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Bensheimer Start-up Aqon Pure vervielfacht den Umsatz

Das Unternehmen mit Sitz in Bensheim bleibt auf Wachstumskurs: Innerhalb von vier Jahren konnte das Unternehmen, das ein System zur Enthärtung von Leitungswasser vertreibt, eine Umsatzexplosion verzeichnen.

Von 
Thomas Tritsch
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Die Brüder Maximilian und Konstantin Wilk haben ein Technologie entwickelt, mit der Kalkablagerungen im Leitungswasser vermieden werden können. Ihr Unternehmen Aqon Pure wird im Juni für seine Erfolge ausgezeichnet. © MARC FIPPEL FOTOGRAFIE

Bensheim. Das Bensheimer Start-up Aqon Pure bleibt auf Wachstumskurs. Lag der Umsatz im ersten Geschäftsjahr 2018 noch bei 50 000 Euro, erzielte das Unternehmen 2021 bereits sechs und 2022 zehn Millionen Euro. Im laufenden Geschäftsjahr peilen Maximilian und Konstantin Wilk mit ihrem Team die 15 Millionen-Marke an. Ein veritabler Flow - und tatsächlich: es geht um Wasser.

Konkret: um ein System zur Enthärtung von Leitungswasser. Klingt trocken, ist es aber nicht. Denn über 40 Prozent aller Wohngebäude in Deutschland müssen sich mit hartem Wasser herumschlagen. Auch in der Region Bergstraße sind viele Städte und Gemeinden ziemlich verkalkt, darunter auch Bensheim. Hier rangiert man mit 19 Grad deutscher Härte (dH) im tiefroten Bereich und deutlich über dem bundesweiten Durchschnitt.

Das führt zu verstärkten Ablagerungen in Boilern, Ventilen und Rohrleitungen, von den optischen Folgen auf Glas und Kacheln ganz zu schweigen. Mit ihrer Geschäftsidee einer innovativen Aufbereitungstechnologie ohne Salz und damit ohne umweltschädliche Chlorid-Ablagerungen im Abwasser wurden die Brüder 2021 mit dem Hessischen Gründerpreis ausgezeichnet (wir haben berichtet).

Vor Kurzem wurden die Bensheimer Cleantech-Profis mit dem TOP 100 Award 2023 ausgezeichnet. Der Wettbewerb würdigt die Innovationskraft mittelständischer Unternehmen und gilt als einzige unabhängige Auszeichnung für Innovationsmanagement in Deutschland. Anhand von mehr als 100 Prüfkriterien nimmt eine wissenschaftliche Jury an der Wirtschaftsuniversität Wien die Bewerber unter die Lupe und analysiert den konkreten Markterfolg systematisch innovativer Prozesse innerhalb eines Unternehmens.

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Das Siegel wird in drei Größenklassen vergeben, pro Klasse werden maximal einhundert Mittelständler ausgezeichnet. Die Preisverleihung findet im Juni im Rahmen des Deutschen Mittelstands Summit in Augsburg statt. Der Wissenschaftsjournalist und TOP 100-Mentor Ranga Yogeshwar wird die Awards überreichen.

Nach dem fulminanten Start hat auch Aqon als eines der am schnellsten wachsenden Unternehmen der Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik (SHK) ab Anfang letzten Jahres die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs zu spüren bekommen, wie Maximilian Wilk berichtet. Durch die gestiegenen Energiepreise und die unsicheren Perspektiven haben viele Hausbesitzer eher in Wärmepumpen, Speichersysteme und Photovoltaikanlagen investiert, als sich um weicheres Wasser zu kümmern. Man sei bislang gut durch die multiplen Krisen gekommen, habe aber die Umsatzerwartungen von Ende 2021 nach unten korrigieren müssen.

„Die gesamte Branche verzeichnete Umsatzeinbrüche“, so der Wirtschaftsingenieur, der die Idee für sein System 2016 aus Kalifornien mitgebracht hatte, wo er nach seinem Studium gearbeitet und seine Master-Thesis fertiggestellt hat: Zehn Jahre zuvor wurde dort unter Gouverneur Arnold Schwarzenegger ein Gesetz unterzeichnet, das konventionelle Enthärtungsanlagen aus Salzbasis verbot. Da die Wilks aus einem Familienunternehmen stammen, dass sich der industriellen Schmutzwasseraufbereitung verschrieben hat, bewegten sie sich von Anfang an in ihrem Element. Mit ihrem eigenen Produkt haben sie ein neues Kapitel aufgeschlagen.

Die Umsatzexplosion innerhalb von nur vier Jahren ohne einen einzigen Cent Risiko-Kapital und einem profitablen Geschäftsverlauf ist das eine - der rasante Ausbau des bundesweiten Netzwerks ist das eigentliche Kapital der Firmengründer.

Kein Nachfüllen von Salz und Filterkartuschen nötig

Denn neben Tausenden von Kunden setzen auch Installationsbetriebe auf ihre Technologie. Rund 400 SHK-Unternehmen bauen die Systeme aktuell ein, die nach dem Prinzip der Impfkristallbildung funktionieren: Winzige Kristalle binden das im Wasser enthaltene Kalk und werden zu Kalkkristallen, die sich nicht mehr ablagern, sondern ausgeschwemmt werden. Methodisch nichts Neues, doch in dieser Nutzungsvariante in Deutschland noch eher unbekannt. Bis Aqon kam.

Die Produkt-Komponenten werden mit geringem Aufwand direkt am Hauswasseranschluss eines Gebäudes eingebaut, wodurch alle nachgeschalteten Elemente vor einer vorzeitigen Alterung durch Kalk geschützt werden, erläutert Wilk. Die Mineralien Calcium und Magnesium bleiben im Wasser erhalten. Regelmäßiges Nachfüllen von Salz oder Filterkartuschen sind nicht notwendig.

Innovativ sind die Bensheimer aber auch bei der Vermarktung ihrer Weichmacher: In einem konservativ geprägten Markt setzt man konsequent auf Digitalisierung. Statt die Kundengewinnung den Monteuren zu überlassen, nimmt Aqon mit seinen derzeit 24 Mitarbeitern das Heft selbst in die Hand. Wenn das System nach einer vorherigen Beratung verschickt wurde, garantieren die Anbieter durch schlüsselfertige Aufträge einen Einbau durch eine Fachfirma innerhalb von maximal vier Wochen. Das Tempo soll noch schneller werden. Und auch die Anzahl der vernetzten Installateure wächst. „Wir können uns unsere Partner mittlerweile herauspicken“, so Maximilian Wilk über das brancheninterne Renommee des Unternehmens.

Gleichzeitig setzt Aqon seine strategische Internationalisierung fort. In diesem Jahr ist der Marktstart in Österreich, Schweiz und in den Benelux-Staaten geplant. Auch Frankreich hat das Unternehmen im Visier. Im europäischen Ausland, wo die Energiekrise weniger drastisch zu spüren ist, sieht das Unternehmen einen attraktiven Markt.

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Mit Blick auf den Wirtschaftsstandort Deutschland müssen sich auch die Brüder Wilk dem Fachkräftemangel stellen - sie tun dies allerdings aus einer anderen Perspektive heraus. „Unsere Branche steht vor einer gewaltigen Veränderung“, so der Gründer. In Deutschland gäbe es aktuell 48 000 SHK-Betriebe mit insgesamt 382 000 Beschäftigten. Vor zehn Jahren waren es noch knapp 52 000 Betriebe mit etwas mehr als 340 000 Beschäftigten. Auf weniger Betriebe kommen heute also mehr Mitarbeiter. Wilk erkennt in dieser Transformation auch einen Trend zur Konsolidierung. Mehr Fachkräfte allein könnten die Probleme des Handwerks nicht lösen.

Denn trotz eines Anstiegs der Beschäftigten in den letzten Jahren erlebe die Branche einen Auftragsstau mit langen Wartezeiten von bis zu zehn Wochen und darüber hinaus. Auf die gestiegene Anzahl von Wohngebäuden und den einhergehenden Bedarf an Handwerkern müsse man mit neuen Organisationsstrukturen und digitalisierten Prozessen reagieren, so Wilk, der mit seinem Netzwerk-Konzept neue Wege geht. Die Beschäftigung eigener Fachkräfte sei für sein Start-up keine Option, da dies einerseits zu kapitalintensiv sei und der ohnehin flaue Markt an Experten dadurch weiter ausgedünnt würde.

Im sechsten Geschäftsjahr hat sich Aqon bereits stabil am Markt positioniert. Die Kapazitäten am Standort im Bensheimer Stubenwald seien groß genug, um eine weitere Expansion abfedern zu können. Man möchte weiterhin als Familienunternehmen weitermachen - auch wenn es bereits einige Anfragen von Private-Equity-Gesellschaften gegeben hat. Bislang ohne Erfolg für die Finanzinvestoren.

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