Woche junger Schauspieler

Das Bensheimer Parktheater wird zum Klimaprotest-Camp

Dass unter den Zuschauern zum Auftakt der Woche junger Schauspielerinnen und Schauspieler viele junge Erwachsene sind, überrascht nicht.

Von 
Gerlinde Scharf
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Mit dem zweisprachigen Theaterstück „Das Licht der Welt“ wurde die 28. Woche junger Schauspieler im Bensheimer Parktheater eröffnet. © Thomas Zelinger

Bensheim. „Ich habe mir die Zukunft anders vorgestellt. Wer nicht?“ und „Wenn Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht.“ Zwei sich scheinbar widersprechende Aussagen, die sowohl Enttäuschung und Resignation, aber eben auch den unbändigen Willen zum Handeln, zum Aufbegehren und zum Ungehorsam demonstrieren, sind charakteristisch und gleichzeitig entlarvend für das zweisprachige Theaterstück „Das Licht der Welt“, mit dem das Theater Heidelberg die 28. Woche junger Schauspieler eröffnete.

Im Camp im Hambacher Forst

Neunzig Minuten lang sehen und hören die Besucher im gut besetzten Parktheater, was sechs Klimaaktivistinnen und -aktivisten in ihrem Camp im Hambacher Forst umtreibt, was sie fühlen, wollen, weshalb sie da sind, wo sie sind, wie sie sprechen und ihr Alltag verläuft („Besetzungen sind kein Ponyhof“), was sie planen, um der Zerstörung der Umwelt Einhalt zu gebieten und was sie vom Leben erwarten.

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Die Biografien sind unterschiedlich, es herrscht eine raue Sprache abseits von Gender- und patriarchalen Normen, dennoch gibt’s feste Strukturen wie ein Anti-Rassimus-, Corona- und Wellness-Konzept, feste Essenszeiten und „ab 19 Uhr die Ausgabe von Wärmeflaschen“. Lager-Alltag! Ohne Corona-Test darf keiner rein. Tabak, Alkohol und Drogen sind tabu.

Banales, Verzweiflung, Aggressivität, Momente der Stille und der Melancholie, Authentizität ohne jeden Anflug von Zynismus, Chaos, ein bisschen Lager-Romantik zur Gitarre, witzige Situationen und Selbstreflexion prägen das Leben der Waldbesetzer, die den Kampf gegen Polizeigewalt, Rassismus und rechten Populismus aufgenommen haben.

Als letzten Ausweg gegen das Abholzen von Wäldern für die Kohleförderung ketten sich die Protagonisten in ihrer Verzweiflung an Bahngleisen an, die für Bergbau und Industrie genutzt werden.

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Dass unter den Zuschauern zum Auftakt der Woche junger Schauspielerinnen und Schauspieler viele junge Erwachsene sind, überrascht nicht. Das Thema Klimakollaps ist ebenso allgegenwärtig wie die verschiedenen Formen der Proteste. Und doch kommt ein besonderes Kompliment an die Autorin Raphaela Bardutzky, vor allem aber an die Darsteller gerichtet, von anderer Seite. Es sei ein tolles, aufwühlendes Stück über ein ernstes Thema, so eine Besucherin in der Nachbetrachtung. Und dennoch habe sie den Theaterraum mit einem breiten Lächeln auf dem Gesicht verlassen.

Abtreibung oder Adoption?

Die Bühne im Parktheater stellt ein Aktivisten-Camp nahe der ehemaligen und inzwischen völlig abgerissenen Siedlung Lützerath im Rheinischen Braunkohlerevier nahe Köln mit Zelten, Hütten, Schlafsäcken und Baumhäusern und geregeltem Tagesablauf dar. Dass Raphaela Bardutzky in ihrem aktuellen Stück „Das Licht der Welt“ der neu angekommenen Aktivistin Rabe einen One-Night-Stand mit einem Zufallsgast und anschließender ungewollter Schwangerschaft aufdrückt, scheint dann doch ein wenig weit hergeholt, ebenso wie die offen gehaltene Entscheidung zwischen Abtreibung (wegen des CO2-Fußbadrucks des Kindes) oder Adoption.

Das Publikum zeigte sich von dem deutsch- und englischsprechenden Ensemble begeistert und spendete lang anhaltenden Beifall. Regie führte bei dem das eineinhalb Stunden dauernden Stück Daniela Löffner, die Bühne hat Matthias Werner gestaltet. Es spielten Sheila Eckhardt, Esra Schreier, Leon Maria Spiegelberg, Vladelena Sviatasch, Anna Lena Bucher und Henry Morales.

Raphalea Bardutzky hat „Das Licht der Welt“ als Auftragsarbeit für das Widerstandsfestival Remmidemmi in Heidelberg im Oktober 2022 geschrieben. Radutzky ist freie Autorin und Dramaturgin. Ihr Stück „Wüstling“ wurde 2017 mit dem Münchener Literaturstipendium ausgezeichnet, ihr Drama „Fischer Fritz“, 2021 für den Heidelberger Stückemarkt nominiert, erhielt an den Münchner Kammerspielen den Publikumspreis beim Förderpreis für Neue Dramatik. Es liegt inzwischen in Französisch und Polnisch vor und wurde 2022 am Deutschen Theater durch das Schauspiel Leipzig uraufgeführt. Im gleichen Jahr feierte „Das Los“ am Theater Lübeck Premiere.

Freie Autorin Seit vielen Jahren "im Geschäft", zunächst als Redakteurin beim "Darmstädter Echo", dann als freie Mitarbeiterin beim Bergsträßer Anzeiger und Südhessen Morgen. Spezialgebiet: Gerichtsreportagen; ansonsten alles was in einer Lokalredaktion anfällt: Vereine, kulturelle Veranstaltungen, Porträts. Mich interessieren Menschen und wie sie "ticken", woher sie kommen, was sie erreiche haben - oder auch nicht-, wohin sie wollen, ihre Vorlieben, Erfolge, Misserfolge, Wünschte etc.

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