Tag der offenen Tür

„Unsere Mitarbeiter sind die heimlichen Helden“

Die Behindertenhilfe Bergstraße gab Einblicke in den Arbeitsalltag in den Werkstätten.

Von 
Gerlinde Scharf
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Die Behindertenhilfe Bergstraße hatte zum Tag der offenen Tür in ihre Werkstatt eingeladen. © Thorsten Gutschalk

Auerbach. Teilhabe am Arbeitsleben und Selbständigkeit fördern, diesem Leitbild der Behindertenhilfe Bergstraße fühlen sich die hauptamtlichen Mitarbeiter in den Werkstätten Auerbach, Fürth und Lorsch verpflichtet. Auch deshalb ist ein Tag der offenen Tür immer eine gute Gelegenheit, um Angehörigen, Kooperationspartnern, Nachbarn, Familien, Schülerinnen und Schülern einen Einblick in den Arbeitsalltag der dort Beschäftigten mit Beeinträchtigung zu gewähren, sich einen eigenen Eindruck zu verschaffen und sich auszutauschen.

Nach dreijähriger, Corona-bedingter Zwangspause, war es jetzt wieder soweit. Die Behindertenhilfe Bergstraße (bhb) am Standort Auerbach öffnete einen Tag lang ihre Türen für Besucher, die sich bei geführten Rundgängen oder im Alleingang durch die Werkstatträume der Schlosserei, Schreinerei, in den Montagegruppen und der Tagesförderstätte für schwerst mehrfach behinderte Menschen (30) informieren konnten.

300 Beschäftigte in Auerbach

Einen Stand mit persönlichen Ansprechpartnern und ausreichend Material, beispielsweise über die Möglichkeit eines Freiwilligen Sozialen Jahrs in der Einrichtung, hatte das DRK im Foyer aufgebaut.

Aktuell sind in den Werkstätten in Auerbach etwa 300 Menschen mit Beeinträchtigung beschäftigt – nicht selten vom Schulabgänger bis zum Eintritt ins Rentenalter. Weitere 250 Personen finden in Fürth und nochmals 150 Personen in Lorsch (mit Wäscherei) einen Arbeitsplatz, der ihren Talenten entspricht und zu ihren Stärken passt. Zuvor aber, so klären Manuel Drachsler, seit einem Jahr Werkstattleiter und Nachfolger von Stefan Karner, und Öffentlichkeitsreferentin Vanessa Vogel auf, durchlaufen alle Beschäftigten eine zweijährige Ausbildung im Berufsbildungsbereich, während der sie unterschiedliche Arbeitsbereiche ausprobieren und Wünsche äußern können.

In der Schlosserei beispielsweise werden je nach Auftragslage und unter Anleitung Dosen gefräst, Schleifarbeiten durchgeführt, Gewinde geschnitten und Löcher in Stiefelspanner gefräst, während in den Montagegruppen derzeit unter anderem Küchenschwämme für einen großen Lebensmittelmarkt verpackt, Klein- und Geräteteile montiert oder Kontroll- und Zählarbeiten verrichtet werden.

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Die Schreinerei ist so etwas wie das Aushängeschild der Behindertenhilfe. Wer kennt nicht die kleinen und großen Engelfiguren, die vielen nützlichen, wunderschönen und bunt bemalten Holzartikel, die man auf Kunst- und Weihnachtsmärkten und im Verkaufsraum „Ideenreich“ erstehen kann. Trendsetter 2023 sind übrigens die rosaroten Flamingos. Seit geraumer Zeit gibt es Kooperationen mit dem Viniversum in Heppenheim und mit der Frankfurter Eintracht, wobei Letztere zukünftig noch ausgebaut werden soll.

Den hauptberuflich tätigen Malern Jürgen Klaban und Marc Oden bei der Arbeit über die Schulter zu sehen, ist nicht nur bei der jährlichen Kunstmeile in der Fußgängerzone zu einer schönen Tradition geworden.

Beide Künstler sind mit ihren Bildern im unverwechselbaren Stil auf zahlreichen Ausstellungen vertreten. Klaban etwa hat zudem das Plakat für das Europa-Filmvestival im Kronepark in Auerbach entworfen und wurde dafür beim Finale von der Preisträgerin, Schauspielerin Sunnyi Melles beglückwünscht.

Am Freitag, 19. Oktober, findet wieder in den Räumen der Behindertenhilfe wieder die große Kunstausstellung statt, bei der obendrein die Arbeiten all der anderen Künstler zu bewundern sind, einen Kunstkalender für 2024 wird es ebenfalls geben.

Inklusion am Arbeitsplatz

„Unsere Mitarbeiter sind die heimlichen Helden“, unterstreicht Werkstattleiter Manuel Drachsler am Tag der offenen Tür. Gleichzeitig zeigt er sich besorgt darüber, dass Inklusion am Arbeitsmarkt nach wie vor nicht wirklich gelebt wird. „Wir geben diesen Menschen die notwendige Unterstützung, eine gezielte Förderung und Struktur, damit sie sich wohl und aufgehoben fühlen.“

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Neben einer Reihe von anderen Gründen, warum der Bedarf an Arbeits- und Wohnplätzen in der Behindertenhilfe immer stärker zunimmt, nennt der 38-jährige gebürtige Limburger den medizinischen Fortschritt und Beeinträchtigungen bei sogenannten Frühchen.

Drachsler, der die Werkstattleitung im Juli 2022 von seinem Vorgänger Stefan Karner übernommen hat, der wiederum seitdem in leitender Position bei der bhb in Lorsch tätig ist, kommt ursprünglich aus der freien Wirtschaft, hat im Anschluss eine dreijährige pädagogische Zusatzausbildung im sozialen Bereich absolviert und wohnt mittlerweile in Auerbach.

Freie Autorin Seit vielen Jahren "im Geschäft", zunächst als Redakteurin beim "Darmstädter Echo", dann als freie Mitarbeiterin beim Bergsträßer Anzeiger und Südhessen Morgen. Spezialgebiet: Gerichtsreportagen; ansonsten alles was in einer Lokalredaktion anfällt: Vereine, kulturelle Veranstaltungen, Porträts. Mich interessieren Menschen und wie sie "ticken", woher sie kommen, was sie erreiche haben - oder auch nicht-, wohin sie wollen, ihre Vorlieben, Erfolge, Misserfolge, Wünschte etc.

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