Bensheim. In den 15 Jahren ihres Bestehens hat sich die Bensheimer Tafel zu einem kleinen mittelständischen Betrieb entwickelt, dessen 240 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter allerdings unentgeltlich arbeiten – und das rund 450 Stunden pro Woche. Ein bemerkenswertes Engagement, mit dem im vergangenen Jahr 568 Haushalte mit 1034 erwachsenen Personen und 587 Kindern mit Lebensmitteln versorgt wurden.
Zweimal pro Woche erfolgt die Lebensmittelausgabe im Tafel-Gebäude an der Rheinstraße, und dabei werden wöchentlich rund zehn Tonnen Lebensmittel bewegt. Das seit zwei Jahren unter erschwerten Pandemie-Bedingungen, die aber erfreulicherweise nie dazu geführt haben, dass die Lebensmittelausgabe geschlossen werden musste, so Vorsitzende Mariette Rettig in ihrem Jahresbericht. Wie schon im vergangenen Jahr hatten sich Vorstand und einige Mitglieder zur Mitgliederversammlung am Dienstagabend in der Stadtkirche Sankt Georg getroffen. Auch Bürgermeisterin Christine Klein war gekommen, um ihren Dank und Respekt für diese wertvolle ehrenamtliche Arbeit zum Ausdruck zu bringen.
„Mit Freude bei der Arbeit“
Überhaupt bot die Versammlung Anlass, Dank zu sagen. Zum einen von der Vorsitzenden für ihr engagiertes Helferteam, das neben dem Abholen, Sortieren, Portionieren, Verteilen und Entsorgen der Lebensmittel mit Abstand und Maske noch Hygieneschulungen absolvieren muss. Auch wenn man sich an die Pandemievorschriften fast schon gewöhnt habe, so Vorsitzende Rettig, sei dieses Engagement der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht selbstverständlich. Trotz all dieser Beschränkungen seien sie „immer gut gelaunt und mit Freude bei der Arbeit“.
Für die Mitglieder übermittelte Josef Fertig den „besonderen Dank“ an die Mariette Rettig. „Klein, aber wacker, zackert auf dem Acker“, beschrieb er ihren Einsatz Woche für Woche an vorderster Stelle. Die meisten Tafelkunden seien ihr persönlich bekannt und sie kenne auch „die Pappenheimer“, die sie höflich, aber bestimmt auf die Regeln aufmerksam mache. Dazu gehört vermutlich auch der Hinweis, dass die Tafel „kein Vollversorger“ ist, sondern nur ergänzende Hilfe leisten könne, so die Vorsitzende.
Deutlich angestiegen ist seit der Gründung der Bensheimer Tafel im Jahr 2006 die Zahl der älteren Kunden, denen es immer noch schwerfällt, die Tafel in Anspruch zu nehmen. Waren es im ersten Jahr gerade mal neun Kunden im Rentenalter, hat sich diese Zahl nun auf 185 erhöht. Das bringe ihnen neben einer höheren Lebensqualität aber auch jede Woche die Gelegenheit, sich mit anderen Menschen auszutauschen, denn der Gang zur Tafel sei ein Kommunikationstreffpunkt geworden.
Gedankt wurde von Rettig auch den 56 Geschäften, die der Tafel die Lebensmittel zur Verfügung stellen, sowie den Sponsoren, deren finanzielle Unterstützung nach wie vor wichtig sei, insbesondere in Zeiten von steigenden Energie- und Spritkosten.
Solide finanzielle Basis
Denn eine auf ehrenamtlicher Basis arbeitende Tafel hat hohe Ausgaben, wie dem Bericht von Schatzmeisterin Hedwig Hillenbrand zu entnehmen war. So schlug allein die Entsorgung der nicht verwendbaren Lebensmittel im vergangenen Jahr mit 11 200 Euro zu Buche, von dem abzüglich des Zuschusses für die Müllentsorgung noch 6600 Euro bei der Tafel hängenbleiben.
Gebäude- und Fahrzeugunterhaltung, Energie- und Verwaltungskosten sowie Investitionen ließen im vergangenen Jahr die Ausgaben über die Einnahmen steigen, so dass das Vereinsvermögen sich um knapp 7000 Euro reduzierte. Dennoch steht die Bensheimer Tafel nach wie vor auf einer soliden finanziellen Basis.
Der einstimmigen Entlastung des Vorstandes und der ebenso einstimmigen Wiederwahl der Vorstandsmitglieder stand nichts im Weg. Zuvor musste Mariette Rettig aber noch einen langjährigen Weggefährten verabschieden. Nach fast 17 Jahren ehrenamtlichem Engagement bei der Tafel zog sich Beisitzer Josef Rummel aus der Vorstandsarbeit zurück.
Für Rettig sei er ein „treuer Berater, Zuhörer und Freund“ geworden, der mit Rat und Tat beim Aufbau der Tafel mitgeholfen, sich eingebracht und die Leitung einer Gruppe übernommen habe. In der Gruppe werde Josef Rummel weiterarbeiten, dankte die Vorsitzende mit einem Präsent dem ausgeschiedenen Vorstandsmitglied. Für ihn rückte Pfarrer Christian Stamm, Nachfolger von Thomas Catta bei Sankt Georg, in den Vorstand nach.
Der übrige Vorstand mit Vorsitzender Mariette Rettig, der zweiten Vorsitzenden Conny Tigges-Schwering, Schatzmeisterin Hedwig Hillenbrand sowie den Beisitzern Pfarrer Christoph Bergner, Jochen Henke und Ursula Krieger-Herte blieb unverändert.
Hoffen auf Veranstaltungen
Nachdem im vergangenen Jahr viele Veranstaltungen ausfallen mussten, hofft man, in diesem Jahr einen Grillnachmittag für das Helfer-Team und einen großen Dankeschön-Abend veranstalten zu können. Am 7. August soll es einen Begegnungsnachmittag für die Tafelkunden geben, für 10. September ist wieder ein Tafel-Event in Planung. Vorgesehen ist eine „große Tafel“ mit einem Drei-Gang-Menü und Musik der Blütenweg-Jazzer.
Zum Abschluss der Mitgliederversammlung machte die Vorsitzende noch auf die ersten sechs Geflüchteten aus der Ukraine aufmerksam, die an diesem Tag zur Tafel gekommen seien. Rettig ist sich sicher, dass noch mehr kommen werden und schloss die Zusammenkunft mit einem Zitat von Mahatma Gandhi „Und wenn ich verzweifle, dann erinnere ich mich, dass durch alle Zeiten in der Geschichte der Menschheit die Wahrheit und die Liebe immer gewonnen haben. Es gab Tyrannen und Mörder und eine Zeit lang schienen sie unbesiegbar, doch am Ende scheiterten sie immer. Denke daran – immer.“
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