Bundesbauministerin Klara Geywitz will die Landlust fördern und so den Wohnungsmangel in den Ballungsgebieten angehen. Rein rechnerisch drängt sich diese Idee geradezu auf. Der Wohnungsnot in vielen Städten steht anderswo ein Überangebot an Wohnungen gegenüber. Doch so einfach ist die Rechnung in der Praxis natürlich nicht. Es gibt ja Gründe für die Anziehungskraft der großen Zentren und für die Abwanderung in manchen ländlichen Gebieten.
Bis in die 1990er Jahre hinein galten gleichwertige Lebensbedingungen in allen Teilen des Landes als erstrebenswert. Von diesem Ziel hat sich die Politik damals verabschiedet, mit mitunter gravierenden Folgen für die strukturschwachen Regionen. Um sie wiederzubeleben braucht es mehr als die Möglichkeit zum Homeoffice, die räumlich flexibles Arbeiten ermöglicht. Es braucht eine gute Infrastruktur – von der Verkehrsanbindung über Kitas und eine ortsnahe Gesundheitsversorgung bis hin zu kulturellen Angeboten. Solange es hier große Defizite gibt, sind die Chancen auf nennenswerte Umzüge aus der Stadt heraus unrealistisch.
Man darf daher gespannt sein, was die Ministerin sich einfallen lässt, um die Landlust durch Verbesserungen auf diesen Gebieten zu vergrößern.
Es gibt ja bereits kleine und mittlere Städte, in die Städter drängen. Sie zeichnen sich vor allem durch günstigen Wohnraum und eine gute Verkehrsanbindung in die großen Zentren aus. Dabei ist mancherorts längst schon eine Kehrseite zu beobachten. Die Nachfrage nach Wohnraum durch finanziell vergleichsweise gut gestellte Städter bewirkt eine Verdrängung der angestammten Mieter. Entsprechend unerwünscht sind die Binnenwanderer dort inzwischen. Es lohnt, über den Vorschlag der Ministerin nachzudenken. Ihre Rechnung hat jedoch noch zu viele Unbekannte.
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Bergsträßer Anzeiger Plus-Artikel Zu viele Unbekannte
Wolfgang Mulke zur Wohnraumstrategie der Bundesregierung