Zeitzeichen

Passgenauigkeit ist gefragt

Dass etwas passe, lässt sich in verschiedenen Kontexten sagen, in dem der Kleidung wie des Befindens. Wie die persönliche Fitness sich dazu verhält, erklärt unser Kolumnist

Von 
Thomas Groß
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Seit einiger Zeit erhält man von Menschen, die man nach dem allgemeinen Befinden befragt, öfter mal die saloppe, knappe Antwort: „Passt“. Zumal dann, wenn der Zusatz „schon“ – also „passt schon“ – erfolgt, sieht man sich in der Vermutung bestätigt, dass die bayerisch-gemütliche Befindlichkeitsformel „basst scho“ hier eine gesamtdeutsche Ausdehnung erfahren hat. Und diese wiederum bestätigt die allgemeine Hochschätzung bayerischer, besonders oberbayerischer Lebensart. Ein weiteres Indiz dafür ist der Umstand, dass man auch außerhalb des weißblauen Horizonts Dirndl und Lederhose begegnet, wenn mal wieder die Zeit des weltberühmten, wohl noch immer größten Volks- und ganz bestimmt ausführlichsten Bierfests der Welt angebrochen ist. Der Bayer nennt es knapp „Oktoberfest“ und ruft damit doch immer auch sämtliche hier nur angedeutete und nicht immer appetitliche Bedeutungshorizonte wach.

Alternativ zum Passen wird, im Kontext von Kleidung, auch das Verb „sitzen“ verwendet, was uns Gelegenheit gibt, an eines der souveränen Werturteile des Altkanzlers Gerhard Schröder zu erinnern, der auch vielem Anderen als der Politik seine Aufmerksamkeit widmete. Seine Vorliebe für italienische Anzüge, die nach seinem Amtsantritt für Gesprächsstoff sorgte, erklärte er gegenüber Medien knapp mit der Aussage: „Die sitzen am besten.“

Eine mögliche englische Entsprechung zu den erwähnten Wörtern lautet übrigens „to fit“. Auch hier geht es darum, dass etwas sich gut in ein Umfeld fügt, so wie eben Hintern, Bauch und Beine in eine Hose oder die Gemütslage in die allgemeinen Umstände. Auch der verbreitete Trend, sich fit halten zu wollen, ist eine Anpassung an die Umstände, weil es gilt, diesen, die zuweilen viel abverlangen, zu genügen. Deshalb vermag die eigene Fitness zu erhalten auch ebenso einen Stressfaktor darzustellen wie die allgemeinen Anforderungen. Natürlich gilt es, sich von solchem nicht versklavt, sondern besser auch diesbezüglich frei zu fühlen und bestenfalls zu sein. Das ist gut fürs Wohlbefinden und lässt noch leichter, souveräner auf die Frage danach den Spruch über die Lippen gehen: „Passt schon“. Thomas Groß

Redaktion Kulturredakteur, zuständig für Literatur, Kunst und Film.

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