Bensheim. Er wirkte nur eineinhalb Jahre in Bensheim. Aber als Kaplan hat Albert „Abbé“ Münch seine Spuren hinterlassen, Courage bewiesen, Haltung gezeigt, nachhaltige und wertvolle Erinnerungen geschaffen. Im Alter von 27 Jahren kam er im Februar 1932 in die Stadt, begeisterte mit seinem Charisma – und setzte den Nationalsozialisten seine Überzeugungen und christlichen Werte entgegen. Er blieb standhaft, ließ sich nicht einschüchtern, war den lokalen NS-Größen vor allem mit seiner Jugendarbeit ein Dorn im Auge.
Im August 1933 zwangen ihn die Nazis, Bensheim zu verlassen. Sein Abschied kam einem Triumphzug gleich, 4000 Menschen sollen die Straßen gesäumt und ihn auf den Schultern zur Stadtgrenze getragen haben.
Im Neubaugebiet auf dem ehemaligen Euler-Gelände erinnert nun 90 Jahre später ein Platz an den Priester, der mutig den Nationalsozialisten getrotzt hat. Am Montag wurde das Schild feierlich enthüllt, der kleine Festakt bildete zudem den Abschluss der Arbeiten auf dem früheren Firmen-Areal.
Antrag schon im Januar 2008
Eine spontane Eingebung war die Benennung der zentral am Meerbach gelegenen Fläche nicht. Die damalige Grüne Liste Bensheim hatte schon im Januar 2008 in einem Schreiben an den Ältestenrat vorgeschlagen, eine Straße oder einen Platz nach Münch zu benennen. Auslöser war eine Abitur-Arbeit von Franziska Götz, der Tochter des Grünen-Kommunalpolitikers Thomas Götz. Der Beschluss von Ortsbeirat und Stadtverordnetenversammlung erfolgte schließlich 2012.
Das Andenken an den beliebten Kaplan festzuhalten – das war auch das Anliegen einiger Mitglieder der Bensheimer Kolpingsfamilie. Drei Jahre lang arbeiteten sie an einer umfangreichen Dokumentation über Albert Münch, die 2012 in Buchform erschien.
Im Jahr 2008 organisierten die Gemeinde Sankt Georg und die Kolpingsfamilie bereits eine Gedenkfeier zum 75. Jahrestag von Münchs Zwangsabschied aus Bensheim. Aus dieser Veranstaltung heraus entstand der Wunsch, eine Gedenkschrift zu verfassen. Kolpingbruder Herbert Samstag, dessen Vater Abbé Münch persönlich gekannt hatte, bat die Geschwister-Scholl-Schule um Mitarbeit bei der Recherche.
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Schulseelsorger Manfred Forell war damals sofort von der Idee begeistert. Den Initiatoren, zu denen neben Herbert Samstag auch Manfred Röhrig und Karl-Heinz Roth gehören, ging es nicht nur darum, überlieferte Geschichten von Zeitzeugen aufzuschreiben, sondern die Geschehnisse besonders der Jahre 1932 und 1933 anhand von Dokumenten, Briefen und Zeitungsartikeln nachzuzeichnen. Auch aus dieser Gruppe kam der Wunsch, eine Straße oder einen Platz nach Münch zu benennen.
„Wir haben in allen möglichen Archiven geforscht und haben seine Lebensgeschichte aufgeschrieben“, blickte am Montag Manfred Forell zurück. Er ließ in seiner kurzen Ansprache auch den damaligen Kaplan und späteren Pfarrer zu Wort kommen. „Wir wussten, wo unsere Füße zu stehen hatten. Wir waren Menschen, die gläubig waren, für die der Herrgott überhaupt kein Problem war, sondern eine Selbstverständlichkeit. Der Glaube war uns eine Sicherheit.“
Nach Rom geflohen
Forell skizzierte Begebenheiten aus der Zeit Münchs in Bensheim, die belegen, wie er mit der Katholischen Jugend den Protest und den Widerstand gegen die Nazis organisierte. „Diese waren damals so zahlreich, dass die Nazis dagegen wie ein mickriger Haufen wirkten“, so der frühere Schulseelsorger.
Doch die Anzeigen der lokalen Nazis gegen Münch mehrten sich. Werner Best, ein ehemaliger Schulkamerad Münchs, eingefleischter Nationalsozialist und späterer Darmstädter Polizeipräsidenten konnte ihn lange schützen. Als sich die Situation zuspitzte, er bat das Ordinariat in Mainz um eine Versetzung des Geistlichen – um den politischen Frieden in Bensheim wahren zu können. Kurz nach seinem Weggang wurde die weitere Tätigkeit katholischer Jugendgruppen in Bensheim verboten. Münch wurde zunächst nach Alzey und dann nach Offenbach versetzt.
Immer wieder predigte er öffentlich über die Machenschaften des NS-Regimes und nahm sogar eine Gefängnisstrafe in Kauf. Kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs kam er 1939 durch die Hilfe von Werner Best nach Rom. Den Kontakt nach Bensheim verlor Münch nie - bis zu seinem Tod am 21. August 1980.
In einer kurzen Ansprache würdigte auch Bürgermeisterin Christine Klein den Kaplan. „Meist ist es guter Brauch, Plätzen einen Namen zu geben, der mit der örtlichen Geschichte eng verbunden ist. Das ist auch hier so. Und wie ich finde: Die Verantwortlichen, die sich auf Initiative von Herbert Samstag bereits 2012 über die Benennung entschieden haben, haben eine ausgezeichnete Wahl getroffen.“
Die offizielle Einweihung und Benennung dieses Platzes im Gedenken an Abbé Münch sei daher ein starkes Zeichen seiner Anerkennung als Vorbild. Und ein wichtiges Zeichen gegen das Vergessen für die jetzige und künftige Generation der Bensheimerinnen und Bensheimer. Die Namensgebung stehe mit viel Symbolkraft für das Gute der Menschen.
Pfarrer Christian Stamm hatte zur Segnung (neben Weihwasser) zwei Bibelstellen mitgebracht. Im Psalm 1 ginge es darum, dass man sich gegen das Böse und für das Gute und für die Menschen entscheiden könne. Und im 1. Petrusbrief steht unter anderem das Mitgefühl, die geschwisterliche Liebe, Barmherzigkeit und die Suche nach Frieden im Mittelpunkt.
Der Bensheimer Pfarrer brachte im Gebet seine Hoffnung zum Ausdruck, dass der Platz zur Kommunikation, zu friedlichen Begegnungen genutzt werde - und zum Einstehen für Menschenwürde. Ganz im Sinne von Dr. Albert Münch.
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