Langwaden. Jörg Ritzert, Gesamtprojektleiter für die Neubaustrecke Frankfurt-Mannheim ist seit über 25 Jahren bei der Bahn und hat in dieser Zeit nach eigenen Worten schon viele Großprojekte betreut. Aus dieser Erfahrung weiß er auch, dass bei solchen Projekten, die über eine lange Strecke reichen, eine hundertprozentige Akzeptanz nicht möglich ist. Bei der Informationsveranstaltung des Ortsbeirates Langwaden am Donnerstagabend im Dorfgemeinschaftshaus wusste er daher vermutlich, was er bei der Vorstellung der Bahn-Pläne zu erwarten hatte: eine eher hundertprozentige Ablehnung.
Aber es war nicht nur Ablehnung, es war eine Stimmungslage, die sich aktuell bei allen schwierigen Themen zeigt: Frustration und Vertrauensverlust. Das Image der Politik sowie der Bahn ist schlecht und der Bürger reagiert darauf mit unverhohlenem Misstrauen und Unterstellungen. Zurufe aus dem Publikum wie „was hat Lorsch bezahlt?“ oder „ist doch alles Vetternwirtschaft“ machten das deutlich.
Dennoch war der Ortsbeirat um eine sachliche Darstellung der jeweiligen Sichtweisen und Argumente bemüht, was aber aufgrund der häufigen Anmerkungen und Nachfragen aus dem Publikum während der jeweiligen Präsentationen nicht immer gelang. So konnte Ortsbeirat Moritz Bischof die Veranstaltung auch nicht wie geplant nach 90 Minuten, sondern erst nach knapp zwei Stunden offiziell beschließen. Am Ende war klar, dass der Ortsbeirat weiter für die Tunnellösung auch bei Langwaden kämpfen wird. Ob dies auch für die Stadt Bensheim gilt, die im Beteiligungsbeirat durch Erste Stadträtin Nicole Rauber-Jung vertreten ist, wurde in Langwaden nicht so deutlich. Hier konnte sich Rauber-Jung nur zu einer diplomatischen Äußerung verleiten lassen, wonach nach der besten gemeinsamen Lösung für den Bergsträßer Raum gesucht werde, die dann auch realistisch wäre.
Allerdings hatte der Ortsbeirat auch nicht erwartet, im Rahmen der Infoveranstaltung die Bahn von den Langwadener Wünschen überzeugen zu können, wie Ortsbeirat Philipp Lämpe feststellte. Nicht erfreut sei der Ortsbeirat aber über die Reaktionen aus dem Rathaus zur Tunnellösung gewesen. Für Schwanheim und Fehlheim sei das als „nicht konsensfähig“ angesehen worden, während man Langwaden dagegen lediglich „in den Blick nehmen“ wolle, fühlte sich der Ortsbeirat in seinen Wünschen nicht wirklich unterstützt.
Bisher 32 Varianten geprüft
Zur Einführung in die seit mehreren Jahrzehnten diskutierte Thematik hatte Ortsvorsteher Robert Loreth einen kurzen Überblick über die Entwicklung der Trasse bis zur aktuellen Vorzugsvariante gegeben. Anhand der Ausführungen von Projektleiter Jörg Ritzert war dann zu erfahren, dass seit 2016 mit Beginn des Beteiligungsforums insgesamt 32 Streckenvarianten, darunter auch die Bergsträßer Konsenslösung, geprüft worden seien. Aufgrund der erfolgten Untersuchungen bezüglich des Schall-, Umwelt-, Natur- und Wasserschutzes und der sich daraus ergebenen quantitativen und qualitativen Bewertungen fiel letztlich die Entscheidung zugunsten der Trassenvariante aus, die ab Darmstadt östlich der A 67 verläuft und ab Einhausen in einen Tunnel mündet. Die Entscheidung, so Ritzert, sei ausschließlich auf der Basis von Zahlen, Daten und Fakten erfolgt. Eine „politische Trasse“ dürfe keine Grundlage sein, da dies die Planung angreifbar mache.
Gleichwohl konnte der Bahn-Vertreter dem Publikum nicht verständlich machen, warum die Tunnellösung im Bereich Einhausen und Lorsch die günstigere Lösung ist, aber im Bereich Langwaden nicht. Der Hinweis, dass es künftig auch bei der oberirdischen Trasse und der Erweiterung der A 67 aufgrund der geplanten Schallschutzmaßnahmen in Langwaden laut den Berechnungen leiser werden wird, wollten die Wenigsten glauben, wie dem Gelächter zu entnehmen war.
Auch der Hinweis auf eine entsprechende Nachfrage aus dem Publikum, dass der bergmännische Tunnel bei Langwaden rund 330 Millionen Euro Mehrkosten verursacht habe, war nicht nachvollziehbar, da diese Info von Ritzert nur mündlich gegeben werden konnte.
Gerade wegen des Hinweises auf Zahlen, Daten und Fakten wäre es möglicherweise hilfreicher gewesen, wenn man die verschiedenen Trassenvarianten mit den jeweiligen Angaben gegenübergestellt und somit auch einen Vergleich gehabt hätte.
So kann man entweder den von Robert Loreth zusammengestellten Fakten oder den Ausführungen der Bahn glauben. Laut Loreth würden beim Schallschutz beispielsweise Zahlen zugrunde gelegt, die gar nicht gemessen, sondern nur errechnet werden können. Auch sei die angenommene Anzahl des nächtlichen Güterverkehrs zu niedrig angesetzt und der Fluglärm nicht berücksichtigt.
Der aktuellen Bahn-Trasse hatte Loreth mit hineinkopierten Tunnellösungen die „Bergsträßer Konsenstrasse“ und seine persönliche Vorzugsvariante gegenübergestellt. Bei der Bergsträßer Konsenstrasse würde der Tunnel bereits nördlich von Langwaden beginnen und wäre 4,5 Kilometer länger. Bei seiner persönlichen Ideallösung würde der Tunnel bereits nördlich von Alsbach beginnen, wäre sieben Kilometer länger und würde durch den deutlich nach Westen verlagerten Verlauf an der Brunnengalerie der Riedgruppe Ost vorbei führen.
Am Montag wird sich der Ortsbeirat Schwanheim mit der Planung der Neubaustrecke befassen. Hier sind die Lärmauswirkungen laut den aktuellen Informationen deutlich höher als in Langwaden. Gleiches gilt für Fehlheim, dort wird der Ortsbeirat am Dienstag tagen und das Thema diskutieren.
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