Bensheim. Der Gertrud-Eysoldt-Ring wird in diesem Jahr gleich zweimal vergeben: Die Schauspielerinnen Patrycia Ziólkowska und Alicia Aumüller erhalten den renommierten Theaterpreis für ihr Zusammenspiel in „Ödipus Tyrann“ von Sophokles in der Regie von Nicolas Stemann am Schauspielhaus Zürich. Der Kurt-Hübner-Regiepreis geht in diesem Jahr an Marie Schleef für ihre Inszenierung „Once I lived with a stranger“ am Schauspiel Köln. Das gaben die Stadt Bensheim und die Deutsche Akademie der Darstellenden Künste am Freitag bekannt.
Die beiden Schauspielerinnen erfuhren gestern Nachmittag von der Auszeichnung – wenige Stunden bevor sie wieder in der gefeierten „Ödipus“-Inszenierung in Zürich auf der Bühne standen. Die Preisverleihung findet am 18. März 2023 in Bensheim statt.
Die Jury – bestehend aus Karin Henkel, André Jung und Jossi Wieler (Vorsitz) – würdigt mit dem diesjährigen Eysoldt-Preis „zwei herausragende Schauspielerinnen und ein grandioses Zusammenspiel“. In der Jury-Begründung heißt es: „Alicia Aumüller und Patrycia Ziólkowska spielen in ‚Ödipus Tyrann’ sämtliche Rollen und gebannt schauen wir zu, wie lässig und dennoch ernsthaft, wie komisch und dennoch sensibel sie in diese hinein und aus ihnen wieder herausspringen. Virtuos ist es, wie sie als Spielerinnen zu Ödipus’ Töchter werden, wie sie mal Chor oder Chorführer, wie sie Tiresias, Iokaste, Kreon, Bote, Diener und selbstverständlich auch Ödipus selber sind oder diese Figuren manchmal auch nur anskizzieren. Sie verkörpern sie in schlichten schwarzen Kleidern mit nur wenigen Accessoires auf einer schmalen Bühne vorm Eisernen Vorhang im Vertrauen auf den Text, auf die Geschichte, auf die Sprache. Und aufeinander!“
Newsletter "Guten Morgen Bergstraße"
Weiter heben die Juroren hervor: „Wie modern die beiden Künstlerinnen gemeinsam die großen Themen dieses antiken Dramas spielend erzählen, berührt und begeistert sehr. Temporeich und direkt, changierend zwischen den Geschlechtern und keine Klischees bedienend, debattieren sie miteinander über Macht, Schuld und Recht. Fasziniert sind wir von einem Krimi, der intelligenter und nahbarer kaum erzählt werden kann.“ Das Geheimnis hinter dem mutigen Spiel von Alicia Aumüller und Patrycia Ziólkowska sei ihre Fähigkeit, sich gegenseitig zuzuhören, sich gegenseitig zu fordern, sich aber auch immer wieder zu bescheiden, so die Jury. „Ihr Theater lebt von der künstlerischen Freiheit im Umgang miteinander.“
In Hamburg und Frankfurt
Patrycia Ziólkowska, Jahrgang 1979, wurde mit 17 Jahren an der Westfälischen Schauspielschule Bochum, der heutigen Folkwang Universität der Künste, angenommen. Noch als Studentin debütierte sie am Schauspielhaus Bochum in Inszenierungen von Leander Haußmann und Uwe Dag Berlin.
Unmittelbar nach ihrem Abschluss drehte sie ihre erste Kinohauptrolle unter der Regie von Buket Alakus und wurde im Schneideraum von Fatih Akin entdeckt. Mit ihm arbeitete sie zum ersten Mal im Kinofilm „Solino“. Daraus entwickelte sich eine bis zum heutigen Tag anhaltende Zusammenarbeit in Filmen wie „Auf der anderen Seite“ und „The Cut“. Von 2010 bis 2016 war Patrycia Ziólkowska festes Ensemblemitglied am Thalia Theater Hamburg, von 2017 bis 2020 am Schauspiel Frankfurt. Auch in TV-Produktionen ist sie regelmäßig zu sehen, zuletzt unter anderem in Folgen von „Tatort“ und „Ein Fall für zwei“ sowie in der Serie „Nord Nord Mord“.
Alicia Aumüller, geboren 1983 in Salzburg, studierte an der Zürcher Hochschule der Künste und arbeitete im Rahmen ihres Studiums mit den Regisseurinnen und Regisseuren Stephan Müller, Heike Marianne Götze, Joachim Schlömer und Laura Huonker zusammen. Nach ihrer Ausbildung blieb sie in Zürich, wo sie als festes Ensemblemitglied am Theater Neumarkt engagiert war und in Inszenierungen von Barbara Weber, Roger Vontobel und Christoph Schlingensief zu sehen war. Anschließend ging sie ans Thalia Theater Hamburg, wo sie zunächst als Gast mit Jette Steckel arbeitete, bevor sie ab der Spielzeit 2013/2014 fest ins Ensemble eintrat.
Der Gertrud-Eysoldt-Ring gilt als einer der bedeutendsten Theaterpreise im deutschsprachigen Raum und wird seit 1986 jährlich in Bensheim vergeben. Mit der Vergabe des Preises, einem mit 10 000 Euro dotierten Ehrenring, würdigen die Stadt Bensheim und die Deutsche Akademie der Darstellenden Künste eine schauspielerische Leistung an einer deutschsprachigen Bühne.
Erste Preisträgerin war Doris Schade, ihr folgten große Schauspielerinnen und Schauspieler wie Klaus Maria Brandauer, Corinna Harfouch, Nina Hoss, Ulrich Mühe, Ulrich Matthes und Tobias Moretti. Der „Ring“ geht auf ein Vermächtnis des Journalisten und Theaterkritikers Wilhelm Ringelband zurück, der bis zu seinem Tod in Bensheim lebte und in seinem Testament einen Schauspielerpreis mit dem Namen von Gertrud Eysoldt verfügte.
Der mit 5000 Euro dotierte Kurt-Hübner-Regiepreis, der seit 1991 ebenfalls von der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste in Bensheim verliehen wird, geht an die junge Regisseurin Marie Schleef für ihre neueste Arbeit am Schauspiel Köln „Once I lived with a stranger“. Jurorin Rita Thiele, ehemals Chefdramaturgin und stellvertretende Intendantin am Deutschen Schauspielhaus Hamburg, wählte die Preisträgerin aus. Marie Schleef, 1990 in Göttingen geboren, arbeitet – wie sie selbst formuliert – an einem eigenen weiblichen Theaterkanon. „Für ihr innovatives, eigenwilliges, mutiges und bildmächtiges Theater wird Marie Schleef mit dem diesjährigen Kurt-Hübner Preis ausgezeichnet“, so die Jurorin. cim/red
URL dieses Artikels:
https://www.bergstraesser-anzeiger.de/orte/bensheim_artikel,-bensheim-bensheimer-eysoldtpreis-geht-an-zwei-schauspielerinnen-_arid,2025563.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.bergstraesser-anzeiger.de/orte/bensheim.html