Reisetipps

Mit Gebäck auf dem Gepäckträger in der Normandie: Radtour voller Familienspaß

Von Alençon zum Mont Saint-Michel: Auf dem Radfernweg Véloscénie lässt sich der Charme der Normandie entdecken. Dabei stimmt die Mischung aus Kultur-Reise und jeder Menge Abenteuer für Kinder und Jugendliche

Von 
Daniela Hoffmann
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Lange hat er uns magisch angezogen: der Mont Saint-Michel, der das Ziel unserer Reise ist. © Daniela Hoffmann

In Frankreich gehen alle Wege von Paris aus. Unserer ist diesmal ein ganz besonderer: der Radfernweg „La Véloscénie“ verbindet die imposante Hauptstadt mit dem Mont Saint-Michel, der mystischen Klosterinsel im Ärmelkanal. Die 450 Kilometer lange Route ist seit 2024 durchgängig beschildert und sie soll für passionierte Radfahrerinnen und Radfahrer genauso geeignet sein wie für Anfänger. Das wollen wir ausprobieren – zumindest auf einem Teilstück. Weil wir so eine Tour zum ersten Mal machen, nehmen wir uns den für Familien besonders geeigneten Abschnitt von Alençon bis zur Küste vor. 174 Kilometer radeln in fünf Tagen.

Typisch Frankreich: die Tortenschachtel auf dem Gepäckträger. © Daniela Hoffmann

Hört sich gemütlich an – zumal wir die Premiere mit vor Ort gemieteten E-Bikes angehen wollen. Schließlich müssen wir ja nicht gleich Tour-de-France-tauglich sein. Trotzdem birgt die Radreise Herausforderungen. Denn obwohl es entlang der Strecke Anbieter gibt, die Koffer von einer Unterkunft zur nächsten bringen, entscheiden wir, unser Gepäck in den Satteltaschen mitzunehmen. Diese fassen nur zwei Mal neun Liter.

Und damit fängt das Abenteuer an. Einmal Minimalismus pur – den wir als vierköpfige Familie nicht gewohnt sind. Was darf außer einer zweiten Garnitur Outdoor-Klamotten mit? Die Teenie-Tochter möchte in gar keinem Fall auf Schminke verzichten, der zehnjährige Sohn nicht auf Comics. Der Familienrat muss harte Kompromisse treffen. Dann packen wir vier kleine Rucksäcke und vier Sportbeutel.

Praktische Tipps

  • Weil in Fernzügen Plätze für Räder oft recht limitiert sind, lohnt es sich, welche vor Ort zu mieten.
  • Dabei ist es praktisch, sich für einen Anbieter zu entscheiden, der die Räder zum Ausgangsort der Tour liefert und sie am Endpunkt wieder abholt.
  • Außerdem kann man Zubehör wie Helm, Regenponcho, Kinderanhänger oder eine Ausrüstung zum Zelten dazubuchen.
  • Je nach Alter der Kinder können Familien die Länge der Etappen zwischen Alençon und der Küste so gestalten, wie sie sie brauchen.
  • Entlang der Strecke gibt es verschiedene Unterkünfte vom Campingplatz über Gästezimmer bis zum Hotel.
  • Info: Weitere Infos auf veloscenic.com

Los geht‘s zunächst per ICE bis Paris, dann mit der Regionalbahn bis Alençon. Die normannische Stadt empfängt uns mit ihrem mittelalterlichen Charme. „Doch nicht nur die gotische Kathedrale solltet ihr besuchen. Vor allem lohnt ein Besuch am alten Gefängnisturm“, sagt Céneri Pissot vom Tourismusbüro augenzwinkernd.

Dort gibt es einen Spielplatz rund ums Thema Ausbrechen mit Kletteranlage und Tunneln zum Hindurchkriechen. Ein Vorgeschmack auf das, was uns entlang der Véloscénie immer wieder begegnen wird. Stationen voller Kultur und Orte, an denen sich Kinder richtig austoben können.

Wir verbringen die erste Nacht der Reise im Gästehaus, das Sportjournalist Stéphane Guy in Alençon betreibt. Der lädt uns in dem herrschaftlichen Gebäude aus dem 18. Jahrhundert spontan zum gemeinsamen Fußballgucken ein. So sind wir für den nächsten Morgen schon mal sportlich eingestimmt.

Ein Fahrrad-Parkplatz entlang des Fahrradwegs La Véloscénie, der Paris mit dem Mont Saint-Michel verbindet. © Daniela Hoffmann

Die E-Bikes hat Vincent Dogny vom Fahrradverleih Ouibike Sourdeval bereits geliefert und die Wegweiser zur Véloscénie haben wir schnell entdeckt. Sie führen uns aus der Stadt auf die eigentliche Radstrecke. Diese besteht größtenteils aus den voies vertes, den grünen Wegen. Sie sind autofrei und Radfahrern, Fußgängern und Reitern vorbehalten. Entlang der Route bis zur Küste werden noch ein paar verkehrsarme Landstraßen dazukommen.

Doch zunächst radeln wir über eine ehemalige Bahnstrecke. Vorbei an liebevoll restaurierten alten Stellwerken und kleinen Bahnhöfen. Der Weg ist gesäumt von Margeriten, Butterblumen und blühendem Klee.

Mittags nutzen wir einen der vielen Picknickplätze und haben die vorgesehenen 30 Kilometer für diesen Tag rasch hinter uns. Deshalb beschließen wir noch einen Abstecher auf den Mont des Avaloirs – mit 416 Metern die höchste Erhebung im Nordwesten Frankreichs mit tollem Ausblick über die Region. Jetzt heißt es Kräfte mobilisieren und den E-Motor ordentlich nutzen. Damit ist das selbst für unseren Jüngsten kein Problem.

Bis zum Mont Saint-Michel ist es nicht mehr weit. © Daniela Hoffmann

Nach der Übernachtung auf einem Bauernhof geht es in den mondänen Kurort Bagnoles mit Kasino, Parks und Belle-Epoque-Villen. Inzwischen setzt das Städtchen neben Kurgästen auch auf Wellness, Aktivurlauber und Familien. Auf Kinder warten etwa eine Schnitzeljagd im Schloss, ein Kletterparcours und eine Schatzsuche im Wald.

In Domfront, unserem nächsten Stopp, sind Mädchen und Jungen ebenfalls gern gesehene Besucher. Mit seiner Burgruine und der trutzigen Kirche ein Stück Normandie wie aus dem Bilderbuch, das Kinder und Jugendliche per Rätsel-Tour erkunden können. Einen „besonderen Platz zum Chillen“ findet unser Nachwuchs danach in einem der Stadtmauer-Türme, wo sich das B&B von Blandine Busson befindet. Die Künstlerin hat „für junge Gäste“ in der Dachspitze Hängesessel angebracht. Dort lässt es sich an diesem Abend auch im wörtlichen Sinne prima abhängen.

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Entspannt fahren wir weiter. Natur und Landwirtschaft stehen heute auf dem Programm. Der Norden Frankreichs gilt als Land der Äpfel und Birnen und so gibt es neben dem berühmten Cidre auch seinen unbekannteren Bruder, den Birnenschaumwein Poiré. Das Museum nahe Barenton klärt nicht nur über den Anbau der Früchte auf, sondern auch über die Herstellung des Getränks.

Danach stehen die Wasserfälle von Mortain auf dem Programm, wo das Nass über die Felsen rauscht. Plötzlich tropft es aber auch von oben. Tagelang waren wir mit der Sonne unterwegs, jetzt aber hat uns der Regen doch erwischt.

Das wechselhafte Wetter gehört zur Normandie und bleibt uns am letzten Tag der Tour erhalten. Entlang der Véloscénie sind Schauer jedoch kein Problem. Ein Großteil des Weges ist alleenartig, hat ein grünes Blätterdach. Und auch sonst gibt es fast überall große Bäume zum Unterstellen.

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Wir machen kurzen Halt in Ducey, um einen Blick auf das Schloss und die alte Brücke zu werfen. Doch die Küste zieht uns wie magisch an. Wir folgen dem Fluss Sélune. Bald öffnet sich die Bucht mit den stärksten Gezeiten Europas. Und da ist er auch schon in der Ferne zu erkennen: der Mont Saint-Michel. Wir radeln ihm entgegen – durch Salzwiesen und vorbei an Schafherden, bis zur Brücke, die heute das Festland mit dem Klosterberg im Meer verbindet.

Wir sind am Ziel unserer Reise. Als der Mont Saint-Michel im Gegenlicht der untergehenden Sonne strahlt, ziehen wir Fazit. Unsere erste Fahrradreise hat die ganze Familie unglaublich entschleunigt. Obwohl oder gerade, weil wir so viel aktiv unterwegs gewesen sind und so viel erlebt haben. Und dann kommt die Frage von den Kindern: Wann brechen wir auf zur nächsten Tour mit dem Fahrrad?

Redaktion

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