Bensheim. Endlich verstehen können, was auf dem Zettel vom Arzt, der Schule oder vom Amt steht oder auch, was der Text in der SMS bedeutet – für die Teilnehmerinnen des Alphabetisierungskurses ist dies ein unfassbar großes Glück. Dankbar sind sie am Tag der Zertifikatsübergabe, sie können auch hier lesen, was auf dem Papier steht. Das war zu Beginn des Kurses, im Dezember 2021, noch nicht möglich.
14 Kursteilnehmerinnen haben beim Caritasverband Darmstadt über zwei Jahre den Alphabetisierungskurs besucht. Weite Wege haben die Frauen hinter sich, die sich in diesem Kurs getroffen haben, und das in mehrfacher Hinsicht. Zum einen kommen sie aus Afghanistan, Äthiopien, Irak, Marokko, Somalia Syrien und der Türkei, zum anderen war es auch ein weiter Weg, durch Fleiß und Ehrgeiz sich durch neun Bücher durchzuarbeiten.
Trotz Familie, trotz Geburten, trotz Trennungen und trotz Trauerfall – jede der 14 Frauen ist auch bei privaten Hürden ihren Weg weitergegangen. Alle sind daher unglaublich stolz, die Lehrerin Olga Weller, die Koordinatorin Stefanie Eckel, Johanna Leichtweiß, die die Frauen sozialpädagogisch betreute, die Kinderbetreuerin Agnieszka Maria Fritsch und die Frauen selbst.
Zum Team zusammengewachsen
In den zwei Jahren sind alle zu einem Team zusammengewachsen. Unter den Frauen sind Freundschaften über die Nationalitäten hinaus entstanden. „Es war ein Mit- und kein Nebeneinander“, so Stefanie Eckel. „Auch eine Teilnehmerin mit einer Lese- und Schreibschwäche wurde von der Gruppe gut aufgefangen.“ Die Treffen fanden an drei Tagen in der Woche in der Pfarrgemeinde Heilig Kreuz in Bensheim-Auerbach statt. Über Bensheim hinaus kamen die Frauen mit ihren Kindern, die professionell versorgt wurden, so dass die Frauen den Kopf zum Lernen frei hatten, aus Heppenheim, Bickenbach und Einhausen.
Insbesondere die Frauen aus Bensheim nutzten das Begegnungscafé donnerstags im Mehrgenerationenhaus, um mit ehrenamtlichen Begleitern an ihrer Seite Hausaufgaben zu machen und Fragen zu klären.
Alle Frauen waren sehr ehrgeizig und so hat der Kurs Ergebnisse über dem Bundesdurchschnitt erzielt. Zehn Frauen haben das Ziel, das Sprachniveau A 2 zu bestehen, erreicht, fünf davon haben sogar den Test für B 1 bestanden. Die Frauen, die in ihren Herkunftsländern meist nur zwei bis drei Jahre die Schule besucht haben, erleben eine neue, nie gekannte, Unabhängigkeit, seitdem sie selbst lesen und schreiben können. Die Caritasmitarbeiterinnen des Migrationsdienstes schauen nun individuell, wie sie die Frauen weiter unterstützen können, beraten auch gemeinsam mit dem Jobcenter und zeigen neue Chancen auf. So gibt es bereits zwei Frauen, die ihren Weg nun im Qualifizierungsprojekt der Caritas gehen werden. Zwei Teilnehmerinnen, die ganz knapp nicht bestanden haben, haben gute Chancen für den nächsten Kurs.
Die Kinderbetreuung ist auch weiter gesichert. Ab 2024 wird sie über Bundesmittel und Mittel aus dem ESF (Europäischer Sozialfonds) finanziert. Dabei gab es eine weitere Erfolgsgeschichte noch nebenbei, denn die Kinderbetreuerin Agnieszka Maria Fritsch hat in der Zeit ihre Zusatzqualifikation zur Tagesmutter abgeschlossen.
Auch wenn mach eine Frau nun wegen der Kinder erstmal pausieren wird, so sind alle gestärkt. Sie haben an Selbstvertrauen gewonnen, sind mutiger geworden.
Das Zertifikat Integrationskurs ist für die Aufenthaltsverfestigung in Form einer Niederlassungserlaubnis und zur Einbürgerung zwingend erforderlich. Alle Frauen, die für sich einen Hilfebedarf sehen, können sich gerne beim Migrationsdienst unverbindlich informieren. red
URL dieses Artikels:
https://www.bergstraesser-anzeiger.de/orte/bensheim_artikel,-bensheim-als-erwachsene-lesen-und-schreiben-lernen-_arid,2177623.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.bergstraesser-anzeiger.de/orte/bensheim.html