Bensheim. Nicht nur zu Fuß, sondern auch mit dem Bus stößt man auf dem Weg von Bensheim nach Auerbach auf den schönen Namen „Malepartus“. So heißen eine direkt an der Ortsteilgrenze liegende Gaststätte und die nach ihr benannte Bushaltestelle, die manchmal auch als „Scheffelstraße“ bezeichnet wird. Der merkwürdige Name geht auf die mittelalterliche Fabel vom „Reineke Fuchs“ zurück, in der so die Burg des listigen Fuchses bezeichnet wird. Wollte man versuchen, es aus dem Lateinischen wörtlich zu übersetzen, würde es sich um eine ziemlich negative Bedeutung handeln – etwa als sinnbildlicher „Geburtsort des Bösen“. Doch so war es sicher nicht gedacht, als der Name für die Gaststätte mit Fremdenzimmern ausgesucht wurde.
Das Anfang des Jahres 1950 eröffnete Haus erhielt immerhin einen traditionsreichen Namen, der seit dem 19. Jahrhundert gern für Weinstuben, Gasthäuser und Pensionen verwendet wurde, die in ihrer Werbung oft das Bild eines Fuchses einsetzten - auch in Bensheim ziert noch heute ein Fuchs das Schild des Restaurants. Was den Erbauer und Betreiber Gerhard Josef Krings aber letztlich zu dieser Wahl bewegt hat, ist wohl nicht mehr zu ermitteln. Als Name war bei der Beantragung der Betriebserlaubnis jedenfalls noch „Gaststätte Krings“ angegeben. Aber schon die frühesten Fotos im Archiv der Stadt Bensheim zeigen den Namenszug „Malepartus“ als große Leuchtschrift auf dem Dach des Gebäudes und auch auf einem an der Straße angebrachten Hinweisschild.
Seit der Einweihung hat sich nicht viel geändert
Diese Fotos zeigen auch eine ganze Reihe von recht luxuriösen Autos, darunter mehrere Cabriolets, die vor der Gaststätte parken. Noch heute befinden sich direkt vor der Terrasse des Restaurants mehrere Parkplätze. Sogar die Bushaltestelle ist noch da, wo sie schon Anfang der 1950er Jahre war.
An der Gesamtanlage mit der vorgelagerten Terrasse und dem großen Gastraum hat sich seit der Einweihung nicht viel geändert, das zeigt auch ein Blick auf die in der Nachkriegszeit von dem damals vielbeschäftigen Bensheimer Architekten Karl Schmidt angefertigten Pläne. Nach der Eröffnung entwickelte sich das Haus schnell zur gefragten Adresse – sowohl für die Einheimischen als auch für den Tourismus: Die Gaststätte lag wie ein Rasthaus direkt an der Bundesstraße und verfügte auch über Fremdenzimmer. Insbesondere die Obstblüte zog im Frühling viele Ausflügler an die Bergstraße. Auf den ersten Fotos von der Gaststätte fallen einige Modelle noch aus den 1930er-Jahren auf, aber auch schon Neuwagen aus der Nachkriegsproduktion. Heute würde man den Parkplatz wohl eher hinter das Haus legen, damals fand man es vielleicht eher angemessen, direkt bei den Fahrzeugen zu sitzen, weil man stolz auf sein Statussymbol war – 1949/50 kam ein Auto auf 100 Einwohner.
Nach Ende des Krieges war es schwierig eine geeignete Gaststätte zu finden
Doch innerhalb der nächsten fünf Jahre vervierfachte sich die Zahl der Autos. Denn die wirtschaftliche Erholung nahm Fahrt auf und auch der „Malepartus“ legte davon Zeugnis ab. Der Inhaber Gerhard Josef Krings wollte sich hier eine neue Existenz aufbauen. Er war der 1908 geborene Sohn des Konditormeisters Josef Krings, der 1929 mit der Familie aus dem Ruhrgebiet nach Bensheim gekommen war, um bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs das beliebte Hotel „Deutsches Haus“ in Bensheim zu betreiben. Dort hatte auch der Sohn Gerhard Josef, ein ausgebildeter Küchenmeister, zunächst gearbeitet, bis er sich ab 1937 bis 1945 als Kantinenpächter beim Kavallerieregiment 6 in Darmstadt selbstständig machte.
Nach Ende des Kriegs war es offenbar nicht einfach, eine geeignete Gaststätte zu finden, die man wieder eröffnen konnte. Vater Josef Krings fragte schon im Juli 1945 beim Landrat in Heppenheim nach geeigneten Objekten – dort verwies man ihn zunächst auf den „Löwen“ in Zwingenberg, jedoch arbeitete dort damals die amerikanische Militärbehörde.
Neukonzessionen verschärften den Existenzkampf
Es geht aus den Dokumenten, die im Hessischen Staatsarchiv in Darmstadt erhalten sind, nicht ausdrücklich hervor, ob Vater und Sohn dann gemeinsam den Plan eines Neubaus fassten. Die Konzession jedenfalls nennt nur den Namen des Sohnes, der für sich und seine Ehefrau unter anderem einen Berufs- und Ausbildungsnachweis, Auszüge aus dem Strafregister und die Beurteilung durch die Spruchkammer zur Entnazifizierung vorlegen musste. Außerdem ging es darum zu prüfen, ob es überhaupt Bedarf für eine neue Gaststätte gab. Konkurrenzbetriebe lagen in Auerbach 500 und 700 Meter, in Bensheim etwa einen Kilometer entfernt. Die „Gaststätte Krings“ wurde nicht in ein bestehendes, geschlossenes Wohngebiet gebaut. Zwar gab es an der Darmstädter Straße einige Villen der Jahrhundertwende, doch waren die meisten Straßen östlich der Bundesstraße hier erst in Planung. Das heute dicht bebaute Areal rund um das neue Lokal war damals noch Brachland und Gärten.
Trotzdem gab es Einspruch: Der Verband Hessen der Hotels, Gaststätten und verwandten Betriebe, Zweigstelle Bergstraße schrieb, jede Neukonzession verschärfe den Existenzkampf und die Notlage der vorhandenen Betriebe und forderte die Ablehnung des Antrags. Im Januar 1949 wurde die Erlaubnis durch die Stadt Bensheim dennoch erteilt – die Sitzung der Gemeindevertreter hatte im Oktober 1948 den Antrag befürwortet.
Der „Malepartus“ wurde zum renommierten Speiselokal, das später auch noch mit einer inzwischen nicht mehr vorhandenen Kegelbahn versehen wurde. Auch ein Erweiterungsbau wurde noch in den 1950er Jahren geplant: Ein Anbau auf der Nordseite, etwa doppelt so lang wie das bestehende Gebäude, sollte den „Malepartus“ zum Hotel machen. Daraus wurde nichts, wie man an der bis heute kaum veränderten Gesamtanlage erkennt. 1965 wurde der „Malepartus“ an die Guntrum-Brauerei verkauft. Bis heute wird das Haus von wechselnden, jedoch meist langjährigen Inhabern als Speisegaststätte betrieben.
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