Kolumne #mahlzeit

Fußball-WM: Frauen, empört euch!

Der Mann urteilt auch beim Frauenfußball, als sei er das Maß aller Dinge und gehörten Raserei, Brüllen, Schwalbenschinden und Kraftmeierei zum Berufsethos des Kickers. Es wird Zeit, dass sich daran etwas ändert. Empört euch, ihr Frauen!

Von 
Stefan M. Dettlinger
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"Frauenfußball ist nicht mehr anstrengend. Früher musste ihn gut finden, wer politisch korrekt sein wollte. Heute finden ihn viele wirklich gut. Das Spiel der Frauen ist besser, schneller, schöner geworden. Sie haben ihren Sport von einer Überladung mit Klischees und gesellschaftspolitischen Debatten befreit." Ach so! Dieses Intro, neulich gelesen auf der Titelseite eines Mediums meines Vertrauens, hat mich stutzig gemacht. Ich habe es Caro und Alya vorgelesen. Beide haben sich (sorry, Tiere) tierisch aufgeregt.

„So was kann nur ein Mann schreiben“, stößt Alya ab, und Caro grätscht rein: „Ein Fall von toxischer Männlichkeit!“ Man könnte jetzt sagen: Okay, wir sind alle drei einer Meinung, lasst uns Kaffee schlürfen, Kekse knabbern und das Leben in vollen Zügen (nicht der Bahn) genießen – hey, miese Momente kommen von selber wieder. Aber Caro sagt zu mir: „Hast du das geschrieben, du Möchtegern-Sheroe!“ Damit bezieht sie sich darauf, dass „Sheroes“-Autorin Jagoda Marinic mal zu mir gesagt hat, mit meinem Anliegen für die Sache der Frau sei ich ein Sheroe, ein Kofferwort, das aus den englischen „she“, sie, und „hero“, Held, destilliert wird. Wer Sheroe mit Frauenheld übersetzt, liegt nicht nur knapp daneben.

Ob Caros Verbalattacke war ich erst mal geschlagen. Nicht durch die Kraft des Faktischen. Von der Unverschämtheit. Ich dachte, wir könnten munter darüber streiten, dass Männer, wenn sie über Frauensport sprechen, das Maß der Dinge immer bei sich ansetzen. Beim erwähnten Text (s.o.) hört sich das doch an wie bei einer Kolonialmacht, die irgendwann in ein aus ihrer Sicht unterentwickeltes Land einfiel und später sagt: Früher konnte man euch kaum ertragen, so schmutzig, unkultiviert und übelriechend wart ihr. Heute ist das anders: Ihr riecht wie wir – nach Armani, Burberry und Chanel – mehr: Ihr seid wie wir. Eine bodenlose Unverschämtheit.

Als Frau würde ich da rebellieren und seitenlange Leserbriefe an das Medium meines Vertrauens schreiben. Der Mann urteilt, als sei er das Maß aller Dinge und gehörten Raserei, Brüllen, Schwalbenschinden und Kraftmeierei zum Berufsethos des Kickers. Mir sind die Messis und Ronaldos total unsympathisch (nur für 38-km/h-Rennpappe und Speedy-Gonzalez Kylian Mbappé habe ich Sympathien). Später in dem Artikel erklärt der Mann den Männern, dass Frauenfußball „noch unterentwickelt“ sei und dass Frauen weniger Muskeln hätten und dass der Sport wohl nie „ganz so dynamisch aussehen“ wird wie bei Männern. Ich zitiere mal Miles Davis: „So What!“ Also ich finde das monströs diskriminierend. Frauenfußball braucht dringend eine Billie Jean King. Ihr gelang 1973 (unter Androhung eines Boykotts!), dass die Verantwortlichen bei den US Open der Siegerin erstmals das gleiche Preisgeld zahlten wie dem Sieger. Lena, Selma, Alexandra: Tut! Doch! Was!

Und für den Möchtegern-Sheroe kriegt Caro das: „Übrigens, es stünde dir gut zu Gesicht, wenn die Steuerung deiner Zungenmuskulatur nicht zu faul wäre, einen Umweg übers Gehirn zu gehen.“ Ich kippe meine (leere) Tasse um und lasse Caro und Alya allein. So!

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Ressortleitung Stefan M. Dettlinger leitet das Kulturressort des „MM“ seit 2006.

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