Zwingenberg. Wer die Vernissage verpasst hat, hat noch bis einschließlich Sonntag, 28. Juli, Gelegenheit, einen aufschlussreichen Blick in die Zwingenberger Vergangenheit zu werfen. Samstags und sonntags, jeweils von 14 bis 17 Uhr, sind in der Remise am ehemaligen Amtsgericht Bilder von Ludwig März zu sehen, die der in Bensheim geborene, aber in Zwingenberg aufgewachsene Fotograf vor rund 30 Jahren und in der jüngsten Vergangenheit gemacht hat. Die Ausstellung „Zwingenberg gestern und heute“ wurde von der Stadt im Rahmen der Feierlichkeiten zum 750-jährigen Stadtjubiläum organisiert und am Freitagnachmittag eröffnet.
Alte Postkarten und neue Fotosin Zwingenberg
Es war der Tag des Viertelfinalspiels Spanien gegen Deutschland und diesem Anlass entsprechend kam der Bürgermeister mit einem Fußball unterm Arm zur Eröffnungsrede. In einem lockeren Interview über die Hintergründe der Ausstellung spielten sich Holger Habich und Ludwig März dann gegenseitig den Ball zu. Kernstück der aktuellen Ausstellung ist eine Zusammenstellung, die genau so schon vor 35 Jahren in der Zwingenberger Sparkasse gezeigt wurde, erzählte März. Es sind Paarungen von um das Jahr 1900 aufgenommenen Postkarten von Zwingenberg und deren aktualisierte Version. Denn die Motive hat der Fotograf in den Jahren 1988 und 1989 neu aufgenommen, indem er exakt den Standort der Postkarten-Fotografen einnahm.
Konstanz im Stadtbild über viele Jahrzehnte bewahrt
Allein, dass das fast immer gelungen ist, spricht für die Konstanz im Stadtbild, die sich Zwingenberg über die Jahrzehnte bewahrt hat. Auf die Idee sei er gekommen, sagte März, als er damals Aufsicht im Museum in der Scheuergasse hatte und in der Postkartensammlung des Geschichtsvereins stöberte. Dass die Postkartenverlage so viele Motive aus Zwingenberg für darstellungswürdig gehalten hatten, habe ihn beeindruckt und zu seiner Neuauflage der Motive im großen Format angeregt. Manches allerdings sei nicht zu wiederholen gewesen. Dazu gehört der Blick auf die Bergstraße von der Tuchbleiche neben dem Sportplatz aus, wo inzwischen Häuser gebaut waren.
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Alle Motive hat März zwei oder drei Wochen vor der aktuellen Ausstellung erneut fotografiert. Als Endlosschleife laufen sie jetzt über einen Bildschirm, der in der Remise aufgestellt ist. Doch auch schon vor einiger Zeit ist Ludwig März mit seiner Kamera durch Zwingenberg gegangen. Diese Fotos wurden zu einem Bildband, der 2021 vom Geschichtsverein herausgegeben wurde, und der in der Ausstellung sowohl zu betrachten als auch zu erwerben ist.
So können die Besucher ausgiebige Vergleiche anstellen, was sich an ganz konkreten Orten in den letzten 125 Jahren verändert hat. Es sei sehr viel grüner geworden, viele Motive seien mit den Jahren regelrecht zugewachsen, meint der Fotograf selbst. Vom Bürgermeister befragt, was die Zwingenberger Ansichten heute für ihn bedeuten, sagte März: „Zwingenberg ist immer noch schön. Besser sein könnte es aber zum Beispiel am Marktplatz, wo zu viele Autos parken. Das ist in Bensheim, Heppenheim oder Weinheim besser gelungen“.
Eine fesselnde Zeitreise in Bildern
Wer einen Besuch in der Remise plant, sollte etwas Zeit mitbringen. Die Fotos ziehen den Betrachter in den Bann und die Faszination der Zeitreise fesselt die Aufmerksamkeit. Dass die Handabzüge von 1989 sich im Original so gut erhalten haben, dass man ihnen den Zahn der Zeit nicht ansieht, spricht für deren fotografische Qualität, ebenso wie die Exaktheit, mit der der Fotograf den jeweiligen Aufnahmewinkel der Fotos nachgestellt hat.
Es scheint fast, als könne man die Fotos passgenau übereinanderlegen. Bei vielen Motiven, etwa von der Einmündung der Alsbacher Straße, dem Aufgang zur Bergkirche oder dem Blick von oben auf den Marktplatz, glaubt man, es würde genügen, ein paar Schilder und Antennen zu entfernen und die Autos umzuparken, dann sähe es genauso aus wie früher.
Auf den zweiten Blick allerdings stellt man doch manch gravierende Veränderung fest. Am deutlichsten ist sicher die Zunahme der Bebauung in der Ebene, wo nicht nur seit dem 19. Jahrhundert, sondern auch in jüngster Zeit noch manches Neubaugebiet hinzugekommen ist.
Ludwig März stammt aus einem bekannten Zwingenberger Malerbetrieb, übernahm das elterliche Geschäft nach seiner Lehrzeit jedoch nicht, sondern arbeitete als freier Fotograf. Meilensteine seiner künstlerischen Entwicklung waren Aufenthalte in Südamerika, Assistenzen bei verschiedenen Fotografen und ein Gaststudium an der Hochschule Darmstadt. 1984 machte er sich selbständig und baute 1986 sein eigenes Studio aus. Er fotografiert nicht nur zum Broterwerb, sondern auch ehrenamtlich – unter anderem für die Kalender zugunsten der Bolivienhilfe Inti Runa.
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