Welch ein Absturz! Nur Sahra Wagenknecht ist im aktuellen Politbarometer noch unbeliebter als Wirtschaftsminister Robert Habeck. Der frühere Posterboy der Grünen bekommt in der Umfrage der Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen die Quittung für den Murks, den er beim Heizungsgesetz angerichtet hat. Aber auch die Vetternwirtschaft in seinem Haus hat den Ansehensverlust beschleunigt. Die Mehrheit der Deutschen findet inzwischen, dass Habeck seinen Job als Wirtschaftsminister schlecht erledigt – vor acht Monaten war es noch umgekehrt.
Dass Habecks tiefer Fall auch auf seine Partei ausstrahlt, ist kein Wunder: Die Grünen liegen nur noch bei 16 Prozent. Da ist es für sie nur ein schwacher Trost, dass auch die SPD weit von ihrem Wahlergebnis von 2021 entfernt ist. Von der Union ganz zu schweigen, die nach dem Abgang Angela Merkels umfragemäßig nicht an die früheren Zeiten anknüpfen kann.
Es muss den Grünen zu denken geben, dass ihre Optionen schwinden, je stärker sie abrutschen.
Natürlich kann bis zur Bundestagswahl 2025 viel passieren, aber es muss den Grünen zu denken geben, dass ihre Optionen schwinden, je stärker sie abrutschen. Die Ampel hat schon vor Monaten die Mehrheit in den Umfragen verloren. Auch für Schwarz-Grün reicht es nicht mehr. Und die Aussicht auf Jamaika ist kein politisches Traumziel der Grünen.
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Das kann den Grünen nicht gefallen, denn ihre Ansprüche sind in den vergangenen Jahren stark gestiegen. 2017 wären sie noch heilfroh gewesen, wenn es mit der Jamaika-Koalition geklappt hätte. Vier Jahre später wollte die Partei nicht nur als Mehrheitsbeschafferin an die Regierung, sondern gab den Einzug ins Kanzleramt als Ziel aus. Das war damals kein Größenwahn, wenige Monate vor der Bundestagswahl belegten die Grünen im Politbarometer mit 25 Prozent kurze Zeit sogar den ersten Platz. Der Rest ist Geschichte. Für den damaligen Absturz war Annalena Baerbock verantwortlich, deren amateurhafte Fehler (seltsamer Lebenslauf, Plagiatsvorwürfe) zu einem dramatischen Ansehensverlust führten. Die Kanzlerkandidatin riss ihre Partei mit nach unten.
Der Preis für den Eintritt in die Ampel-Koalition aus einer schwachen Position heraus war für die Grünen sehr hoch: Sie mussten die meisten Kompromisse schlucken. Flüssiggas bei den autokratischen Scheichs einkaufen, eine längere Laufzeit der Atomkraftwerke hinnehmen. Das war nicht gerade gut für das Image als Klimapartei Nummer eins. Es hat den Grünen aber insofern geholfen, als dass sie ihre Kompromissbereitschaft und -fähigkeit beweisen konnten. Es ist bestimmt kein Zufall, dass die FDP, deren Finanzminister Christian Lindner alles ablehnt, was nicht in sein Weltbild passt, nur noch bei der Hardcore-Anhängerschaft der FDP punkten kann.
Der Staat kann nicht weiter Unsummen bereitstellen, um die Verteilungskämpfe abzumildern.
Doch inzwischen erschweren auch die ökonomischen Folgen des Ukraine-Kriegs die Klimapolitik. Das Gebräu aus viel Inflation und hohen Zinsen stößt vielen Menschen bitter auf. Aber der Staat kann nicht weiter Unsummen bereitstellen, um die Verteilungskämpfe abzumildern.
Vor diesem Hintergrund sind die Grünen mit ihrem neuen Heizungsgesetz ein hohes Risiko eingegangen. Ihre Vorstellung, dass das Wirtschaftsministerium in aller Ruhe die Details eines Gesetzes ausarbeiten kann, das Millionen Menschen betrifft, hat sich als naiv erwiesen. Die Opposition und die FDP – sie verhält sich in der Koalition so, dass man keine Feinde mehr braucht – spielen da nicht mit und wollen das Vorhaben zu Fall bringen. Das können die Grünen nicht zulassen. Habeck muss jetzt liefern und sein Projekt retten, sonst wird das nichts mit dem Klimaschutz. Dass die Details noch nicht stimmen, hat Habeck inzwischen eingesehen. Aber auch die Kompromissbereitschaft hat ihre Grenzen. Immerhin findet die Mehrheit der Wählerschaft das Heizungsgesetz im Prinzip gut.
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Bergsträßer Anzeiger Plus-Artikel Kommentar Robert Habeck stürzt im Politbarometer tief ab
Der Wirtschaftsminister bekommt die Quittung für das im Detail unausgegorene Heizungsgesetz. Robert Habeck muss nachbessern, meint unser Kommentator Walter Serif