Bensheim. Ein modriger Geruch hängt in der Luft, offene Kabel ragen aus den Wänden, und in einigen Räumen zeichnet sich schwarzer Schimmel ab: Wer dieser Tage durch die Flure des alten Hospitals geht, bekommt den Eindruck eines seit Jahren verlassenen Ortes. Trotz der abgeschlossenen Entrümpelung stapeln sich noch Krankenhausbetten in mehreren Räumen, in der Küche steht der alte Gas-Wasser-Herd wie ein Relikt aus vergangenen Jahrzehnten. Rund 50.000 Euro hat die Stiftung Heilig-Geist-Hospital für die Entrümpelung aufgewendet – ein erster Schritt, um das marode Gebäude wieder ins Gespräch für mögliche Investoren zu bringen.
Vom Armenhaus zum Krankenhaus
Die Geschichte des Hospitals reicht weit zurück. Bereits im 9. Jahrhundert ist hier ein Pilgerhospiz belegt, 1321 eine Hospitalkirche. Über Jahrhunderte war das Spital weniger eine Stätte der Heilung als vielmehr ein Armen- und Altenhaus, in dem Pilger, Bedürftige und Pflegebedürftige Aufnahme fanden. Erst im 19. Jahrhundert änderte sich das: Mit dem Bau des Haupthauses von 1812 und dem medizinischen Fortschritt wurde das Hospital zunehmend zu einer Klinik. Bis in die 1960er Jahre blieb es eine Doppelnutzung – Krankenhaus und Altenheim zugleich, betrieben von Ordensschwestern, die im Geiste der Nächstenliebe Kranke und Bedürftige versorgten.
Nach Jahrhunderten der Nutzung steht der Gebäudekomplex seit 2008 leer. Lediglich die Bensheimer Tafel nutzte bis 2016 Teile des Erdgeschosses. Schnell wurde klar: Ein Umbau für soziale Zwecke oder zur Flüchtlingsunterbringung sei nicht realistisch, das Gebäude sei zu marode.
Gescheiterte Pläne für barrierefreies Wohnen
Die Stiftung Heilig-Geist-Hospital wollte gemeinsam mit dem Bistum Mainz das Gelände neu entwickeln. Geplant waren 68 bis 71 barrierefreie Wohnungen mit betreutem Wohnen, Caritas-Sozialstation und Café. Schon 2016/2017 waren die Pläne den Bürgern präsentiert worden – mit überwiegend positiver Resonanz. Doch die Denkmalpflege stoppte das Vorhaben. Der Mittelbau von 1812 müsse erhalten bleiben.
Damit geriet das Projekt ins Stocken. Zwar sagte das Bistum Ende 2017 noch 16 Millionen Euro Unterstützung zu, stieg jedoch 2019 wieder aus. Die Stiftung sprach von einem „wirtschaftlichen Desaster“. Unter dem Mittelbau liegt ein alter Gewölbekeller, der den Bau einer Tiefgarage unmöglich machte. Damit war die Wirtschaftlichkeit stark eingeschränkt. 2021 war das Projekt endgültig vom Tisch. Stiftungsvorstände sprachen von einer „Blockade mit bitteren Folgen“ und warfen der Denkmalpflege vor, die Bedarfe der Stadtgesellschaft nicht wahrzunehmen.
Während die Planungen stagnierten, verschlechterte sich die Substanz. Eine Begehung im Februar 2025 offenbarte den dramatischen Verfall: herabgekommene Decken, Schimmel, Moos in den Fluren, Wasserlachen in Zimmern, alte Betten und verstaubte Geräte. Spuren von Obdachlosen – Matratzen, Kleidung, leere Flaschen – zeigten, dass das Gebäude zeitweise als Zuflucht genutzt wurde. Auch Vandalismus ist bis heute ein Problem. Gleich am Eingang signalisiert ein Vorhängeschloss, dass das Gebäude vor unbefugtem Zutritt geschützt werden muss.
Teilerhalt und neue Perspektiven
Inzwischen wurde mit der Denkmalpflege eine Lösung gefunden. Der Mittelbau bleibt, die Außenflügel können abgerissen werden. Damit ist eine wichtige Weiche gestellt, doch die Zukunft bleibt offen. Eine Machbarkeitsstudie soll nun klären: Welche Nutzungsmöglichkeiten gibt es für das alte Hospital? Welche Ziele sollen verfolgt werden? Welche Fördermittel können beantragt werden? Und was ist baulich und wirtschaftlich machbar?
Stiftungsvorstand Norbert Löw brachte im Vorfeld des jüngsten Bauausschusses die Idee eines Ärztehauses mit mehreren Fachrichtungen ins Gespräch. Im vergangenen März wurde außerdem diskutiert, ob das Gebäude langfristig als Stadtbibliothek genutzt werden könnte. Auch gewerbliche Modelle stehen im Raum. Sicher ist nur: Konkrete Umsetzungen werden nicht in einem Jahr geschehen, doch ohne Plan lässt sich keine Zukunft gestalten.
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