Begegnungsfest

Der Bensheimer Weststadt neues Leben einhauchen

Das erste Stadtteilfest in der Laurentiuskirche lädt die Bewohner ein, ihre Ideen zur Zukunft des Viertels einzubringen. Doch das ist erst der Anfang.

Von 
Marvin Zubrod
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Zum Begegnungs- und Mitmachfest in der Laurentiuskirche waren Bewohner der gesamten Weststadt eingeladen. Sie waren aufgefordert, Ideen und Wünsche für ihr Stadtviertel zu äußern. © Thomas Neu

Bensheim. Ein Heißluftballon mit einer rot-gelb gestreiften Hülle fliegt über die Bensheimer Weststadt. Von oben blicken die zwei Gäste im Korb auf die Kirche der Evangelischen Stephanusgemeinde, auf Fahrräder, Autos und Straßen. Später schweift der Blick in Richtung Bahnhof, an dem gerade ein roter Zug der Deutschen Bahn vorbeituckert. Dann geht die Ballonfahrt weiter über die katholische Gemeinde Sankt Laurentius, in der Nähe toben Kinder auf einem Spielplatz, rennen auf einer grünen Wiese um die Wette und spielen Fußball. So liebevoll und voller Details ist das Bild der Bensheimer Weststadt auf einem großen Papierbanner gezeichnet. Zwischen den künstlerischen Details stehen in großen Buchstaben Wörter geschrieben wie „Begegnung“, „Beteiligung“ und „Teilhabe“. Schließlich soll das erste Bensheimer Quartiersfest an diesem Wochenende der Auftakt zu etwas Größerem sein.

Unter der Überschrift „Du, Ich, Alle – ein Platz in der Bensheimer Weststadt“ waren die Bewohner am Samstag erstmals eingeladen, sich auszutauschen und Ideen zur Gestaltung ihres Viertels einzubringen. Das Besondere dabei: Obwohl die Veranstaltung in der Kirche Sankt Laurentius der Pfarrei Heilig Geist an der Bergstraße stattfand, tummelten sich an diesem Nachmittag viele Besucher, die man sonst wohl nicht bei einem klassischen Gottesdienst sehen würde. Fast die ganze Religionsvielfalt der Weststadt war vertreten, Zugezogene wie Alteingesessene. Das galt auch für das Alter: Familien mit Kindern waren ebenso offen für Neues wie die Babyboomer und Millennials.

Dazu beigetragen hat nicht zuletzt das breit aufgestellte Organisationsteam: die Kirchengemeinden Stephanus und Laurentius, das Familienzentrum Bensheim, die Katholische junge Gemeinde (ein Jugendverband innerhalb der Gemeinde Laurentius), das Mehrgenerationenhaus des Caritas-Zentrum Franziskushaus und die Kindertagesstätte Sankt Winfried. Unterstützt wurde das Projekt zudem vom Programm „Partnerschaft für Demokratie“, für das sich die Stadt Bensheim bekanntlich erfolgreich beworben hat und das aus Bundesmitteln gefördert wird.

Beim Begegnungsfest in der Weststadt gab es zahlreiche Spiel- und Mitmachangeboten. Hier wurde vor der Kirche Spike Ball gespielt. © Thomas Neu

Das langfristige Ziel der Veranstaltung ist, die Bewohner in die Quartiersentwicklung der Weststadt mehr einzubeziehen, um gemeinsam dem Stadtteil neues Leben einzuhauchen. Der Auftakt am Samstag diente vor allem dazu, mehr über die Menschen im Quartier zu erfahren. An einer plakatgroßen Karte des Bensheimer Westens konnten die Gäste zum Beispiel ihren Wohnort mit einer Pinnwandnadel markieren. Das Resultat am späten Nachmittag zeigte: Von den Kappesgärten in der Nähe des Weiherhausstadions bis zur Werner-von-Siemens-Straße in der Nähe des Kinos war praktisch der gesamte „Stadtteil“ vertreten. Die Organisatoren hatten mit ihrem Öffentlichkeitsteam im Vorfeld also ganze Arbeit geleistet.

Beeindruckend war auch der Zeitstrahl, an dem die Gäste mittels kleiner bunter Punkte eintragen konnten, wie lange sie schon in der Weststadt leben. Von wenigen Monaten bis hin zu 60 Jahren und mehr waren auch hier alle Gruppen dabei. Für nicht wenige ist der Bensheimer Westen also längst zur Heimat geworden. „Mich freut es, wie gut die Veranstaltung angenommen wird und wie vielfältig das Publikum ist“, sagte Claudia Aßhauer von der Gemeinde Sankt Laurentius. „Das ist etwas, das ausbaufähig ist für die Zukunft der Weststadt.“

Kaffee und Kuchen gab es gegen eine kleine Spende

Zukunft war ein gutes Stichwort. Denn die Besucher hatten viele Ideen, die sie an der Station nebenan auf Zettel schrieben und an einer Wand befestigten. „Was fehlt in Bensheim-West?“, war die Frage – und Antworten gab es viele. Gleich mehrfach wurde der Wunsch nach einem Café geäußert, auch mit dem Hinweis, dass dies eines zum Treffen sein sollte. Also keines, wo nur konsumiert werden muss. Vielmehr wurde ein gemütlicher Treffpunkt zum Verweilen gefordert, gerne in der Nähe eines Kindergartens, wo sich mehrere Generationen treffen. Aber auch der Wunsch nach einem Bolzplatz im Süden der Weststadt war zu lesen. „Freier Zugang zu Sportstätten“, hieß es auf einem anderen Zettel, versehen mit dem Hinweis: „Weg mit den Zäunen.“ Manch anderer wollte es weniger sportlich angehen lassen und wünschte sich einen Biergarten. In eine ähnliche Richtung ging die Forderung nach einem „Stadtteilgarten“ und einer „grünen Oase“. Ruhe sollen auch mehr Tempo-30-Zonen bringen, so ein weiterer Wunsch.

Wer vom vielen Grübeln über die Zukunft des Quartiers eine Pause brauchte, konnte sich mit einer breiten Auswahl an Kuchen versorgen. Kaffee gab es selbstverständlich auch – und das alles gegen eine kleine Spende. Nicht nur deswegen war das erste Quartiersfest offen für alle Bewohner. Es gab ein buntes Programm, das viele ansprach. Die Kleinsten konnten sich unter anderem Luftballons in den verschiedensten Formen modellieren lassen. Auf einer „Menükarte“ standen kreative Modelle zur Auswahl wie Biene Maja, Papagei, Affe, Marienkäfer, Korallenfisch oder Dinosaurier. Zwei Helferinnen kreierten die Ballons dann mit viel Gefühl. Ein kleiner Knirps wartete geduldig und marschierte dann stolz mit seinem blauen Ritterschwert aus der Kirche nach draußen.

Der Spaß stand im Fokus

Dort gab es weitere Stationen zu entdecken. An einem Stand wurden Kürbisse geschnitzt und Kastanienmännchen gebastelt. An einer anderen Station duften die Kinder kleine Igel basteln. Erst wurde die braune Schablone in die richtige Form geschnitten, dann das Gesicht eingezeichnet und im Anschluss der sogenannte Pompon, ein aus Wolle bestehender Knäuel, auf die Schablone geklebt. Fertig war der kleine Igel.

Motorisches Feingefühl war auch beim Spikeball gefordert, einem Rückschlagspiel. Hierbei stehen sich zwei Doppel gegenüber, die den Ball auf die andere Seite spielen, indem sie diesen auf ein rundes, in die Mitte gespanntes Netz spielen, das wie ein Trampolin wirkt. Die Folge: Der Ball springt energievoll vom Netz auf die andere Seite, so dass der Gegner sich strecken muss, um diesen zu erreichen. Schafft er das nicht und der Ball springt auf den Boden, gibt es einen Punkt für das andere Doppel. Doch die Frage nach Sieg oder Niederlage war an diesem Samstag ohnehin überflüssig. Vielmehr ging es um Spaß und das gemeinsame Beisammensein, auch am gegenüberliegenden Tischkicker.

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Daher brauchte es nicht immer sportliche Aktivitäten. Am Stand des Caritas-Mehrgenerationenhauses malte Sozialarbeiterin Stefanie Frank mit viel Liebe zum Detail Glitzertattoos – und das nicht nur für die Kleinsten. Auch manch Erwachsener hatte Freude an der Kunst. „Die Glitzertattoos kommen immer gut an“, sagte Frank mit einem Lächeln im Gesicht.

An der letzten Station durften die Besucher dann ihre Gedanken über das Fest selbst loswerden. Manche hatten kleinen Herzen hinterlassen, andere gleich mehrere Sätze geschrieben. Was Worte und Zeichnungen einte, war der vielfach ausgesprochene Dank für die angenehmen Gespräche und das Gefühl, Teil eines großen, gemeinschaftlichen Projektes zu sein.

Schon am 30. Oktober (Donnerstag, 17.30 Uhr im Pfarrzentrum Sankt Laurentius) findet das nächste Treffen der Initiatoren statt, bei dem ausdrücklich alle Interessierten willkommen sind und weitere Möglichkeiten zur Beteiligung diskutiert werden sollen. Schließlich war das Fest nur ein Auftakt zum Kennenlernen, die Umsetzung der Ideen in Zusammenarbeit mit der Stadt steht noch aus. Doch wer sich am Samstag mit den vielen interessierten Bewohnern unterhielt, hatte keinen Zweifel daran, dass dem Quartier bald neues Leben eingehaucht wird. Die Gestaltung des Bensheimer Westens hat gerade erst begonnen.

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