Bensheim. Die ersten Glückwünsche kamen von der unterlegenen Mitbewerberin: Nachdem das Wahlergebnis verkündet war und feststand, dass Frank Daum Erster Stadtrat von Bensheim werden wird, ging die Amtsinhaberin schnellen Schrittes auf ihren künftigen Nachfolger zu, um ihm die Hand zu schütteln. Die Stadtverordneten haben entschieden: Der KMB-Geschäftsführer soll ab Oktober den hauptamtlichen Stadtratsposten übernehmen und damit Stellvertreter von Bürgermeisterin Christine Klein werden.
Bei der geheimen Wahl im Rahmen der Stadtverordnetenversammlung am Donnerstagabend im Bürgerhaus entfielen auf Frank Daum 23 der 42 abgegebenen gültigen Stimmen – und damit zwei Stimmen mehr als für eine Mehrheit notwendig gewesen wären. Nicole Rauber-Jung erhielt 17 Stimmen. Zwei Stadtverordnete votierten mit Nein (ein Nein, dass sich gegen beide Kandidaten richtet), außerdem gab es eine Enthaltung, die als ungültige Stimme gewertet wird.
Dass Frank Daum die besseren Chancen haben würde, zeichnete sich bereits im Vorfeld der Wahl ab: Die CDU als größte Koalitionsfraktion hatte Daum als ihren Wunschkandidaten vorgeschlagen, die Koalitionspartner SPD und FDP kündigten an, ebenfalls für den 60-Jährigen stimmen zu wollen. Ganz geschlossen waren die Reihen aber offenbar nicht: Die Koalition war mit 25 Stadtverordneten in der Sitzung vertreten.
Keine Rückendeckung aus der CDU für Nicole Rauber-Jung
Richtig knapp wurde es für Daum trotzdem nicht – da hat man in Bensheim bei Wahlen der hauptamtlichen Stadträte schon ganz anderes erlebt. Das Besondere an diesem Abend war vielmehr, dass die Stadtverordneten die Wahl zwischen zwei Kandidaten hatten: Das dürfte in der Geschichte der Stadt Bensheim tatsächlich ein Novum gewesen sein. Trotz gleichen Parteibuchs gab es aus der CDU-Fraktion für Nicole Rauber-Jung keine Rückendeckung mehr. Unterstützung erhielt die Amtsinhaberin dagegen aus der Opposition: Aus den Reihen der Grünen-Fraktion war es Michael Krapp, der in der Sitzung Nicole Rauber-Jung als weitere Kandidatin vorschlug, so dass zwei Namen auf dem Stimmzettel standen.
Der Ausschuss zur Vorbereitung der Wahl habe sich mehrheitlich für Frank Daum als Ersten Stadtrat ausgesprochen, berichtete der Vorsitzende Werner Bauer über die Beratungen des Gremiums, in dem alle Fraktionen gemäß der Mehrheitsverhältnisse im Stadtparlament vertreten waren. Eine Minderheit halte Rauber-Jung für die geeignete Kandidatin. Insgesamt habe man auf die Ausschreibung zwölf Bewerbungen erhalten, von denen aber lediglich drei die Voraussetzungen erfüllt hätten. Der dritte Bewerber neben Daum und Rauber-Jung habe dann aber seine Bewerbung zurückgezogen.
Der Ausschuss sei mehrheitlich zu dem Schluss gekommen, dass „Frank Daum die Voraussetzungen am besten erfüllt“, so Bauer. Als langjähriger ehemaliger Mitarbeiter der Stadt Bensheim und aktueller Geschäftsführer des KMB kenne er die Verwaltungsabläufe. Überzeugend seien für den Ausschuss insbesondere seine Erfahrung auf den Gebieten Controlling und Projektteuerung gewesen sowie seine Kenntnisse in der Bauleitplanung.
Für die CDU betonte Fraktionsvorsitzender Bernhard Stenger im Vorfeld des Urnengangs, dass man sich die Entscheidung nicht leicht gemacht habe. Im März habe man beschlossen, dass es kein „Weiter so“ geben soll. Man habe nicht abwarten wollen, wer sich bewirbt, sondern habe aktiv gesucht – nach einem „Generalisten, der führen kann und die Richtung vorgibt“. Frank Daum sei eine Führungsperson mit einem riesigen Erfahrungsschatz, der den KMB in den vergangenen Jahren weit vorangebracht habe. Er sei ein Kandidat für ganz Bensheim, nicht nur der CDU.
Auch Jürgen Kaltwasser, Vorsitzender der SPD-Fraktion, betonte die fachlichen Qualifikationen des KMB-Geschäftsführers. „Uns fällt die Wahl leicht: Die SPD wählt geschlossen Frank Daum.“ Er werde die in ihn gesetzten Erwartungen „vollumfänglich erfüllen“, die Stadt voranbringen und offene Baustellen abarbeiten – und zwar mit organisatorischem Geschick und Weitblick. „Daum wird notwendige Akzente setzen“, ist sich Kaltwasser sicher.
Thomas Eschborn sprach für die FDP von einer „wohlüberlegten Wahlentscheidung“. Man habe beide Kandidaten „auf Herz und Nieren geprüft“. Beide erfüllten die notwendigen Voraussetzungen. Die entscheidende Frage sei für die Liberalen gewesen: Wer kann die bestehende Krise am besten meistern? Die FPD werde für Daum votieren, der „Macher-Kompetenzen“ bewiesen habe. Es sei eine Wahl für den Kandidaten und nicht gegen die Kandidatin, betonte Eschborn.
„Ein Fehler soll mit einem weiteren Fehler korrigiert werden“
Andere Töne kamen dagegen aus der Opposition, insbesondere von den Grünen: Bensheim habe eine Erste Stadträtin, die gerne weitermachen möchte – „es wird keine neue Person gesucht und es muss niemand neu eingearbeitet werden“, so Fraktionsvorsitzende Doris Sterzelmaier. Die CDU wünsche offensichtlich, dass Daum den Bereich Finanzen übernehmen und als Kämmerer fungieren soll. Hier werde eine Lücke geschlossen, die die Koalition durch die Abschaffung der weiteren hauptamtlichen Stadtratsstelle 2022 geschaffen habe. „Der Fehler wurde jetzt erkannt und soll aus unserer Sicht mit einem weiteren Fehler korrigiert werden.“ Mit Daum als Stadtrat für Finanzen sei dann kein ausgewiesener Experte mehr als hauptamtlicher Stadtrat für das Bauamt zuständig – den brauche es an dieser Stelle aber zwingend für eine nachhaltige Stadtentwicklung. „Wir Grüne sind der Meinung, dass die Amtsinhaberin Frau Rauber-Jung ihre Arbeit fortsetzen und eine zweite Amtszeit erhalten soll“, erklärte Sterzelmaier abschließend.
„Verantwortung für Bensheim in schwierigen Zeiten übernehmen“
Nach der Abstimmung ging alles ganz schnell: Nur wenige Minuten nach Verkündigung des Wahlergebnisses hielt der künftige Erste Stadtrat Frank Daum seine Ernennungsurkunde in den Händen, überreicht von Bürgermeisterin Christine Klein. Die sechsjährige Amtszeit beginnt am 15. Oktober.
In seiner kurzen Rede bedankte sich Daum für das entgegengebrachte Vertrauen. „Es erfüllt mich mit Stolz, diese Urkunde entgegenzunehmen.“ Ein politisches Wahlamt zu übernehmen, sei in seiner persönlichen Lebensplanung nie vorgekommen, gab Daum zu – die Entscheidung für die Bewerbung sei ihm nicht leicht gefallen. „Ich war innerlich zerrissen und zwiegespalten“, vor allem wegen seiner großen Verbundenheit zum KMB, dem er seit 15 Jahren als Geschäftsführer vorsteht.
Nach vielen Gesprächen und „auf ausdrücklichen Wunsch der CDU“ habe er sich beworben – mit dem Ziel „Verantwortung für meine Geburts- und Heimatstadt Bensheim in schwierigen Zeiten zu übernehmen“. In Zeiten der Multikrise – von Krieg über Inflation, Klimawandel bis hin zu Gewerbesteuereinbruch und Finanzknappheit in den Kommunen –, die ein noch nie dagewesenes Maß an Unsicherheit verursacht habe, müsse man noch enger zusammenrücken.
„Nur gemeinsam können wir Krisen meistern“, appellierte der 60-Jährige an Stadtverordnetenversammlung, Magistrat und Stadtgesellschaft und kündigte an, parteiübergreifend mit allen Fraktionen des Hauses zusammenarbeiten zu wollen.
Die berufliche Laufbahn von Frank Daum ist eng mit der Stadt Bensheim verknüpft. Der Diplom-Verwaltungswirt war vor seinem Wechsel zum Zweckverband im Jahr 2010 unter anderem stellvertretender Leiter in der damaligen Finanzabteilung und Leiter des Teams Steuerungsunterstützung und Personalmanagement im Rathaus. Zudem war er zwischenzeitlich als Mitarbeiter in der kommunalen Finanzaufsicht beim Regierungspräsidium in Darmstadt tätig. Beim Hessentag 2014 fungierte er als einer von drei Hessentagsbeauftragten. Daum lehrte darüber hinaus über mehrere Jahre Öffentliche Finanzen an der Verwaltungsfachhochschule Wiesbaden.
Seit 2000 hat er einen Lehrauftrag für Kommunalrecht an der Dualen Hochschule Mannheim. Im Rahmen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit arbeitete er für die GTZ (heute GIZ) beim Aufbau eines Staatsrechnungshofs in Vietnam. Seit 2006 ist Daum ehrenamtlicher Richter am Verwaltungsgericht Darmstadt.
In seiner Zeit beim KMB hat sich die Zahl der Mitarbeitenden von 26 auf 130 erhöht. Neben der Stadt Bensheim sowie den Gemeinden Einhausen und Lautertal gehören seit 2020 auch die Gemeinden Biblis und Groß-Rohrheim dem kommunalen Verband an, der kommunale Leistungen wie Abwasserentsorgung, Bauhöfe, Straßenunterhaltung und Bestattungswesen verantwortet. cim
Franz Apfel betonte für die Bürger für Bensheim, dass es keinen Fraktionszwang gebe und jeder individuell abstimmen könne. Es habe innerhalb der dreiköpfigen Fraktion unterschiedliche Einschätzungen zu den beiden Kandidaten gegeben. Er kritisierte, dass die kleineren Fraktionen sich im Koalitionsvertrag dazu verpflichtet haben, den CDU-Bewerber mitzuwählen. „Solche Knebelverträge darf man aus unserer Sicht nicht mehr eingehen.“ Der dritte ernsthafte und lauf BfB sehr interessante Bewerber habe zurückgezogen, als die CDU ihre Unterstützung für Frank Daum öffentlich gemacht habe. Auch Thomas Götz von den Grünen kritisierte, dass die CDU mit ihrem Vorschlag an die Öffentlichkeit gegangen ist, bevor das Verfahren abgeschlossen gewesen sei. „Das ist eine Missachtung des Wahlvorbereitungsausschusses und des Parlaments.“ Man habe einen Bewerber dadurch in die Flucht geschlagen – „das ist schlecht für die Demokratie“.
Bei den Freien Wählern habe es nach internen Diskussionen keine Vorfestlegung auf einen Kandidaten gegeben, erklärte Rolf Tiemann. Es gebe zwei qualifizierte Bewerber, mehrheitlich habe man sich für Daum ausgesprochen, die Entscheidung den drei Stadtverordneten aber freigestellt.
Laut Rolf Kahnt hat sich auch die Fraktion Vernunft und Augenmaß im Vorfeld intensiv Gedanken gemacht. Bei Frank Daum fehlt aus Sicht von VuA die Baufachkompetenz, die für zwingend notwendig erachtet wird für Stadtentwicklung und städtebauliche Planung. Die Amtsinhaberin habe dagegen langjährige Erfahrung und Expertise auf diesem Gebiet. „Die Koalition setzt auf eine Wundertüte“, meinte Kahnt.
Die CDU sah das naturgemäß anders und wies die Kritik zurück. Der Erste Stadtrat sei ja kein Sachbearbeiter im Bauamt, sagte Bernhard Stenger. Gerade im Bereich Infrastruktur sei Frank Daum „bestens qualifiziert“.
Zur geheimen Abstimmung wurden die Stadtverordneten einzeln in die Wahlkabine gebeten. Nach der Auszählung aller Stimmen verkündete Stadtverordnetenvorsteherin Christine Deppert das Ergebnis vor großem Publikum, darunter auch viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem Rathaus und vom KMB.
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