Kunstarchiv Bergstraße

Ein Neuzugang für das Kunstarchiv in Bensheim

Es ist ein besonderer Neuzugang für das Kunstarchiv Bergstraße: Am Freitag wurde im Museum ein Gemälde des Kunstmalers Josef Franze aus Familienbesitz der Öffentlichkeit vermacht. Das Bild zeigt ein Haus, das es nicht mehr gibt.

Von 
Eva Bambach
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Dem Kunstarchiv Bergstraße wurde am Freitag im Museum ein Gemälde aus Familienbesitz überreicht. Unser Bild zeigt die Repräsentanten der Spender, Annette Strehle-Schibikowski (li.) und Albert Hoekstra sowie die Leiterin des Bensheimer Stadtarchivs, Claudia Sosniak, und Bürgermeisterin Christine Klein (re.). Bild: Thomas Zelinger © Thomas Zelinger

Bensheim. Es sind viele Geschichten, die das Gemälde erzählt, das jetzt als Schenkung an das Kunstarchiv Bergstraße ging. Sie handeln unter anderem von zwei Häusern, die vor Jahrzehnten abgerissen wurden, von einer Landschaft, die es so nicht mehr gibt, und von einem Kunstmaler, den es aus dem Sudetenland an die Bergstraße verschlagen hatte.

Wenn Albert Hoekstra aus den Niederlanden und seine Schwägerin Annette Strehle-Schibikowski aus dem südlichen Schwarzwald jetzt ein Ölbild aus dem Familienbesitz der Öffentlichkeit vermachen, dann erzählt das auch von der Verlagerung von Lebensmittelpunkten.

Weil das Haus der längst verstorbenen Großeltern in Auerbach noch immer ein Treffpunkt der Familie ist, gingen die Verbindung zu Bensheim und das Interesse an der Geschichte des Ortes nie verloren. So interessierte sich Albert Hoekstra auch für die historischen und regionalen Hintergründe eines Gemäldes im Familienbesitz, das der Kunstmaler Josef Franze in den 1950er-Jahren angefertigt hatte.

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Selbst als Archivar tätig, kontaktierte er seine Kollegin vom Bensheimer Stadtarchiv. Claudia Sosniak konnte einige Fakten zusammentragen: Das Bild zeigt den Blick vom Balkon einer damals auch „Märchenhaus“ genannten Metzendorfvilla (zunächst Darmstädter Straße 85, später 253) auf eine weitere Metzendorfvilla, die auf den heutigen Grundstücken Im Tiefen Weg 26-28 stand. Im Hintergrund sieht man den Melibokus – ohne Turm, denn der alte Turm war 1945 gesprengt worden und der neue wurde erst 1966 gebaut.

Das abgebildete Haus steht in einer von großen Gärten geprägten Landschaft, in der sich heute ein dicht bebautes Wohngebiet der 1960er Jahre befindet. Für dessen Errichtung und weil sie nicht dem Zeitgeschmack entsprachen, dürften beide Metzendorfhäuser abgerissen worden sein.

Die auf dem Gemälde abgebildete Villa war 1903 für den Rentner Georg Carl Emil Heuser (1850-1932) gebaut worden, der 1905 von Wiesbaden nach Auerbach kam. Das Haus blieb bis 1934 in Familienbesitz und wurde 1962 abgerissen. Doch waren nicht die Erbauer dieses Gebäudes die Auftraggeber für das Bild, sondern ein Mieter des in Sichtweite gelegenen „Märchenhauses“. Volkmar Weißert, ein Vorfahr der jetzigen Stifter, lebte dort mit seiner Familie von 1950 bis 1957.

Vermieterin war – treuhänderisch vertreten durch die Bensheimer Anwaltskanzlei Hattemer – Paula Nathan-Ricard (1875-1952). Diese hatte das Haus gemeinsam mit ihrem Mann Gustav Nathan (1864-1926) im Jahr 1907 von den Brüdern Heinrich und Georg Metzendorf erworben und beide siedelten im gleichen Jahr von Frankfurt nach Auerbach über.

Während des Nationalsozialismus wurde das Haus als jüdischer Besitz annektiert, der inzwischen in den Niederlanden lebenden Paula Nathan-Ricard 1949 aber wieder zugesprochen. Nach deren Tod in Argentinien blieb das Haus in Familienbesitz und wurde 1963 abgerissen.

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Der beauftragte Kunstmaler Josef Franze wurde 1879 im Sudentenland geboren und kam im November 1946 nach Auerbach, wo er bis zu seinem Tod 1971 im Haus Darmstädter Straße 162 wohnte. Der konventionell arbeitende Genre-, Porträt- und Landschaftsmaler war auch als Restaurator tätig.

Zwar sind beide Villen verschwunden, doch gibt es zu beiden noch Originalpläne von Heinrich Metzendorf. Im Stadtarchiv gibt es auch Fotos der beiden Häuser und nun zeugt dazu noch das Gemälde von Josef Franze öffentlich von deren Existenz. Bürgermeisterin Christine Klein bedankte sich im Namen der Stadt für ein Kunstwerk, das nicht zuletzt ein interessantes Dokument zur Bensheimer Stadtentwicklung darstellt. Das Bild wird in das Bergsträßer Kunstarchiv aufgenommen und muss konserviert und restauriert werden, außerdem erhält es einen neuen Rahmen, erklärte Museumsleiter Christoph Breitwieser.

„Der Idealfall ist es, wenn solche Gemälde in der Familie bleiben und immer weiter gepflegt und geschätzt werden“, sagte er. Es sei sehr bedauerlich, wenn solche Objekte auf den Flohmarkt kämen und damit aus ihrem Entstehungszusammenhang gerissen würden. Deshalb freue er sich über diesen Neuzugang für das Kunstarchiv, wo das Bild gerade zum jetzigen Zeitpunkt, im 100. Todesjahr von Heinrich Metzendorf, geradezu wie gerufen komme.

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