Bensheim. Gezählt um die 350 Gäste drängten sich am Samstagabend im Forum – das ist selbst für die stets sehr gut besuchten Vernissagen des Bensheimer Museums eine außergewöhnlich hohe Zahl. Jan Christoph Breitwieser ist es wieder einmal gelungen, einen Star der Kunstszene nach Bensheim zu bringen: Neo Rauch gilt als einer der gefragtesten deutschen Künstler der Gegenwart.
Die Freude, mit „Neo Rauch – Im Papiergrund“ ein absolutes Highlight im Kulturleben der Stadt eröffnen zu können, war der Bürgermeisterin Christine Klein deutlich anzumerken. Sie dankte dem Museumsleiter, dem es dank seines Engagements, seiner guten Verbindungen und seines großen Netzwerks immer wieder gelinge, bedeutende Künstler nach Bensheim zu holen, und erinnerte an ein Lob der FAZ, die das hiesige Museum als „kleines, sehr feines Haus“ bezeichnet hatte.
Künstler Neo Rauch: „Nebenflüsse sind viel schöner als das große Kanalsystem“
Doch was bewegt einen so namhaften und international bekannten Künstler in einer kleinen Stadt wie Bensheim auszustellen? „Ich fahre gern mit dem Paddelboot“, sagte Neo Rauch im Rahmen der Eröffnung, nachdem er die kleineren, beschaulicheren Orte mit Nebenflüssen verglichen hatte, die viel schöner seien als das große Kanalsystem.
Bensheim sei eine weitere Perle auf einer Kette von solchen Orten, in denen er gern ausstelle, weil sie eine gewisse Wärme zurückspielten. In Bensheim war Neo Rauch im Übrigen nicht zum ersten Mal: Seine Frau Rosa Loy hatte im vergangenen Jahr eine Gemeinschaftsausstellung mit der weltbekannten britischen Künstlerin Rose Wylie im Bensheimer Museum.
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Ermöglicht wurde die aktuelle Ausstellung durch die finanzielle Förderung der Sparkasse Bensheim, des Hessischen Museumsverbands und der Stadtkultur Bensheim, aber auch durch die Unterstützung durch die Galeristen des Künstlers, die bei der Ausstellung ebenfalls anwesend waren. Jan Christoph Breitwieser dankte ihnen allen bei der Vernissage und begrüßte auch mehrere seiner Kollegen und Kolleginnen unter den Gästen.
Im öffentlichen Gespräch mit Neo Rauch führte er dann in die chronologisch gehängte Ausstellung ein. Die Bedeutung einiger im ersten der insgesamt drei Räume gezeigten stark abstrahierter Arbeiten der frühen 1990er Jahre erklärte der Künstler als „Versuchung, ein moderner Künstler zu sein“. Er erinnerte an die damalige Tendenz der ostdeutschen Künstler, sich weg von der bis dahin betriebenen figurativen Malerei zu bewegen.
Im Museum in Bensheim sind die Arbeiten des Künstlers zu sehen
Für ihn selbst sei das in einen „Zustand des von mir fortgerissen Seins“ gemündet, der durch Reisen und die Begegnung mit der Malerei Giottos in Italien beendet und wieder hin zum Figurativen geführt worden sei.
In Bensheim sind ausschließlich Arbeiten auf Papier zu sehen – Ölmalerei ebenso wie Zeichnungen mit Tusche, Bleistift oder Kugelschreiber. Neben sechs rund 2,50 Meter hohen Großformaten, für die der Maler bekannt ist, sind es viele kleinere Arbeiten – von der nebenbei entstandenen Telefonkritzelei bis zur durchgearbeiteten Komposition. Mit diesen selten gezeigten Zeichnungen und Malereien bietet sich dem Betrachter eine besonders intime Gelegenheit, in die Gedankenwelt des Künstlers einzutauchen.
Dabei unterscheidet sich die Arbeitsweise der kleinen von den großen Formaten nicht wesentlich, erklärte der Künstler, der immer gleich viel Wert auf die Ausarbeitung der Charaktere legt, die den Betrachter von der Fläche her ansprechen müssten: „Sie müssen lebensfähig sein, im Großen wie im Kleinen.“
Träume und das Unterbewusstsein spielen eine Rolle, auch zufällige Anregungen wie Farbreste auf dem Fußboden. Solche Fügungen greift der Künstler freudig auf wie die Fingerübungen beim Telefonieren oder anderswo nebenbei, die nicht gemacht, sondern einfach entstanden sind – „auf das Papier gekrabbelt“. Auf vielen Bildern sieht man Schriftzüge, Buchstaben, die wie Fragmente eines längeren Wortes wirken, wie Zitate oder manchmal wie ein lapidarer Titel. Für den Künstler sind diese typografischen Elemente eine Metaebene, die ebenso für Verwirrung wie für Erklärung sorgen kann.
Es sind räumlich nicht definierbare Träume, sogar Alpträume, die Neo Rauch aufs Papier gebracht hat, häufig in industriell geprägtem Ambiente, mit anachronistisch gekleidetem Personal und grotesken Körperauswüchsen, Arrangements bar jeder Logik, die beim Betrachter oszillierende Gedankengänge anregen, sobald er sich auf das ebenso rätselhafte wie oft auch düstere Spiel einlässt.
Über die Öffnungszeiten der Ausstellung von Neo Rauch in Bensheim
Neo Rauch, 1960 in Leipzig geboren, studierte an der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst Malerei, zunächst bei Arno Rink, danach bis 1990 als Meisterschüler bei Bernhard Heisig. Von 1993 bis 1998 arbeitete er als Assistent von Arno Rink an der Leipziger Akademie, später als Hochschullehrer und Honorarprofessor. 1993 begann Rauchs rege internationale Ausstellungstätigkeit mit Institutionen wie der Albertina Wien, dem Metropolitan Museum of Art in New York oder dem National Art Museum of China.
„Neo Rauch – Im Papiergrund“ ist noch bis zum 1. September im Museum Bensheim zu folgenden Öffnungszeiten zu sehen: donnerstags, 15 bis 20 Uhr, freitags, 15 bis 18 Uhr sowie samstags und sonntags von 11 bis 18 Uhr. Es gibt auch einen Katalog zur Ausstellung.
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