Kommentar Marlene Engelhorn - ein Vorbild für die Gesellschaft

Die Reichen und Superreichen werden immer reicher. Ganz anders verhält sich die Aktivistin Marlene Engelhorn. Sie verschenkt ihr Millionen-Erbe und setzt damit ein Zeichen, kommentiert Walter Serif

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Walter Serif
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In Österreich gibt es keine Vermögen- und Erbschaftsteuer. In Deutschland wurde die Vermögensteuer schon 1997 ausgesetzt und bei Erbschaften ist das Steueraufkommen lächerlich gering verglichen mit den Riesensummen, die Jahr für Jahr verschenkt oder vererbt werden.

Die Aktivistin Marlene Engelhorn kämpft deshalb seit Jahren für mehr Steuergerechtigkeit. Mit dieser politischen Agenda hätte sie normalerweise nicht einmal in ihrer Heimat Österreich für Aufsehen gesorgt. Schon gar nicht hätte sich die Presse aus aller Welt bei ihr gemeldet. Die Faszination, die von Marlene Engelhorn ausgeht, hat einen besonderen Grund: Während die meisten von Reichtum nur träumen können, hat die 32-Jährige einen Großteil ihres Erbes verschenkt, das ihr die steinreiche Mannheimer Familie Engelhorn vermacht hat. Marlene Engelhorn hat sich zwar nicht von ihr, aber von deren Geld losgesagt. Sie will lieber ein normales Leben führen und pfeift auf ein Vermögen, das sie per Geburt in eine Machtposition erhoben hat, die Engelhorn für undemokratisch hält.

Vor diesem Hintergrund ist das Experiment mit dem Bürgerrat, der die Verteilung ihres Erbes jetzt geregelt hat, in seiner Art einzigartig. 50 Menschen im Alter von 17 bis 85 Jahren haben gemeinsam und ohne Streit entschieden, wie sie im kleinen Österreich wenigstens für ein bisschen mehr Gerechtigkeit sorgen können. Die Empfängerliste ist lang und reicht vom Naturschutzbund bis zum Frauenhaus.

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Natürlich könnte man kritisch einwenden, dass das alles ja nur ein Tropfen auf dem heißen Stein ist. Doch das wäre falsch. Der Bürgerrat hat nicht nur Geld verteilt, sondern einen Weckruf an uns alle gerichtet. Und der ist auch nötig. Offensichtlich gibt es in Österreich und Deutschland keine Bereitschaft, etwas an der ungerechten Vermögensverteilung zu ändern. Während die Reichen immer reicher werden – klingt platt, ist aber leider so – diskriminiert die Gesellschaft lieber Menschen, die auf der sozialen Leiter eher unten stehen.

Politikerinnen und Politiker streiten über die Höhe des Bürgergelds und erwecken den Eindruck, die Empfänger seien Sozialschmarotzer. Und der Stammtisch stimmt in diesen Chor ein, obwohl dort auch Menschen sitzen, die vielleicht selbst mal Hilfe brauchen, wenn sie in Not geraten. Darüber können sich die Reichen und Superreichen freuen: Obwohl die Finanzmittel knapp sind, bleiben sie verschont. Die Rechnung muss dann die Allgemeinheit begleichen, weil es leider zu wenige Menschen von der Sorte Marlene Engelhorns gibt.

Redaktion Reporter für Politik und Wirtschaft

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