Mehrgenerationenhaus

Eine Vorlesebank neben dem Bensheimer Bücherschrank

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eba
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Das feuerrote Bücherregal am Mehrgenerationenhaus gibt es seit zehn Jahren. Das Jubiläum wurde mit der Einweihung einer Lesebank samt Lesung von Berthold Mäurer gefeiert. © Neu

Bensheim. Schon im April beging der öffentliche Bücherschrank im Garten des Mehrgenerationenhauses der Caritas in der Klostergasse sein zehnjähriges Jubiläum, allerdings coronabedingt ohne öffentliche Feier. Die wurde jetzt, im immer noch coronagerecht kleinen Kreis nachgeholt. Gleichzeitig wurde das Angebot erweitert: Direkt neben den Büchern steht nun rund ums Jahr eine geräumige Holzbank, auf der es sich jedermann zum Lesen – und zum Vorlesen! – gemütlich machen kann.

Weil schon ohne Bank immer wieder zu beobachten war, dass Menschen sich in kleinen Runden spontan über die eingestellten Bücher austauschen, soll es ab sofort ein regemäßiges Angebot geben, erklärt Cornelia Tigges-Schwering, Koordinatorin des Mehrgenerationenhauses. Jeden ersten Donnerstag im Monat um 10 Uhr kann man sich ab Dezember am „feuerroten Bücherregal“ treffen, zum „Lesen, Plaudern und Austauschen“.

Dafür, dass das Bücherangebot ordentlich dargeboten wird und keine unangemessenen Bücher enthält, sorgen seit Jahren Dorothee Sachinian und Rita Mitterle als ehrenamtliche Mitarbeiterinnen. Die neue „Lese- und Vorlesebank“ ist ein Abschiedsgeschenk von Michael Geil, bis April Geschäftsführer von Dentsply Sirona in Bensheim und nun im Ruhestand. Seit dem Jahr 2010 war er auch Pate und Vorsitzender des Förderkreises Mehrgenerationenhaus. „Das Mehrgenerationenhaus ist ein toller Ort, wo Diversität und Integration wirklich gelebt werden – mittendrin“, sagte Geil. Auf der wetterfesten Bank nahm zur Feier des Tages und als erster offizieller Vorleser Berthold Mäurer Platz. Die Zuhörerschaft bestand aus Vertretern aller Generationen: einer Gruppe des Kindergartens St. Albertus, einer Gruppe aus der Tagespflege des Caritas-Altenheims und allerlei Gästen im Alter dazwischen.

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Gerlinde Scharf
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Mitgebracht hatte Mäurer eine Zusammenstellung aus den Gedichten von Joachim Ringelnatz, bekannt für seine mitunter groteske Unsinnspoesie, in der nicht nur Tiere, sondern auch Gegenstände sprechen und Gefühle haben können und insofern der kindlichen Vorstellungswelt entgegenkommen. Schließlich hat Ringelnatz auch Bücher speziell für Kinder verfasst.

Bei den von Mäurer ausgewählten Gedichten handelte es sich aber nicht um Kinderliteratur, und das Zuhören war für die Kinder über weite Strecken eine Herausforderung. Das wusste auch Mäurer und hatte gar nicht den Anspruch, dass jedes Kind immer alles verstehen müsse. Immer wieder aber richtete er an den geeigneten Stellen das Wort direkt an die Kinder, reicherte eine kurze biografische Vorstellung des Dichters mit einer Parodie auf die sächsische Sprache an und hielt die jungen Zuhörer mit seinem lebhaften Vortrag immer bei der Stange.

So amüsierten sie sich über den falsch konstruierten „Bumerang“ ebenso wie über die Begegnung von „Ohrwurm und Taube“ in einer Straßenbahn, die sich zwar hassen, aber heuchlerisch schmeicheln und sich am Ende beide beim Teufel wieder finden, wohin sie sich gegenseitig gewünscht hatten.

Trotz der humorvollen Komponente und der einfachen Sprache müssen auch Ältere bei Ringelnatz‘ Lyrik immer ganz genau hinhören. Zum Beispiel bei dem ausdrücklich an das erwachsene Publikum gerichtete Gedicht „Kunst“ über die, die mitten im Haufen schreiten und andere, die vor dem Haufen gehen – oder aber sie „hinken abseits vom Haufen/Sie haben lächelnd Berge erstiegen/Und sahen in weiter Ferne schon liegen/Das Meer, in dem die andern ersaufen“.

Künftig könnte es an gleicher Stelle weitere lockere öffentlichen Lesungen geben, am liebsten immer mal wieder mit Berthold Mäurer, stellte Cornelia Tigges-Schwering in Aussicht, bevor sie die großen und die kleinen Gäste für ihr geduldiges Zuhören mit einem großen Smarties-Cookie verabschiedete. eba

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