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Architekt Ludwig Keßler hat das Bensheimer Stadtbild geprägt

Keßler hat berühmte Bauwerke in der Stadt erschaffen. Nun widmet sich eine Ausstellung dem Schaffen des Architekten.

Von 
Marvin Zubrod
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Im Bensheimer Museum wurde die Ausstellung „Ludwig Keßler – Zwischen Historismus und Landhausarchitektur“ eröffnet. © Dirk Zengel

Bensheim. Er gehört zu den prägendsten Architekten der Bensheimer Geschichte und doch hütet er einige Geheimnisse: Die Rede ist von Ludwig Keßler. Bis heute gibt es einige Stationen in seinem Leben, die sich nicht mehr nachvollziehen lassen. Doch das Stadtarchiv Bensheim um Claudia Sosniak und das Museum um Leiter Jan Christoph Breitwieser haben in den vergangenen Monaten das Leben des Architekten erforscht, um sein Schaffen zu würdigen. Am Donnerstagabend eröffneten sie die Ausstellung „Ludwig Keßler – Zwischen Historismus und Landhausarchitektur“ im Museum am Marktplatz.

Seit September 2014 ist der Nachlass des Architekturbüros Oswald Sudheimer, das Nachfolgebüro von Ludwig und Sohn Heinz Keßler, als Dauerleihgabe im Stadtarchiv Bensheim. In den vergangenen Jahren wurde der umfangreiche Bestand gesichtet, teilweise digitalisiert und verzeichnet. Doch die aktuellen Forschungserkenntnisse über Ludwig Keßler widmen sich nicht nur seinem architektonischen Werk, sondern auch ihm als Person. Was aus den Ausführungen Sosniaks deutlich wurde: Keßler muss ein Schlitzohr gewesen sein. Schon in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts waren ihm Marketingmaßnahmen wohl nicht fremd. Denn als Keßler als Architekt arbeitete, nannte er sich plötzlich „Kessler“. So zeigt es eine Anzeige im Adressbuch Bensheim von 1928. Aus dem „scharfen S“ war ein Doppel-S geworden. Vermutlich, weil sich solch eine Schreibweise besser verkaufte, wie Archivarin Sosniak vermutete.

Mit viel Detailversessenheit hat sie das Leben des Architekten nachgezeichnet, machte aber immer wieder deutlich, wo Forschung an ihre Grenzen stößt. So geht aus den Unterlagen hervor, dass Keßler etwa im Jahr 1925 ein Haus an der Darmstädter Straße kaufte, das als Architekturbüro und Zuhause diente. Zuvor – es gibt in den Unterlagen eine Lücke zwischen 1917 und 1925 – könnte er womöglich an der Moltkestraße sein Zuhause gehabt haben, so eine Vermutung. Sosniak macht aber immer wieder klar, dass einiges nur Spekulation ist. „Vieles wissen wir nicht.“

Den Beruf selbst übte Keßler aber wohl schon mindestens seit 1901 aus, wie aus der Heiratsurkunde hervorgeht. Auch ist nicht klar, wann genau der im Jahr 1875 in Lorsch geborene Keßler nach Bensheim kam. Die Forscher gehen davon aus, dass er mindestens seit 1899 in Bensheim gelebt haben muss, weil er seitdem als Lehrkraft an der Gewerbeschule gemeldet war, der heutigen Hemsbergschule. Von 1920 bis 1932 wirkte er dann als sogenannter Gewerbelehrer an der Gewerbeschule, zwischen 1932 und 1934 war Keßler sogar Rektor der Berufsschule. 1934, wenige Monate nach der Machtergreifung der NSDAP, wurde er in den Ruhestand versetzt, denn er hatte das „falsche Parteibuch“: Keßler war in den Zwanzigerjahren Stadtverordneter in Bensheim für die Zentrumspartei.

Keßler blieb traditionsverbunden und lokal verwurzelt

Doch die Jahre zuvor hatten dem Architekten gereicht, um das Stadtbild für die nachfolgenden Generationen zu bereichern. Dabei changierte Keßler zwischen Historismus und Landhausstil. „Viele Häuser von ihm haben keinen einheitlichen Stil“, erläuterte Museumschef Breitwieser. Orientierung fand Keßler an der Landhausarchitektur Heinrich Metzendorfs, die sich durch große Dächer und eine naturnahe Umgebung auszeichnete. „Der Berg fließt durch die Häuser durch“, sagte Breitwieser über diesen Stil. Charakteristisch war für Keßler die Verbindung aus handwerklicher Ehrlichkeit, klar gegliederten Baukörpern und einer zurückhaltenden, oft nur dezent ornamentierten Fassadensprache.

Wer an diesem Abend durch die Räume des Museums schreitet, sieht viele Bilder von bekannten Häusern. Da ist zum Beispiel eine Villa an der Wilhelmstraße mit einer schlichten Fassade, dafür aber einem großen Dachvolumen. Im Gegensatz zu den Brüdern Metzendorf, die ihre Architektursprache programmatisch weiterentwickelten, blieb Keßler traditionsverbundener und lokal verwurzelt. Ein Haus aus der Alsbacher Straße in Zwingenberg hat es trotzdem in die Ausstellung geschafft. Es dürfte um das Jahr 1905 entstanden sein und zeichnet sich noch heute durch ein steiles Satteldach aus – Kopfstoßgefahr!

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Ein fachkundiger Zuschauer wies in der Diskussion mit Blick auf die Zahl der Bauprojekte darauf hin, dass Keßler ein fleißiger Architekt gewesen sein müsse. Insgesamt finden sich im Stadtarchiv 166 verzeichnete Mappen, die Keßler zuzuordnen sind. Zu seinen wichtigsten Werken zählten Villen an der Moltkestraße aus den Jahren 1904 und 1905, der Darmstädter Straße (1904/05) und der Ernst-Ludwig-Straße (1906). Zudem begleitet Keßlers Architektur bis heute Tausende Schülerinnen. Denn die 1907 gebaute Brücke an der Liebfrauenschule stammt ebenfalls von ihm. Womit Keßler bis heute das Stadtbild in Bensheim prägt. Umso erstaunlicher ist, dass nicht ganz klar ist, wo sich der renommierte Architekt sein Wissen angeeignet hat. In der Volkskartei war zwar ein Hochschulabschluss eingetragen, aber wo genau er diesen erlangt hat? Das ist unklar. Viel Dokumentationsmaterial aus Ludwigshafen, wo er als junger Erwachsener gelebt hatte, wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört. Keßler könnte, vereinfacht gesagt, ein studierter Techniker gewesen sein.

Geblieben ist sein architektonisches Schaffen, das nach seinem Tod im Jahr 1943 zunächst von seinem Sohn Heinz fortgeführt wurde. Dessen Wirken ist heute kaum erforscht, weshalb das Museum Bensheim mit dem Stadtarchiv für nächstes Jahr im Herbst eine Ausstellung zu Heinz Keßler plant. Die aktuelle Ausstellung im Museum kann noch fünf lang Wochen besucht werden. Und danach? Können die Besucher einfach mal durch Bensheim streifen. Also dorthin gehen, wo die Architektur vergangener Tage blüht.

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