Michaelskirche

Bach und frühere Klangwelten in der Bensheimer Michaelskirche

Von 
Klaus Ross
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Organist Martin Lücker spielte beim Eröffnungskonzert der Bensheimer Orgelwochen in der Michaelskirche. © Thomas Zelinger

Bensheim. Zum Auftakt der 24. Bensheimer Orgelwochen konnte der neue Kantor Christian Mause mit dem ehemaligen Frankfurter Orgelprofessor Martin Lücker seinen wohl prägendsten Lehrer in der Michaelskirche begrüßen. Besondere Wertschätzung genießt der gebürtige Westfale (Jahrgang 1953) nicht zuletzt dank seiner bereits seit 1983 in der Katharinenkirche veranstalteten Reihe „30 Minuten Orgelmusik“, deren 3813. Konzert noch wenige Stunden vor dem Bensheimer Gastspiel stattgefunden hatte.

Die klug durchdachte und daher stets bestens anregende Vielfalt dieser singulären Reihe spiegelte sich auch in Lückers aktuellem Orgelwochenprogramm, in dem fünf C-Dur-Kompositionen von Johann Sebastian Bach auf weithin unbekannte Werke europäischer Meister der Renaissance und des Frühbarocks trafen. So wurde das Konzert für die gut 60 Besucher zu einer veritablen Entdeckungsreise, vorbildlich unterstützt durch gewohnt informative Programmtexte des höchst kommunikativen Organisten.

Lückers kundige Raritätenauswahl machte eindrucksvoll erlebbar, welch aparte Klangwelten das allzu oft vernachlässigte Orgelrepertoire vor Bach bietet. Dies galt schon für die von zwei legendären blinden Virtuosen stammenden frühesten Stücke: „Mit ganzem Willen“ (1452) des lange in München wirkenden Nürnbergers Conrad Paumann und besonders „Maria zart von edler Art“ (1512) des Heidelbergers Arnolt Schlick standen exemplarisch für den wegweisenden Rang der vorbarocken deutschen Orgelmusik. Nach Italien blickte Lücker mit der festlichen Hymne „Salve Virgo“ (1523) des primär in Venedig hervorgetretenen Bolognesers Marco Antonio Cavazzoni.

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red
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Frankreich war wie Deutschland zweifach vertreten: Sowohl die anrührend schlichten „Versetten zum Kyrie“ (1531) von Pierre Attaingnant (einem der bedeutendsten Musikverleger seiner Zeit) als auch der süffig gesteigerte Adventschoral „Conditor alme Siderum“ (1623) von Jean Titelouze (45 Jahre Domorganist in Rouen) bezeugten die starke vokale Inspiration dieser beiden Meister. Wie bunt und frisch gerade das englische Renaissance-Repertoire daherkommt, zeigte Lücker dann noch mit zwei eingängigen tänzerischen Miniaturen und erst recht mit dem verblüffend modern tönenden Kabinettstück „Upon la mi re“ – allesamt aus anonymer Feder.

Als Bach-Interpret ist Lücker ausweislich von mittlerweile drei Frankfurter Gesamtaufführungen an jeweils 17 Abenden ohnehin eine herausragende Größe. C-Dur-Reichtum in allen Schattierungen verströmte seine Bensheimer Fünferkollektion, die mit der Fantasie BWV 570 und dem Präludium-Fuge-Gespann BWV 531 auch zwei besonders lohnende Frühwerke des damaligen Teenagers parat hielt.

Den reifen Bach verkörperten dagegen das von Hermann Keller stimmig ergänzte Fantasie-Fragment BWV 573, der ideal konzerteröffnende Präludium-Fuge-Hit BWV 545 und das wahrhaft programmkrönende Prachtstück BWV 564 mit seiner in den Ecksätzen Toccata und Fuge schier ansteckenden Spielfreude.

Dem entsprechend begeisterten Schlussbeifall ließ Martin Lücker als Zugabe noch das erquickende G-Dur-Juwel „Herr Jesu Christ, dich zu uns wend“ BWV 655 aus den späten Leipziger Chorälen folgen.

Freier Autor Besprechung klassischer Konzertveranstaltungen seit über drei Jahrzehnten (darunter als Schwerpunkte das umfangreiche regionale Kirchenmusikangebot sowie die renommierten Kammermusikreihen der Kunstfreunde Bensheim und von Forum Kultur Heppenheim)

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