Tania Lousdal Jensen ist Archäologin. Wenn sie nicht gerade wissenschaftlich arbeitet, führt sie Besucher durch die Königshalle in Lejre, das neueste Wikinger-Highlight Dänemarks. Dabei rückt sie manches Klischee gerade, wie die Sache mit den Helmen, die man auf unzähligen Abbildungen sieht. „Solche Helme haben die Wikinger garantiert nicht getragen. Die Hörner rechts und links hätten die Seefahrer auf den Schiffen nur behindert“, versichert Tania nachvollziehbar.
Der Nachbau der größten bekannten Königshalle aus der dänischen Wikingerzeit steht im Erlebnispark Sagnlandet in Lejre. Der kleine Ort gehört zu Fjordland, einer ruhigen Gegend nahe Kopenhagen, die von Fjorden und Wäldern geprägt ist. 2009 fand man Fundamentreste der ursprünglichen Königshalle in einem Feld bei Lejre. Archäologen fingen an, intensiv zu forschen, andere suchten nach Sponsoren. Als die gefunden waren, begann die Rekonstruktion der Halle.
Sie sieht aus wie ein riesengroßes umgekipptes Wikingerschiff. Türen und Säulen sind mit aufwendigen Schnitzarbeiten verziert. Diese Schnitzereien sind allerdings maschinell gefertigt. „Für eine Ausführung in Handarbeit reichten selbst die rund zehn Millionen Euro nicht aus“, sagt Tania. Heutzutage darf sich auch das gemeine Volk um die Feuerstelle in der Mitte des 600 Quadratmeter großen Gebäudes versammeln. Ursprünglich war eine Königshalle den privilegierten Mitgliedern der Gesellschaft, wie reichen Händlern, vorbehalten. Die Wikinger waren rund um Lejre und auch im nahen Roskilde sehr präsent. Roskilde ist die attraktivste Stadt im Fjordland, noch dazu mit dem schönsten Campingplatz direkt am Fjord. In Roskilde legten die Wikinger vor über 1000 Jahren einen Handelsplatz an, der sich später zu einer bedeutenden Stadt entwickelte. Sie waren exzellente Bootsbauer und Seeleute, allerdings nicht ganz freiwillig. Die kargen Böden im Norden Europas konnten die Familien nicht ernähren, also fuhren die Männer zur See. Sie kaperten Handelsschiffe – nicht aus Abenteuerlust, wie mancher Spielfilm suggeriert, sondern aus purer (Hungers-)Not. Später, um das Jahr 1000, unterhielten sie selbst Handelsschiffe. Im Wikinger-Schiffsmuseum in Roskilde rekonstruiert man ihre Boote mit dem Werkzeug aus der Wikingerzeit. Die Besucher dürfen dabei zuschauen.
Das größte Problem der Bootsbauer im Jahr 2022: Die Wikinger haben keine Schriften hinterlassen, sodass die Historiker auf andere Quellen angewiesen sind. Aufschluss geben zum Beispiel die fünf Schiffswracks, die 1962 aus dem Roskilde-Fjord geborgen wurden und nun im Wikingerschiffsmuseum ausgestellt sind. Wissenschaftler, darunter Meeresarchäologen, haben die Fundstücke akribisch untersucht. Ihre Erkenntnisse setzen die Bootsbauer nun in die Praxis um. Dabei müssen die Fachleute eine Menge experimentieren, zum Beispiel bei den Segeln. Denn von den Originalen ist nach vielen Jahrhunderten im Wasser nichts mehr übrig. Wenn alles fertig ist, werden die Nachbauten auch tatsächlich gesegelt. Solche Touren kann man buchen.
Dänemark
Anreise
Auf der A 7/E 20 über Flensburg und Fünen nach Rødby. Vor allem Camper schätzen Fjordland, nicht zuletzt wegen der Campingplätze am Wasser.
Unterkunft
Der Roskilde Camping liegt am Fjord, wo man auch baden kann. Geöffnet bis Ende September. Eine Familie im Wohnwagen zahlt 36 Euro, www.roskildecamping.dk.
Der DCU-Camping Kulhuse bietet gute Angelmöglichkeiten am Roskilde-Fjord, Geöffnet von Ende März bis Mitte Oktober, Preis: 45 Euro, www.dcu.dk. Orø Strandcamping liegt auf der Insel Orø im Isefjord. Zu erreichen per Fähre von Hammer Bakke. Ganzjährig geöffnet, Preis: 29 Euro, www.oroecamping.dk.
CampOne Holbæk Fjord hat ein kleines Schwimmbad und viele Angebote für Kinder. Preis: 58 Euro, ganzjährig geöffnet, www.holbaekfjord.dk.
Aktivitäten
In der Bootswerft des Wikingermuseums in Roskilde darf man die Handwerkstechniken der Wikinger ausprobieren. Täglich von 10 bis 16 Uhr geöffnet. Eintritt: 15 bis 20 Euro, www.vikingeskibsmuseet.dk.
Der Erlebnispark Sagnlandet in Lejre bietet Mitmach-Werkstätten, Spielplätze und die neue Königshalle. Geöffnet von April bis Oktober, 10 bis 16 Uhr, Eintritt: 24 Euro, www.sagnlandet.dk.
Geführte Paddeltouren kann man bei Birger Elmedal buchen. Preis: 40 Euro inklusive Miet-Kajak, www.kajakmanden.dk.
Allgemeine Informationen
www.visitfjordlandet.dk; www.visitdenmark.de BEA
In Roskilde liegt quasi die Geschichte Dänemarks begraben. Denn im Dom der 51 000-Einwohner-Stadt wurden fast alle dänischen Könige beigesetzt. Angefangen beim Wikingerkönig Harald Blauzahn. Bluetooth, also die kabellose Verbindung zwischen digitalen Endgeräten, ist übrigens tatsächlich eine Hommage an jenen Harald Blauzahn, der 986 starb. „Der Wikingerkönig soll ein genialer Netzwerker gewesen sein“, sagt Historiker David Hoyer bei der Domführung. Dank ausgezeichneter Kontakte schaffte es Harald Blåtand, rivalisierende Stämme miteinander ins Gespräch zu bringen und sie schließlich zu einem Königreich unter dänischer Führung zusammenzuführen. Blauzahns Qualitäten als Kommunikationstalent inspirierten gut 1000 Jahre später Informatiker zu dem Namen Bluetooth. Als Firmenlogo dienen tatsächlich H und B in altnordischer Runenschrift. Auch die amtierende Königin Margrethe II., 81 Jahre alt und nach wie vor bei guter Gesundheit, wird eines Tages im Dom zu Roskilde beigesetzt. Ihr Grabmal, ein gläserner Sarkophag, existiert bereits. Er steht in einer Seitenkapelle des Doms und ist vorläufig abgedeckt. Doch die Öffentlichkeit kann das knapp vier Millionen Euro teure Kunstwerk schon mal als Modell in einem Schaukasten der Kirche bewundern. Der Sockel steht symbolisch für das Königspaar: Granit und Basalt von den dänischen Färöer-Inseln sowie Sandstein aus Frankreich, der Heimat von Prinz Henrik. Margrethes Ehemann, der 2018 starb, lehnte es ab, neben seiner Frau im Dom von Roskilde begraben zu werden, was in Dänemark für gehörigen Wirbel sorgte. Ob die Wikinger sich mit ähnlichen Problemen befassen mussten? Bei der Wanderung zum Grabhügel mit den fünf Hinkelsteinen im Nationalpark Skjoldungestierne bei Lejre kann man darüber nachsinnen – oder einfach die herrliche Ruhe genießen und mit ein wenig Glück einen der Seeadler beobachten, die im Nationalpark brüten.
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