Bensheim. Die Alte Feuerwache im Museum ist ein wunderbar multifunktionaler Raum – hier können neben Vorträgen und museumspädagogischen Angeboten unter anderem auch Vernissagenfeiern veranstaltet werden. Doch nicht zum ersten Mal quoll die Feuerwache am Donnerstagabend geradezu über. 80 Zuhörerinnen und Zuhörer fanden auf den eng gestellten Stühlen im Innenraum Platz, alle anderen stauten sich stehend im Raum und auf dem Bürgersteig vor der Tür oder traten enttäuscht den Heimweg an.
Referentin des Abends war Stadtarchivleiterin Claudia Sosniak, ihr Thema: „Der Baßmannpark – ein vergessenes Kleinod in Bensheim“. Unter den Gästen begrüßte Museumsleiter Jan Christoph Breitwieser auch Vertreter der Stadt, wie die Erste Stadträtin und Baudezernentin Nicole Rauber-Jung und den Leiter des Eigenbetriebs Stadtkultur Thomas Herborn.
„Der Baßmannpark wurde für mich zum Thema des Jahres“, schilderte Claudia Sosniak ihre immer stärkere Faszination für ein Thema, das ihr zu Beginn selbst fast unbekannt war. Als es galt, Texte für eine (inzwischen errichtete) Infotafel am Park zu erarbeiten, kam auch der Anstoß für den Vortrag im Museum. Doch gab es erstaunlicherweise fast keine früheren Aufsätze, auf die eine Recherche hätte aufbauen können.
Fündig wurde die Archivleiterin nur in einem Text von Bensheims erstem Heimatforscher Joseph Heckler, der im Jahr 1856 auf eine Rechnung aus dem Jahr 1617 gestoßen war, in der ein Lorscher Forstmeister Matthes Baßmann genannt wird. Heckler glaubte, hier auf den Namensgeber der Bensheimer Grünanlage „Am Baßmann“ gestoßen zu sein, die im Übrigen samt einem Baßmannbrünnchen seit 25 Jahren verfallen sei. Jedoch gab es eigentlich keine Verbindung dieses Forstmeisters zu Bensheim, so dass Hecklers Schluss vielleicht voreilig war.
Durchaus in Bensheim nachweisbar, so Claudia Sosniak, ist nämlich ein 1640 in Heidelberg geborener Christoffel Nicolas Baßmann, der 1666 eine reiche Bensheimer Witwe heiratete und dem 1668 der Rang eines Bürgers der Stadt zugesprochen wurde. Von 1671 bis 1673 wurde er sogar Gemeindebürgermeister wie der verstorbene Ehemann seiner Frau, ein Eisenkrämer Schramm. Als Dalberger Schaffner, Zeuge bei Grenzsteinsetzungen und Traubenbeschauer hatte Baßmann weitere wichtige Funktionen der Stadtgesellschaft inne. Doch findet sich nach dem Jahr 1690 kein ihn oder seine Familie betreffender Eintrag mehr in den Kirchenbüchern der Stadt, die er demnach wohl irgendwann verlassen hat.
Wann wurde die Grünanlage angelegt?
Der Name Baßmann taucht dennoch 1750 als Gewannbezeichnung auf, die 1823 auch im Grundbuch beschrieben wird und die heutige Flur 11 bezeichnet. Bis heute erhalten hat sich aber der „Baßmannweg“ als offizieller Name für den Verbindungsweg von der Konrad-Adenauer-Straße Richtung Knodener Höhenweg.
Doch wann wurde die von Heckler als vernachlässigt beklagte Grünanlage angelegt? Nachgewiesen werden kann nur, dass das Gelände um das Jahr 1800 eine gepflegte Anlage war. Heckler kam dann auf den Gedanken, sie als Badeanlage zu ertüchtigen. Daraus wurde nichts, aber da 1856 bis 1858 nach drei sehr regenarmen Jahren die Bensheimer Brunnen austrockneten, wurde auch das Gelände des heutigen Baßmannparks für die städtische Wasserversorgung erschlossen, wovon noch eine 1977 eingestürzte Brunnenkammer zeugt.
Für die Gestaltung des Parks wurde die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts wichtig. 1857/58 kaufte der wegen Schulden aus seiner Heimat geflohene schottische Adlige Thomas Abercrumbie Scott-Duff die beiden Bensheimer Mühlen Heinz-Mühle und Scola-Mühle und errichtete hier durch Umbau und Abriss den Schönhof (heute Thermoplast-Gelände) mit, so wird berichtet, einer terrassenförmigen Gartenanlage und einem – nicht nachgewiesenen – Pavillon. Der schottische Adlige war offenbar in Bensheim hochwillkommen, ließ doch die Stadt zu seinem 56. Geburtstag Kanonen abfeuern, wobei leider ein Bürger tödlich verletzt wurde.
Obwohl es oft so behauptet wird, war Abercrumbie Scott-Duff wohl kaum der Schöpfer des Baßmannparks, starb er doch schon 1862, wie die Referentin erklärte. Anders als in der Denkmaltopografie des Kreises Bergstraße verzeichnet, war auch nicht der Wormser Textilfabrikant Wilhelm Valckenberg der Erbauer des unterhalb des Baßmannparks liegenden Villenanwesens, das heute als Katharinenstift bekannt ist.
Beides, Park und Villa, gehen nach den Forschungen von Claudia Sosniak auf den wohlhabenden Frankfurter Juristen Friedrich Borgnis zurück, der Scott-Duffs Anwesen 1883 kaufte. Bis 1893 lebte Borgnis in Bensheim und schuf sich hier einen repräsentativen Sitz, so wie sein Vater, ein Bankier und Juwelenhändler, es gut 20 Jahr zuvor in Königstein am Taunus getan hatte, wo es noch heute den Borgnis-Park als Teil des Kurgartens gibt.
Anfang der 1890er Jahre kaufte Wilhelm Josef Dieudonné Valckenbergs Villa samt Landschaftspark als Sommersitz. Er gab dem Besitz zu Ehren seiner Frau den Namen „Amalienhof“ und stattete ihn weiter aus, unter anderem beauftragte er Heinrich Metzendorf mit dem Bau der Park und Villa verbindenden Brücke und des in Bensheim besser als „Blaues Türmchen“ bekannten Aussichtsturms Luginsland, der 1910 fertig wurde. Nach Valckenbergs Tod erwarb das Seraphische Liebeswerk in den 1930er Jahren das gesamte, etwa 100 000 Quadratmeter große Anwesen.
1971 bis 1974 finanzierten Land, Kreis und Stadt gemeinsam einen Gestaltungsplan (Kosten damals 19 400 DM), um ein Naherholungsgebiet für die Bürger der Stadt zu schaffen. Dabei tauchte 1974 auch erstmals der Name „Baßmannpark“ auf. 1987 gab es drei weitere landschaftsplanerische Vorschläge, unter denen sich die Stadt für die Variante „Ruhige Erholung und Biotopschutz“ entschied. 1991 kaufte die Stadt das samt Brücke und Luginsland 80 000 Quadratmeter umfassende Areal für 238 905 DM. 1998 erfolgten auf einen Antrag der Grünen Liste Bensheim Teilmaßnahmen zur Sanierung, unter anderem wurden einzelne Solitärbäume freigestellt und 2001 durch Bürgermeister Georg Stolle ein Ginkgobaum gepflanzt, der in Deutschland damals zum „Baum des Jahrtausends“ erklärt worden war.
Führung im Baßmannpark am 12. Oktober
Während bei dem Vortrag der Film von einem Drohnenflug die Inaugenscheinnahme vor Ort ersetzte, gibt es am 12. Oktober eine Führung durch Philipp Steinbacher, der als Mitarbeiter der Stadt den Park in seiner heutigen Form wie aktuell wohl kein Zweiter kennt und die außergewöhnlichen Bäume vorstellen wird. Treffpunkt ist um 10 Uhr der Parkplatz hinter dem Gebäude der Firma Thermoplast.
Doch auch bei diesem Termin wird wohl ein Geheimnis nicht gelöst werden können, nämlich, was es mit der Grotte oben im Park auf sich hat. Es gibt bisher keine Quellen dazu. In der Fragerunde nach dem Vortrag wusste ein Teilnehmer aber, dass die früher dort aufgestellte große, weiße Madonnenfigur heute in Österreich zu finden sei. Nicole Rauber-Jung wies auf die seit einiger Zeit im Park aufgestellten Wellenbänke hin, die zu den einzelnen Maßnahmen gehörten, die dem Park nur nach und nach zugutekommen könnten, weil mehr finanziell nicht zu stemmen sei. Hingewiesen wurde auch auf den in Bensheim bekannten Kapuziner-Pater Otto, der sich in den letzten Kriegstagen in einer Höhle des Parks vor der Verfolgung der Nazis versteckt hatte. Später wurde ein Teil des Parks als Sportplatz für die Schüler des Fideliskollegs der Kapuziner genutzt.
Ausführlich nachzulesen sein wird die Geschichte des Baßmannparks in den „Geschichtsblättern des Kreises Bergstraße“, die im November erscheinen.
Die nächsten Veranstaltungen im Museum: Nach der laufenden Ausstellung mit Scherenschnitten von Sonja Yakovleva wird am 22. November die Ausstellung mit Gemälden von Ruprecht von Kaufmann eröffnet. Nur einen Tag zuvor gibt es den nächsten Vortrag in der Alten Feuerwache: Am 21. November referiert Landesarchäologe Thomas Becker über Bemerkenswertes aus Hessens Geschichte.
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