Organisationsuntersuchung

Bensheimer Bürgernetzwerk pocht auf mehr Teilhabe

Die Bürgermeisterin betreibe „Politik hinter verschlossenen Türen“, so der Vorwurf der Initiative.

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Bensheim. Mit Verwunderung hat das Bürgernetzwerk Bensheim (BN) die jüngste Pressemitteilung der Bürgermeisterin zur geplanten Organisationsuntersuchung der Stadtverwaltung aufgenommen. Sie spricht von „größtmöglicher Transparenz“ – tatsächlich aber plant sie nach Ansicht des Bürgernetzwerks das Gegenteil.

Lediglich mit den Fraktionsvorsitzenden solle die Leistungsbeschreibung für eine umfassende Beratung der Stadt diskutiert werden. Eine Diskussion des Parlaments, von Ausschüssen oder gar eine öffentliche Diskussion sei „nicht zielführend“. Das Stadtparlament als Ganzes und die Bürgerinnen und Bürger bleiben außen vor, kritisiert das Bürgernetzwerk. Dabei gehe es um die zentralen Fragen der Zukunft Bensheims, auch wesentlich um den künftigen Haushalt, aber weit darüber hinaus um das Thema, „wie wir in der Bensheimer Stadtgesellschaft künftig miteinander umgehen wollen, wie wir entscheiden und Probleme lösen wollen“. Es gehe also um eine umfassende Modernisierung und nicht um kleine oder gar lediglich kosmetische Reparaturen in der Stadtverwaltung.

Umfrage im Auftrag des Deutschen Beamtenbundes

„Dabei steht Bensheim nicht allein in der Welt“, heißt es weiter in der Pressemitteilung des Bürgernetzwerks. Gerade bestimme eine repräsentative Umfrage von forsa im Auftrag des Deutschen Beamtenbundes die Debatten um eine Modernisierung von Politik und Verwaltung:

  • Demnach halten 73 Prozent der Deutschen den Staat angesichts seiner aktuellen Herausforderungen für überfordert. „Ein dramatischer Vertrauensverlust“, so die Bensheimer Initiative.
  • Inzwischen glauben mehr als die Hälfte der Deutschen, dass der öffentliche Dienst insgesamt zu viel Geld kostet – auch dies ein erheblicher Zuwachs im Vergleich zu den vergangenen Jahren.
  • Ein massiver Ausbau der Verwaltungen in den letzten Jahren bei schrumpfender Beschäftigung in der Wirtschaft sorgt für zunehmende Kritik.

Die Interessenvertreter der deutschen Beamten fordern deshalb, „dass endlich die notwendigen gesellschaftlichen Debatten geführt werden: Welche Aufgaben muss und kann der Staat zukünftig noch erfüllen?“ Diese Frage müsse die Politik mit den Bürgerinnen und Bürgern aushandeln, findet das Bürgernetzwerk. Es unterstützt nachhaltig diese Forderung der deutschen Beamten. In Bensheim bestünde jetzt genau diese Chance. Mit der geplanten Beratung, wofür immerhin 250.000 Euro bereitstehen sollen, könnte eine derartige Modernisierung vorangetrieben werden. Dies wäre im Interesse der Beschäftigten der öffentlichen Hand, der gesamten Stadtgesellschaft und der Politik.

Die derzeit von der Bürgermeisterin betriebene „Politik hinter verschlossenen Türen“ könne allerdings einen derartigen Neuanfang nicht erreichen, sie verstärke vielmehr die ohnehin vorhandene Politik- und Demokratieverdrossenheit – mit den bekannten Folgen bei Wahlen. „Das Vertrauen in den Staat wird so weiter untergraben.“

Ganzheitliches, offenes Vorgehen vorgeschlagen

Stattdessen schlägt das Bürgernetzwerk Bensheim ein ganzheitliches, offenes Vorgehen für die anstehende Verwaltungsmodernisierung vor, orientiert an professionellem Vorgehen, wie es in Unternehmen üblich sei:

  • Politische Rahmensetzung durch das gesamte Stadtparlament – nicht durch informelle Runden: Welches Ziel genau soll die Modernisierungsberatung haben, was soll erreicht werden?
  • Orientierung am Markt mittels eines „Request for Information (RFI)“, um Best-Practice-Erfahrungen mit ähnlichen Modernisierungen und entsprechenden Beratungsoptionen einzuholen: Wer hat schon welche Erfahrungen in anderen Kommunen gemacht? Was konnte dabei wie erreicht werden und was nicht? Was genau wird auf dem Beratungsmarkt zu welchen Konditionen angeboten?
  • Beteiligung der Stadtgesellschaft: Was wollen Bürgerinnen und Bürger und was nicht? Eine derartige Beteiligung sollte jetzt beginnen und ist nach Ansicht des Bürgernetzwerks mit einfachen Mitteln zeitnah und kostengünstig möglich, ohne den Prozess zu verzögern. Allerdings sollte auch während des Beratungsprozesses selbst Fenster der Mitwirkung eröffnet werden.
  • Erstellung des Leistungsverzeichnisses auf Basis dieser Ergebnisse, erst danach Ausschreibung und Vergabe.

„Wer die Zukunft Bensheims gestalten will, braucht nicht nur organisatorische Anpassungen im Rathaus, sondern eine gemeinsame Vision, an der Politik, Verwaltung und Bürgerschaft gleichermaßen beteiligt sind“, so das Bürgernetzwerk. „Entsprechend werden wir die Fraktionen im Bensheimer Stadtparlament um Unterstützung dieses Vorgehens bitten“, heißt es abschließend in der Pressemitteilung. red

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