Von Dirk Rosenberger
Bensheim. Die Erlache ist ein wunderschönes Naturparadies, ein Biotop in dem auch selten gewordene Pflanzen und gefährdete Fischarten eine Heimat finden. Der ältere der beiden Seen, in denen kein Kiesabbau mehr betrieben wird, hat in den vergangenen Jahrzehnten eine Transformation erlebt - und entwickelt sich auch heute noch.
Es könnte also alles so schön sein, wären da nicht die Begleiterscheinungen, um die es vorrangig geht, wenn über das Gewässer gesprochen wird: Vermüllung der Uferbereiche, Badende, die sich und mögliche Retter in Gefahr bringen oder Angler, die ohne Erlaubnis und Mitgliedschaft im dort ansässigen Anglerverein fischen. Die Themen sind Dauerbrenner, fast schon so alt wie die Erlache selbst. Dass Vereinsmitglieder, die örtliche Deutsche Lebensrettungsgesellschaft (DLRG), Stadt und Kommunalpolitik nach wie vor darüber beraten, diskutieren, mahnen und waren müssen, zeigt, wie schwierig sich die Gemengelage darstellt.
Für Recht und Ordnung
„Wir kämpfen hier für Recht und Ordnung“, konstatierte der neue Vorsitzende der Bensheimer Angler, Markus Woißyk, am Dienstag bei einem Ortstermin mit der CDU-Fraktion. Zugeparkte Zufahrten oder Feldwege, an Zäunen festgekettete Fahrräder, Partys am Ufer und im See, die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Was nach zwei, drei schönen Sommer-Wochenenden rund um die Erlache zurückbleibt, konnte auf einem großen Müllhaufen „bewundert“ werden: Leere Bierkästen, Blumenkübel, Einweggrills, ein alter Tennisschläger oder Baumaterial für Flöße. Der Fantasie scheinen keine Grenzen gesetzt zu sein, wenn es darum geht, Abfall loszuwerden oder achtlos wegzuwerfen.
Die DLRG kann davon lautstark ein Lied singen. Deren Tauchen haben unter anderem schon Mopeds, Motorroller, Tresore oder Kassenautomaten aus der Tiefe geholt. „Offenkundig ist der See auch bei Kriminellen beliebt“, kommentierte Thomas Rech, Technischer Leiter des DLRG Bensheim und stellvertretender Einsatzleiter des DLRG-Kreisverbands Bergstraße. Was ihn und seine Kollegen aber vor allem umtreibt, ist de Lebensgefahr, in die sich viele Badegäste bringen, wenn sie in der alten und in der jüngeren Vergangenheit verstärkt in der neuen Erlache schwimmen gehen.
Ein Muskelkrampf reicht
„Die Gewässer sind nicht bewacht, da reicht bereits ein Muskelkrampf und man ist weg“, verdeutlichten Rech und DLRG-Vorsitzender Lars Wagenknecht. Doch selbst an Land kann man sich nicht sicher sein. Die Uferbereiche sind instabil, Kantenabbrüche keine Seltenheit. Vermeintliche Sandstrände zum Sonnen können so schnell zu lebensgefährlichen Fallen mit Sog in die Tiefe werden.
Regelrecht schockiert sei man von den Zuständen am neuen Erlachsee. Dort werde mit Autos auf das Betriebsgelände der Firma Rohr gefahren, Kinder bekämen von ihren Eltern Schwimmunterricht. Dabei reiche ein falscher Schritt im Wasser, um mehrere Meter in die Tiefe zu fallen. „Und wenn man darauf hinweist, wird man noch angegangen“, so Rech.
Dass Familien sich dort aufhalten, hält er für unverantwortlich. „Da können sie die Kinder auch gleich im Steinbruch spielen lassen, während ein paar Meter daneben die großen Bagger fahren.“ Erleichternd für den illegalen Eintritt kommt hinzu, dass das Grundstück nicht eingezäunt ist, „weil die Zäune ohnehin kaputtgemacht werden würden“, bekam Rech auf Nachfrage beim Unternehmen erklärt.
Kontrollen helfen
Was helfe, sind regelmäßige und verstärkte Kontrollen. Genau das hat die Stadt mit Unterstützung eines privaten Sicherheitsdienstes im Sommer getan. „Das bringt was“, sind sich die Fachleute der DLRG einig. Geteilt wird die Einschätzung von den Anglern, die mit vielschichtigen Schwierigkeiten zu kämpfen haben.
Einerseits sind es die Hinterlassenschaften von „Gästen“ an der Erlache, andererseits machen illegale Angler zunehmend Probleme. „Es kam deshalb schon zu mehreren Polizeieinsätzen“, bestätigte Gewässerwart Stefan Schneider. Denn auf freundliche Aufforderungen von Vereinsmitgliedern reagieren die Unbekannten eher aggressiv denn c verständnisvoll.
Mittlerweile haben die Angler schon Allianzen mit Badegästen, die regelmäßig die Erlache aufsuchen und damit bekannte Gesichter sind, gebildet. „Sie informieren uns, wenn sie Leute bemerken, die unerlaubt angeln. Außerdem helfen sie uns beim Müllsammeln“, so Schneider.
Ebenfalls ein Ärgernis: Bootsfahrten auf dem See während der Laichzeit. Dadurch werden unter anderem von den Anglern ausgesetzte Laichhilfen zerstört. Da reichen schon Kajaks, Schlauchboote sowie bemannte Luftmatratzen, um Schäden zu verursachen - oder Stand-up-Paddler, die „sich über das Internet auch von weiter her verabreden, um sich hier zu treffen“, erläuterte der Gewässerwart.
Eben weil man um das unschöne Treiben schon seit Jahren weiß, gibt es immer wieder Überlegungen zur Eindämmung. Im Sommer beschloss das Stadtparlament (wie berichtet) Vorschläge aus dem Magistrat, die das Gremium auf Initiative der CDU-Fraktion (basierend auf einem Antrag für ein Konzept gegen Vermüllung aus dem Februar) zusammengestellt hatte.
Initiative im Stadtparlament
Daran erinnerte Fraktionsvorsitzender Tobias Heinz beim Ortstermin. So sollen zusätzliche Hinweis- und Verbotsschilder an zehn Standorten an der Erlache und dem Niederwaldsee aufgestellt werden. Außerdem will man mit Bepflanzungen als „natürliche Sperre“ (Hecken, dornige Büsche, Baumstämme) den Zugang zum See erschweren. Ergänzend werden sollen die Mülleimer an den Gewässern. „Da muss man ausprobieren, ob es angenommen wird“, bemerkte Markus Woißyk. Wichtig sei die regelmäßige Leerung.
Für Tobias Heinz ist der aktuelle Beschluss ein erster Schritt. In einem weiteren soll mit den Vereinen Rücksprache gehalten werden, was noch angegangen werden könnte. „Es geht darum, die Auswüchse zu verhindern“, so der Fraktionschef. Das bleibe eine Gratwanderung, denn natürlich wolle man niemanden verbieten, die Natur zu genießen.
Allerdings muss man sich zu benehmen wissen und eine gewisse Einsicht an den Tag legen. Das scheint bekanntermaßen nicht immer der Fall zu sein, wie Angler und Rettungskräfte aus erster Hand zu berichten wissen. Und das nicht nur an der Erlache, sondern ebenso am Niederwaldsee.
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