Melibokusturm

Der Melibokusturm - seit 250 Jahren ein Wahrzeichen der Bergstraße

Von 
Jeanette Spielmann
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Bensheim. Mit seinen gut 517 Metern ist der Melibokus die höchste Erhebung an der Bergstraße, das Wahrzeichen der Region und die Plattform für einen Aussichtsturm, der in diesem Jahr auf eine bewegte 250-jährige Geschichte blicken kann. Aus diesem Anlass hatte der im vergangenen Jahr 60 Jahre alt gewordene Melibokusturmverein zu einem kleinen Empfang eingeladen.

Es war nicht nur eine gute Möglichkeit, den traumhaften Ausblick auf eine „grenzenlose Fläche, die einer ausgebreiteten Landkarte gleicht“ zu genießen, wie Claudia Sosniak eine Beschreibung aus vergangenen Tagen zitierte. Die Leiterin des Bensheimer Archivs hatte in historischen Quellen geforscht und interessante Geschichten entdeckt, die auch für die Gäste neu gewesen sein dürften.

Eine davon betraf die Ermordung von August von Kotzebue im Jahr 1819 in Mannheim, die als erstes politisches Attentat der Neuzeit gilt. Verübt wurde es von dem Theologiestudenten Karl Ludwig Sand. Kotzebue, der zuletzt auch als russischer Generalkonsul tätig war, war für den radikalen Burschenschafter Sand der Inbegriff des Feindes gegen die freiheitliche Idee und Einheit Deutschlands. Der Attentäter wurde zum Tode verurteilt und 1820 hingerichtet.

Die Ermittlungen der Polizei führten damals auch zum Melibokusturm, der bei den Burschenschaften ein beliebtes Ausflugsziel war, die sich wie viele andere Besucher gerne mit entsprechenden Einträgen im Turm verewigten. Das hatte auch Sand getan, der bei seiner Reise nach Mannheim den Turm aufgesucht hatte. Einen entsprechenden Eintrag in der Polizeiakte konnte Claudia Sosniak finden.

Einsturz kurz nach Baubeginn

Beim Empfang auf dem Melibokus, zu dem Bürgermeisterin Klein als Vorsitzende des Melibokusturmvereins eingeladen hatte, ging es aber vor allem um den Turm selbst, bei dem es sich - genau genommen - um das dritte Exemplar handelt. Denn der 1772 fertiggestellt Turm war schon die zweite Version, da der erste, fast fertiggestellte Turm fünf Wochen nach Baubeginn eingestürzt war.

Vom Baubeginn im September, über den Einsturz im Oktober, dem Wiederaufbau zwei Tage später und der Fertigstellung im Dezember geschah das alles in einer Wahnsinnsgeschwindigkeit innerhalb der letzten vier Monate 1772. Zum Teil waren bis zu 200 Arbeiter auf dem Melibokus im Einsatz, die damals zu Frondiensten verpflichtet und damit die Kosten niedrig gehalten werden konnten. Reinhard Bauß, Vorsitzender des Auerbacher Kur- und Verkehrsvereins konnte sich dazu die Bemerkung „heute nennt man das Ehrenamt“ nicht verkneifen.

In dem minutiös vom Initiator des Turms, Landgraf Ludwig IX. von Hessen, geführten Tagebuch heißt es dazu am 5. Dezember 1772: Fertigstellung der Säule mit einer Höhe von „80 rheinische und 70 französische Schuhe in der Höhe“, was heute einer Höhe von 21 Metern entspricht. Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs hatte der alte Turm Bestand, zwischendurch verlor er aufgrund von Stürmen mehrmals sein Dach, die Sprengung durch die deutsche Wehrmacht brachte am 27. März 1945 das vorläufige Ende.

Doch das Interesse in der Bevölkerung, auf dem Melibokus wieder einen Turm zu errichten, war groß und wurde 20 Jahre nach der Sprengung des ersten Turms auch in die Tat umgesetzt. Diese Aufgabe hat der 1961 gegründete Verein zur Förderung des Wiederaufbaues und der Unterhaltung des Melibokusturm, heute Melibokusturmverein, übernommen. Seit seinen Anfängen gehören dem Verein neben Bensheim auch Vertreter der Nachbargemeinden Zwingenberg und Alsbach-Hähnlein an.

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Wie Bürgermeister Holger Habich beim Empfang feststellte, seien es für Zwingenberg ideelle Gründe, weswegen sich die Kommune im Verein auch mit finanzieller Unterstützung engagiere, denn die Stadt habe keinerlei Grundstücke auf dem Melibokus. Vielmehr gehöre der Melibokus vorwiegend zur Bensheimer Gemarkung und 16 Quadratmeter gehörten zu Alsbach-Hähnlein.

Das Meinungsbild in der Bevölkerung sei diesbezüglich allerdings ein anderes, stellte Vereinsgeschäftsführer Thomas Herborn von der Stadt Bensheim fest und wurde darin auch vom Vertreter des Kreises Bergstraße, Kreisbeigeordnetem Philipp-Otto Vock, bestätigt. Für den Kreis seien die Grundstücksverhältnisse nicht relevant, aber er werbe gerne mit dem Melibokus, dankte Vock den Mitarbeitern der Stadt Bensheim und dem Verein für das Engagement bei der Pflege und dem Erhalt des Turms. Ein Dank, dem sich Bürgermeisterin Klein, ihr Amtskollege aus Zwingenberg und Franz Kern vom Gemeindevorstand Alsbach-Hähnlein anschlossen.

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Kern übermittelte zusammen mit seinem Vorstandskollegen Gerhard Dentler die Grüße des verhinderten Bürgermeisters Sebastian Bubenzer. Für die Sparkasse Bensheim begründete Birgit Kissel die Unterstützung als Sponsor mit der Feststellung, dass es wohl kaum eine nachhaltigere Investition in die Vergangenheit und Zukunft gebe. Auch wenn Zwingenberg hinsichtlich seiner Gemarkung nichts mit dem Melibokus zu tun hat, gab es immer wieder Anknüpfungspunkte zur ältesten Stadt an der Bergstraße. Nicht nur, dass Zwingenbergs Bürgermeister beim Empfang am Mittwoch der einzige Gast war, der zu Fuß den Melibokus erklommen hat. Es war auch ein Zwingenberger Architekt, der erste Pläne für den Wiederaufbau des neuen Turms gezeichnet hatte. Er hatte die Idee, auf dem Gipfel ein Hotel mit integriertem Turm zu errichten, wobei der fast identische Aufbau des hölzernen Originals vorgesehen war.

„Balkon der Bergstraße“

Bensheims damaliger Bürgermeister Kilian sah aber das öffentliche Interesse und der Verein entschied sich, in Anlehnung an den damaligen Baustil des Brutalismus, für die steinerne Variante mit 13 Betonringen. Im Frühjahr 1966 wurde mit dem Bau begonnen und im September 1966 wurde der neue 22 Meter hohe Melibokusturm eingeweiht.

Wer mehr über den Melibokus, auch über seine militärische Nutzung erfahren möchte, findet viele interessante Informationen in dem vom kürzlich verstorbenen Wolf-Dietrich Riebel vom Geschichtsverein Zwingenberg herausgegebenen Band „Der Melibokus - Rundblicke vom Balkon der Bergstraße“. Auch Claudia Sosniak hat einen Beitrag zum Melibokusturm für den nächsten Band der Geschichtsblätter des Kreises Bergstraße verfasst, der im Dezember erscheinen wird.

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