Der Familienbesuch ist gegangen. Jetzt hat Ingrid Noll Zeit für ein Gespräch am Telefon über ihr neues Buch. „Ich lege großen Wert darauf, dass ich besucht werde“, erzählt die Autorin, und schon ist man auch im Thema, denn der gerade bei Diogenes erschienene Roman mit dem Titel „Kein Feuer kann brennen so heiß“ handelt von einer Altenpflegerin und einer pflegebedürftigen Frau. Es geht dabei auch um die Situation von Menschen im Alter und um drohende Vereinsamung.
Haben Sie Tipps, wie man der zunehmenden Einsamkeit im Alter begegnen kann?
Ingrid Noll: Die Mobilität lässt ja zwangsläufig im Alter nach. Manche laufen Gefahr, wenn es einsamer um sie herum wird, verbittert zu werden. Deshalb ist es wichtig, trotzdem selbst aktiv zu bleiben und vor allem die Freundschaften zu pflegen, die es noch gibt. Wer sich völlig zurückzieht, bekommt kein Echo mehr.
Man hat Glück, wenn die Familie noch in der Nähe wohnt, wie es bei Ihnen der Fall ist.
Noll: Das ist ein großes Glück. Ich freue mich immer, wenn meine Kinder und Enkel vorbeischauen. Außerdem halten mich meine Enkel auf dem Laufenden, wenn sie erzählen, womit sie sich beschäftigen und was sie bewegt.
In Ihrem neuen Roman ist die Hauptfigur Altenpflegerin. Mussten Sie bei dem Thema viel recherchieren?
Noll: Ich hatte jahrelang meine hochbetagte Mutter im Haus und neben dem ambulanten Pflegedienst auch immer selbst mit angepackt. Deshalb kannte ich mich bei dem Thema schon gut aus. Für meine Hauptfigur Lorina ist das zunächst bei Frau Alsfelder nicht einfach. Für die dreißigjährige Altenpflegerin war es natürlich auch nicht leicht, kein richtiges Privatleben zu haben.
Dann aber kommt Leben in die Bude, als die Frauen regelrecht aufblühen.
Noll: Es ist auch für die Autorin immer wieder schön, wenn die Geschichte beim Schreiben ins Rollen kommt. Dafür sorgen dann in diesem Fall Masseure, die Schwester der Altenpflegerin und ein misstrauischer Großneffe.
Und ein Harlekinpudel. Haben Sie eine Affinität zu Hunden?
Noll: Ich hatte schon im Alter von zwei Jahren meinen ersten Hund. Der Letzte verstarb vor 15 Jahren. Die Hundesprache war sozusagen meine erste Fremdsprache. In meinem Roman sorgt der Pudel natürlich auch für Stimmung im Haus von Frau Alsfelder.
Sie nehmen bei Lorina die Perspektive der Ich-Erzählerin ein. Mögen Sie das?
Noll: Ich schlüpfe beim Schreiben immer in fremde Rollen. Es ist wichtig, sich in die Personen hineinzuversetzen, um ganz in die Geschichte einzutauchen. Die Ich-Perspektive fördert das zusätzlich. Vor allem geht es mir ja immer um die Menschengeschichten, also darum, was in einer bestimmten Person an Erlebtem und Prägendem steckt. Dann ist es besser nachvollziehbar, wie es zu den Taten kommt. Ich habe es ja schon oft gesagt, dass meine Romane deshalb keine herkömmlichen Kriminalromane sind.
Mit 55 Jahren haben Sie ihren ersten Roman „Der Hahn ist tot“ veröffentlicht. Dreißig Jahre später legen Sie ihren 16. Roman vor. Was bewirkt das Schreiben in Ihnen?
Noll: Es hält vor allem den Kopf fit. Das ist in dieser Zeit, in der wir wegen der Pandemie sowieso noch mehr sitzen und uns weniger bewegen wichtig. Dann bleibe ich gedanklich in Bewegung. Außerdem ist es eine Freude, Formulierungen und das Zauberwort zu finden.
Apropos Corona-Pandemie: Haben Sie eigentlich schon einen Impftermin?
Noll: Nein leider nicht. Ich erhielt im Internet immer die Nachricht, dass kein Termin frei ist. Immerhin stehe ich auf einer Warteliste.
Arbeiten Sie schon an einem weiteren Buchprojekt?
Noll: Ich wurde ja zur Botschafterin Weinheims erklärt. Deshalb wird mein nächster Roman komplett in Weinheim mit seinen Schauplätzen spielen. Dann hoffe ich, dass viele Leser auch mal einen Urlaub bei uns machen werden.
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