Arbeitsplätze schaffen, ansässigen Betrieben Erweiterungsmöglichkeiten bieten und die Finanzkraft der Stadt stärken, das waren die Hauptgründe, um im Jahr 2000 das Daubhart-Gelände auch für die Ansiedlung größerer Betriebe zu bewerben. Die Grundstücke wurden verkauft, nicht ohne einige Diskussionen darüber, ob das Ackerland tatsächlich großflächig bebaut werden soll. Das 30 Hektar umfassende Areal im Lorscher Norden mit direktem Autobahnanschluss entwickelt sich in den Folgejahren zum größten Lorscher Gewerbegebiet. Unter anderem hat dort Alnatura das zur Bauzeit weltweit größte Hochregallager aus Holz errichtet. Auch ein Möbelhaus, Supermärkte und mehrere auch international tätige Unternehmen siedeln sich an.
Eine beliebte Zuzugskommune war Lorsch 2000 auch für Neubürger schon. Auf das, was viele junge Familien benötigen, die keine Großmutter mitbringen oder nebenan wohnen haben, war die Stadt damals allerdings schlecht vorbereitet: Bei Angeboten zur Kinderbetreuung wurde Lorsch als „Schlusslicht in Südhessen“ gebrandmarkt. So hieß es aufrüttelnd bei einer gut besuchten Veranstaltung der in 2000 gegründeten Lorscher „Interessengemeinschaft berufstätiger Eltern“, die Abhilfe forderte und etwas bewegte.
Unvorstellbar für viele heutige Familien: 2000 gibt es für Kinder unter drei Jahren keine einzige Krippe in Lorsch, für Kindergartenkinder nur wenige Betreuungsplätze über die Mittagszeit hinaus und für Schulkinder keine Betreuung länger als bis 13 Uhr. Wie soll es für Eltern da möglich sein, einem Beruf nachzugehen? Vor allem für Familien mit mehreren Kindern war das kaum realisierbar, auch Home Office war noch nicht erfunden – und von so langen Ferien wie Schulkinder können die meisten Mütter und Väter nur träumen, also forderten sie auch Ferienbetreuung. Eltern, die arbeiten gehen, sind auch wirtschaftlich interessant: als Steuerzahler und Konsumenten.
Neuer Slogan: Sag Ja zu Lorsch
„Sag Ja zu Lorsch“ lautete der neue Slogan, mit dem die Wirtschaftsvereinigung Lorscher Einzelhandel mit dem damaligen Vorsitzenden Udo Teligmann im Jahr 2000 dafür wirbt, am Ort einzukaufen. Ein rotes Herz ziert den Schriftzug. Auch der Gewerbeverein ist mit im Boot. Er gestaltete zum Johannisfest eine große Gewerbeschau unter dem neuen Motto und gibt in einem Zelt auf dem Festplatz einen Eindruck von der Leistungskraft in Lorsch.
Der Appell an die Lorscher, ihr Geld möglichst nicht unbedacht andernorts auszugeben, sondern die lokale Wirtschaft zu berücksichtigen, findet sich auch in der Debatte über die Ansiedlung neuer Einkaufsmärkte. Unter anderem wünscht man sich in Lorsch einen Aldi-Markt, auch ein Lidl-Discounter wäre willkommen, vor allem nachdem der Edeka-Markt in der Hirschstraße Anfang 2000 geschlossen hat.
Der Magistrat erinnerte daran, dass ein Gutachten zunächst die Folgen neuer Standorte ermittelt, auch damit sich Verbrauchermärkte nicht zum Schaden des Ortszentrums Konkurrenz machen. „Wir haben noch eine intakte Innenstadt“, unterstreicht Bürgermeister Klaus Jäger. Zu einem Lidl in der Viehweide kommt es zwar nicht, Aldi aber eröffnet später in der Dieterswiese.
Für jede Menge Diskussionsstoff sorgte der geplante Bau eines Altenwohn- und -pflegeheims. Es sollte auf dem Festplatz unterhalb der Klostermauer errichtet werden. Kritiker wie etwa auch die Schlösserverwaltung finden es keine gute Idee, dem Investor dort 5000 Quadratmeter in Erbpacht zu überlassen.
Festplatz bleibt Festplatz
Auch immer mehr Lorscher sehen es mit Sorge, ein solches Filetstück aus der Hand zu geben. Im Jahr 2000 platzt das Vorhaben, vor allem deshalb, weil der Investor Fristen zum Baustart nicht nur einmal verstreichen lässt. Nun kann sich auch Lorsch zurückziehen. Es gelingt dem Lorscher Bürgermeister, den Investor vom „besseren Bauplatz“ an der Mannheimer Straße zu überzeugen. Der Karolingerplatz wird als unbebautes Festplatz-Areal gerettet.
URL dieses Artikels:
https://www.bergstraesser-anzeiger.de/meinung/kommentare_artikel,-kommentar-bei-der-kinderbetreuung-war-lorsch-schlusslicht-in-suedhessen-_arid,2321391.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.bergstraesser-anzeiger.de/orte/lorsch.html