Reden, reden, reden

Julia Emmrich ist der Meinung, es gibt viele Stellschrauben, um den AfD-Erfolg bei Jungwählern wieder umzukehren

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Julia Emmrich
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Rechtssein war mal radikal, dann wurde es vermeintlich cool, jetzt ist es für viele normal: Das kann man, das muss man sogar brandgefährlich finden – in vielen Teilen Ostdeutschlands ist es aber vor allem Alltag. Wer noch immer glaubt, dass Jungsein und Linkssein automatisch zusammengehören – in Ostdeutschland gilt das schon lange nicht mehr. Und: Es wird sich so schnell auch nicht wieder ändern.

In der Altersgruppe zwischen 16 und 24 haben in Brandenburg und Sachsen 31Prozent die AfD gewählt. In Thüringen waren es in der Gruppe zwischen 18 und 24 Jahren sogar 38 Prozent. In allen drei Ländern ist der Zuwachs für die AfD unter den Jungwählern gegenüber der Wahl vor fünf Jahren enorm. Die extrem Rechten sind in den drei Ländern heute mit großem Abstand die beliebteste Partei bei jungen Wählerinnen und Wählern.

„Die Zukunft ist blau – im Osten und überall.“ So klingt jetzt das Triumphgeheul der AfD. Es steckt leider ein wahrer Kern drin. Wenn sich der Trend fortsetzt, wenn ein Jungwählerjahrgang nach dem anderen kommt und jeder noch etwas mehr rechts tickt als seine Vorgänger, dann kann man sich ausrechnen, welche Farbe in Zukunft dominiert.

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Hinzu kommt: Es gibt viele Stellschrauben, um den Trend auch wieder umzukehren. Dazu muss man aber erst mal wissen, warum Rechtssein für viele Jugendliche und junge Erwachsene gerade so attraktiv ist.

Erstens: Die AfD bespielt die Smartphones. So wie die NSDAP aggressiv auf den Rundfunk als neues Medium setzte und damit die Konkurrenz technologisch abhängte, rollt die AfD ihre Kampagne seit Jahren höchst erfolgreich über Tiktok und Co. aus.

Zweitens: Die Rechten bieten die perfekte Mischung aus Rebellion und Dazugehörigkeitsgefühl. Es ist ein Wohlfühlangebot für junge Sinnsucher: klare Feindbilder, fertige Playlists – und der Nervenkitzel, wenn man mit der Hakenkreuzfahne durch die Straße läuft. Dazugehörigkeit ist generell ein Riesenthema dieser Generation: In Ostdeutschland beobachten gerade viele verwundert, dass auch Jugendliche, die sich selbst nicht als rechts bezeichnen würden, den „Osten“ als Identifikationsraum wieder cool finden.

Drittens: Die AfD und ihre Jugendverbände sind da, wo andere nicht mehr sind – in den Dörfern, in den kleinen Städten, wo nach Schulschluss die große Langeweile herrscht.

Viertens: Die AfD löst kein Störgefühl mehr aus. Früher, so sagt es eine Lehrerin in der ostdeutschen Provinz, lief das so: Ein Schüler malt ein Hakenkreuz, der Lehrer informiert die Eltern, der Schüler kriegt Ärger. Heute sagen die Eltern: „Hakenkreuz? Wo ist das Problem?“ Rechtssein als Alltagskultur ist mittlerweile in der zweiten Generation angekommen.

Fünftens: Die AfD reagiert mit einfachen Antworten auf reale Ängste. Die Angst, sich das Leben nicht leisten zu können. Oder auch die Angst, beim Nachhauseweg aus dem Club abgezogen, bedroht oder überfallen zu werden.

Was also ist zu tun? Das Ziel: Rechtssein muss wieder uncool werden. Ein Weg dahin führt über gute Autoritäten: In jedem Betrieb, in jedem Sportverein, in jeder Schule gibt es Leute, die vorleben, dass es coolere Haltungen gibt als dumpfen Hass. Und dann: Reden, reden, reden. Die AfD darf Kümmern nicht zum Monopol machen.

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