Kommunalpolitik

Unklare Zukunft für die Flurbereinigung am Hemsberg in Bensheim

Nach jahrelangen Verzögerungen und steigenden Kosten hat das Bensheimer Stadtparlament den Ausstieg aus der Flurbereinigung am Hemsberg gestoppt und eine neue Beratungsrunde beschlossen.

Von 
Alicia Diry
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Die Weinberge am Hemsberg sollten durch eine Flurbereinigung neu geordnet und besser erschlossen werden. Doch nach 13 Jahren gibt es noch immer keine Entscheidung. © Thomas Neu

Bensheim. 13 Jahre nach dem Beschluss zur Flurbereinigung am Hemsberg hat die jüngste Stadtverordnetenversammlung nicht die Notbremse gezogen, sondern den Ausstieg vorerst verhindert. Statt der Verwaltungsvorlage, die ein Ende des Verfahrens vorsah, setzte sich ein Änderungsantrag der Koalition aus CDU, SPD und FDP durch. Damit bleibt das Verfahren „Bergsträßer Reben- und Blütenhang“ am Leben, auch wenn die Zweifel größer sind denn je.

Verwaltung sieht kaum Fortschritte und fordert Ausstieg

Die Verwaltung hatte eine klare Empfehlung: den Ausstieg. In ihrer Vorlage erinnerte sie daran, dass das Verfahren bereits 2012 beschlossen und zusammen mit Zwingenberg begonnen worden war. Während dort die Maßnahmen längst abgeschlossen sind, sei in Bensheim 13 Jahre später lediglich der Wege- und Gewässerplan beschlussreif. Verantwortlich für die Verzögerung sei allein die Flurbereinigungsbehörde in Heppenheim, die seit Jahren unter Personalmangel leide.

Schon 2017 musste die Stadt ihren Kostenanteil an der Teilnehmergemeinschaft – also der Eigentümer im Verfahren – von 350.000 auf 525.000 Euro erhöhen. Heute liege er nach vorsichtigen Schätzungen bei rund 1,5 Millionen Euro. Hinzu komme, dass die Eigentümer selbst, mit Ausnahme eines Winzers, kaum Interesse an einer Fortführung gezeigt hätten. Eine zusätzliche Wasserbewirtschaftung, wie sie die Behörde anregte, sei mit Hinweis auf die eigenen Kosten abgelehnt worden.

Die Verwaltung verwies auch auf die Finanzlage der Stadt. Bei einer angespannten Haushaltslage und drohender Anhebung der Grundsteuer müssten freiwillige Aufgaben besonders kritisch geprüft werden. Genau eine solche freiwillige Aufgabe sei die Übernahme des Kostenanteils für die Teilnehmergemeinschaft. Pflichtaufgabe bleibe dagegen die Verkehrssicherung, etwa die Sanierung maroder Stützmauern. Diese solle der Zweckverband Kommunalwirtschaft übernehmen und nach Priorität abarbeiten. Aus Sicht der Verwaltung war die Konsequenz klar: Beschluss aufheben, Kosten nicht übernehmen, Verfahren einstellen.

Koalition will Projekt nicht vorschnell beenden

Doch so eindeutig wollten es die Fraktionen nicht stehen lassen. Maximilian Gärtner (CDU) hielt dagegen, das Thema sei zu komplex für ein schnelles Aus. „Wir müssen mit dem Amt für Bodenmanagement an einen Tisch und über die Zukunft des Weinbaus nachdenken.“ Angesichts der Zuschüsse von 75 Prozent und Beispielen wie in Zwingenberg, wo Wasserbewirtschaftung erfolgreich umgesetzt worden sei, dürfe man nicht nur auf den Kostenanteil schauen.

Jürgen Kaltwasser (SPD) zeigte Unverständnis über den Stillstand: „Seit 13 Jahren ist nichts passiert. Dafür habe ich kein Verständnis.“ Trotzdem stellte sich auch die SPD hinter den Änderungsantrag. Lisa-Marie Blumenschein (FDP) forderte, das Verfahren im Haupt- und Finanzausschuss erneut zu beraten, weil dort noch offene Fragen bestünden. Unterstützung kam auch von Rolf Kahnt (VuA) und Rolf Tiemann (FWG).

Bernhard Stenger (CDU) erinnerte an die Flurbereinigung am Kirchberg in den 1980er Jahren, deren Wirkung noch heute sichtbar sei. „Es geht um mehr als Trockenmauern und Wege. Es geht darum, ob wir die Vision einer zukunftsfähigen Kulturlandschaft umsetzen wollen.“ Alois Hillenbrand (FWG) sprach als Winzersohn von den realen Problemen vor Ort: „Die Mauern am Hemsberg sind in einem desolaten Zustand. Kleine Winzer müssen sich zusammentun, um zu überleben. Ein Weinberg hat nur 25 bis 30 Jahre Nutzungsdauer – Flurbereinigung ist auch eine Frage der Parzellenstruktur.“

Opposition warnt vor Kosten und fehlendem Interesse der Winzer

Franz Apfel (BfB) trug den Änderungsantrag zwar mit, formulierte aber scharfe Bedenken: „Visionen sind wichtig, aber sie müssen bezahlbar sein.“ 2017 habe man den städtischen Anteil schon deutlich erhöht, heute bewege man sich bei über 1,5 Millionen Euro. „Das ist eine vorsichtige Schätzung und schon die macht mir flau im Magen.“ Noch schwerer wiege für ihn, dass nur ein einziger Winzer überhaupt Interesse an einer Fortführung bekundet habe. „Es handelt sich um eine freiwillige Aufgabe – in der aktuellen Finanzlage ist das nicht leistbar.“

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Die Grünen lehnten den Änderungsantrag ab. Doris Sterzelmaier warf der Koalition widersprüchliche Prioritäten vor: „Wir erhöhen Kita-Gebühren und kürzen Vereinsförderungen, aber für eine Flurbereinigung sollen plötzlich 1,5 Millionen Euro da sein. Das passt nicht zusammen.“ Sie verwies auf den Landschaftspflegeverband, der in Bensheim etwa am Wambolter Sand Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen vollständig über Fördermittel abgedeckt habe. „Warum nutzen wir diese Möglichkeiten nicht am Hemsberg? Warum soll die Stadt die Kostenanteile der Eigentümer übernehmen, wenn nur ein einziger Winzer Interesse zeigt?“

Am Ende stand ein Kompromiss: Das Verfahren wird nicht eingestellt, sondern erneut in den Ausschüssen beraten. Mit 29 Ja-Stimmen bei 9 Gegenstimmen und ohne Enthaltungen wurde der Änderungsantrag der Koalition angenommen.

Das Amt für Bodenmanagement soll nun den Stand der Dinge erläutern, auch ökologische Aspekte und Perspektiven für die Kulturlandschaft sollen noch einmal zur Sprache kommen. Ob es damit zu einem echten Neustart kommt oder nur zu einer weiteren Verzögerung, ist unklar. Klar ist nur: Nach 13 Jahren Stillstand hat das Thema Flurbereinigung am Hemsberg in Bensheim noch immer keine Lösung gefunden.

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