Auerbach. 29 Jahre alt ist das ausgemusterte Tanklöschfahrzeug der Freiwilligen Feuerwehr Auerbach – und wieder tipptop in Schuss. Ausgestattet ist es mit Wasserreservoir und Schläuchen, Atemschutzgeräten, Sprungretter, einer Steckleiter, Stromaggregaten und zusätzlichen Gerätschaften. Per Handschlag wechselte der jung gebliebene, zum Einsatz bereite und aktuell TÜV-geprüfte Oldie am Samstag den Besitzer.
Stadtbrandinspektor Jens-Peter Karn, Bürgermeisterin Christine Klein und Auerbachs Wehrführer Eugen Sponagel überstellten das runderneuerte Fahrzeug an Ruslan Dadashov, den stellvertretenden Kommandanten der Berufsfeuerwehr von Khmelnytziy im Südwesten der Ukraine. Der Magistrat hatte der großzügigen Hilfsaktion unbürokratisch und schnell zugestimmt, so dass der Tanklöschwagen nicht aufs Abstellgleis musste, sondern sowohl bei der Brandbekämpfung als auch im nahen Kriegsgebiet zum Einsatz kommen soll.
Zwar ist die 260 000 Einwohner große Stadt Khmelnytziy bislang vom unmittelbaren Kriegsgeschehen selbst verschont geblieben, aber viele Menschen aus den von russischen Einheiten bombardierten und umkämpfen Gebieten im Osten des Landes, unter anderem aus Mariupol und Donezk, sind dorthin geflüchtet.
Feierliche Übergabe
Mit Dadashow gemeinsam hatten die Verwaltungsangestellte Iryna Drinkova und die Fahrer Andrii Mohylntskyi und Taras Bachuk die 26-stündigen Reise nach Deutschland angetreten. „Bis zuletzt“, so Karn, „war es nicht sicher, ob die ukrainischen Kameraden die Erlaubnis zur Ausreise erhalten. Es war sehr kompliziert.“
Zur feierlichen Übergabe des frisch gewienerten und voll funktionsfähigen Löschwagens waren zahlreiche Mitglieder der Auerbacher Feuerwehr sowie einige ukrainische Flüchtlinge und Übersetzerin Nataliya Lysa, die derzeit in Bensheim und Umgebung wohnen und ihre Landsleute Fähnchen schwenkend begrüßten, erschienen. Schon am Sonntagmorgen machte sich die vierköpfige Delegation im Tanklöschwagen auf die lange Heimreise.
Details zum Tanklöschfahrzeug
Das Tanklöschfahrzeug besteht aus dem Fahrgestell Mercedes-Benz Typ MB 1224 SK und einem Aufbau der deutschen Firma GFT (Baujahr 1993).
Es kann mit einer Löschgruppe von neun Personen besetzt werden und ist in einem guten sowie einsatzfähigen Zustand. Das Fahrzeug hat einen Kilometerstand von 16 965 Kilometer und zusätzlich eine Betriebsstundenzahl von 231 Stunden. Der Kraftstofftank des Fahrzeuges fasst 125 Liter Diesel.
Das Tanklöschfahrzeug führt einen Löschwasservorrat von 2500 Litern und 120 Liter Schaummittel mit sich. Im Heck ist eine Feuerlöschkreiselpumpe eingebaut, die pro Minute 1600 Liter bei 8 bar Ausgangsdruck freigibt.
Die Pumpe verfügt über eine Hochdruckstufe, mit der eine Schnellangriffseinrichtung mit 40 bar betrieben werden kann.
Zusätzlich zur Normbeladung besitzt das Fahrzeug eine dreiteilige Schiebleiter. Mit dieser 14 Meter langen Leiter ist es möglich, eine Menschenrettung bis zum dritten Obergeschoss eines Hauses durchzuführen. ps
Den Stein ins Rollen gebracht beziehungsweise die Hilfsaktion gestartet, hat die erst 14 Jahre alte Allegra Finkenwirth, die ebenso wie ihr Bruder Oskar Mitglied der Auerbacher Jugendfeuerwehr ist. Die Liebfrauenschülerin hatte vor etwa drei Monaten von dem ehemaligen Au-pair-Mädchen der Familie, Anastaia Opalink, erfahren, dass die Feuerwehr in deren ukrainischen Heimat Geld für ein dringend benötigtes Fahrzeug sammelt und in der Vergangenheit viele Absagen wegstecken musste.
Zielgerichtete Hilfe
Die Auerbacher Feuerwehr aber zeigte sich begeistert von der Idee, mit ihrem Oldie einen kleinen Beitrag zur Unterstützung der gebeutelten Nation leisten zu können, und fand im Rathaus und beim Magistrat volle Unterstützung.
Anastaia Opalink, die Allegra und Oskar von 2017 bis 2018 betreute, sie zur Schule begleitet und mit den Kindern gespielt hat, war nach Deutschland gekommen, um hier die Sprache zu lernen. Statt wie geplant nach Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses bei der vierköpfigen Auerbacher Familie zurück in die Heimat zu fahren, blieb die junge Ukrainerin in dem Gastland und machte eine Ausbildung zur Erzieherin.
Es sei selbstverständlich, so betonte Bürgermeisterin Klein, der vom Krieg schwer gebeutelten Ukraine im Kampf um die Demokratie in ganz Europa zu helfen. Gleichzeitig unterstrich sie den Zusammenhalt unter den Ländern und bot weitere, zielgerichtete Hilfe an. Viele Geflüchtete aus der Ostukraine hätten in Bensheim Schutz gefunden und zahlreiche Hilfsgüter seien verschickt worden. Die Hilfsbereitschaft der Bensheimer Bürger bezeichnete Klein als vorbildlich.
„Wir können unser Fahrzeug guten Gewissens übergeben. Es ist komplett einsatzfähig und ist selbst für schwere Angriffe gerüstet. Uns allen, auch dem Feuerwehrverein, war es immens wichtig zu wissen, dass es in gute Hände kommt“, richtete der Stadtbrandinspektor das Wort an die ukrainischen Kameraden.
Ruslan Dadashov wiederum bedankte sich für die Hilfe und Gastfreundschaft und überreichte kleine Gastgeschenke. Bürgermeisterin Klein freute sich über eine handbestickte Trachtenbluse.
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