsere Kunst dahin bringen, wo die Leute sind. ,Initium‘ ist derzeit unser einziges Format für eine klassische Theaterbühne.“
Auch die Choreografie „The Curlicues of the Path“, mit der der Abend eröffnet, wurde nicht im Theater uraufgeführt, sondern in einer Synagoge – denn es entstand als Auftragsarbeit für die 36. Jüdischen Kulturtage im Sommer 2023. Darin lassen Alexander Abdukarimov und Arshak Ghalumyan ihr Ensemble in fließenden nude-farbenen Gewändern und in wechselnden Formationen agieren. In dem rund 20-minütigen Auszug erzählen sie als Gruppe, zu dritt, zu zweit und solo lebensfroh und höchst ästhetisch aus der Geschichte des jüdischen Volks und von Umwegen durch Glück und Unglück.
„Mare Crisium“: Publikum kann sich der femininen Kraft nicht entziehen
Im zweiten Stück „Mare Crisium“ mischt Arshak Ghalumyan ebenfalls klassisches tänzerisches Vokabular mit zeitgenössischen Elementen. Oft mit dem Rücken zum Publikum, straffen fünf Tänzerinnen selbstbewusst die Schultern, wiegen imaginäre Babys und bewegen sich, inspiriert vom Rhythmus von Trommeln, in Reihen, aus denen sie immer wieder zu Soli ausscheren. Dem Sog der sich steigernden Musik und der Stärke der Frauen kann sich auch das Publikum nicht entziehen und applaudiert zur Pause begeistert.
Nicht weniger originell ist der dritte Teil, „Die Nacht“, inspiriert von der gleichnamigen Skulptur des Künstlers Georg Kolbe – ein weiblicher Akt, die die Arme schützend vors Gesicht hält. Immer wieder lässt Arshak Ghalumyan die fließenden Armbewegungen der neun Tänzer abrupt im rechten Winkel enden. Von der Decke hängende Spiegel erzeugen geheimnisvolle Lichteffekte. Bisweilen leuchten die Tänzer sich selbst und gegenseitig nur mit Taschenlampen aus, dann setzen grelle Spots beeindruckende Hebefiguren in Szene. Das ist hinreißend und macht Lust auf mehr.
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