Reise

Das Schweizer Bad Ragaz: Unten Wasser, oben Heidi

Im Schweizer Bad Ragaz badet man seit mehr als 150 Jahren in warmem Quellwasser, das aus der Tamina-Schlucht sprudelt. Das zog schon Schriftstellerin Johanna Spyri in den Kurort. In der umliegenden Bergwelt fand sie Inspiration für ihre „Heidi“-Geschichten.

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Sascha Rettig
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Die nachts bunt angestrahlte Tamina-Schlucht: Früher wurden Badegäste hier in Körben bis zum Quellwasser hinabgelassen. © Sascha Rettig

Nach Einbruch der Dunkelheit strahlen rote, blaue und violette Lichter aus der Tamina-Schlucht. Menschen verschwinden furchtlos im Eingang der Felsspalte, um die Lichtinstallationen entlang der Thermalquelle zu sehen.

Im 13. Jahrhundert, so erzählt es zumindest die Legende, schreckten die Mönche des Klosters Pfäfers noch vor der Schlucht zurück. Sie vermuteten wegen der Schwaden, die aus dem Dunkeln herauswaberten, einen Drachen in ihrem Innern. Als sich ein paar Jäger todesmutig hineintrauten, fanden sie zwischen den Felsen aber anstatt eines feuerspeienden Wesens eine sprudelnde Quelle. Deren Wasser hatte exakt angenehme 36,5 Grad. Rund drei Jahrhunderte später bekam das Wasser von Paracelsus eine besondere Qualität zugeschrieben.

Reise-Infos

Übernachten: Das „Grand Resort Bad Ragaz“ ist eine 5-Sterne-Anlage, die aus verbundenen Hotels am Fuße der Alpen rund eine Autostunde von Zürich entfernt. Auch Restaurants der Spitzenköche Sven Wassmer und Silvio Germann gehören dazu: www.resortragaz.ch

Therme: In der Tamina-Therme kann man nicht nur baden, auch die größte Saunalandschaft der Schweiz gehört dazu. www.taminatherme.ch

Infos über Bad Ragaz: www.heidiland.com, www.badragaz.ch

Einreise und Corona-Lage: Die Einreise ist für deutsche Staatsangehörige möglich. Ungeimpfte Personen brauchen einen Testnachweis.

Nachdem Badegäste zunächst in Körben in die Schlucht heruntergelassen wurden, entstanden später einfache Badehäuser. Seit über 150 Jahren wird das Wasser ins Tal nach Bad Ragaz geleitet, wo schon damals ein feines Hotel und ein Bad errichtet wurden. Heute noch wird im „Grand Resort“ elegant residiert und in der zugehörigen Tamina-Therme gesund gebadet – mit grandiosen Aussichten. Nicht nur vom Außenbecken und der großen Saunalandschaft, auch vom Hotel, dem Kurpark zwischen den Skulpturen und dem beschaulichen Dorf Bad Ragaz mit rund 6000 Einwohnern, überall baut sich im Tal ein Bergpanorama auf.

Bergwelt wie aus Bilderbuch

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kn
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Vom Ort aus ist es nur eine kurze Fahrt mit der Gondelseilbahn, schon steigt man auf dem Pizol direkt in der Bergwelt einer Bilderbuchschweiz aus. Wiesen mit Gras und Kräutern im sattesten Grün, Kühe mit bimmelnden Glöckchen, kleine Wäldchen und im Hintergrund die dramatische Felsschönheit der Voralpen und der Churfirsten-Berge gleich gegenüber. Unweigerlich läuft einem da Heidi lachend mit dem Geißenpeter durch die panoramischen Gedanken – und tatsächlich soll die Schriftstellerin Johanna Spyri genau in dieser Gegend zu ihrem Romanklassiker von 1880 über das vielleicht berühmteste Schweizer Bergmädchen inspiriert worden sein.

Entsprechend begegnet man ihr immer wieder bei einer Reise in diese Region, der marketingwirksam in den 70ern der Name Heidiland verpasst wurde. Auch auf dem knapp 3000 Meter hoch gelegenen Pizol-Massiv ist Heidi ein kinderwagentauglicher Wanderweg gewidmet: Entlang des fünf Kilometer langen Rundwegs bis zur Alp Schwarzbüel stehen zwischen Hängemattenpause und Barfußweg zahlreiche Holzziegen mit Infoblättern über die Geschichte zum Roman. Von dort aus liegen das im Buch erwähnte Dorf Maienfeld und Heidi-Dorf in Sichtweite – und doch auf der anderen Seite des Tals in der Bündner Herrschaft, die sich auf einem Tagesausflug problemlos mit dem E-Bike erkunden lässt.

Vom „Grand Resort“ in Bad Ragaz radelt man ein Stück am Rhein entlang, der das Tal durchschneidet. Dann geht es mit motorischer Verstärkung bergauf. Dabei ist es eine Tour mit vielen Schlenkern: Durch Maienfeld, vorbei am Heidi-Brunnen, bei dem eine steinerne Heidi auf das plätschernde Wasser linst, kurz über die Grenze des Fürstentums Liechtenstein, das gleich um die Ecke liegt. Ziel ist aber das „Heidi-Dorf“. An dessen Eingang sind die Skulpturen von Heidi, Peter und den Geißen gerade ein von Japanern und Koreanern belagertes Fotoobjekt.

Das touristische Dorf einige Meter weiter besteht aus nicht mehr als ein paar idyllischen Häusern mit Ausstellungen, echten Ziegen und unechten Kühen, auf denen Kinder herumturnen. „Hier hat Johanna Spyri ein Mädchen getroffen, das sie zur Heidi-Figur inspirierte“, erklärt die Verkäuferin im Souvenirshop mit der etwas lieblosen Mini-Ausstellung, die den globalen Erfolg mit Übersetzungen in über 50 Sprachen und etlichen Verfilmungen vor Augen führt. Das Heidi-Haus ein paar Schritte weiter ist hingegen so hergerichtet, wie die Menschen Ende des 19. Jahrhunderts in der Gegend lebten – mit Heidi und Peter am Küchentisch.

Hoch bis zur Ochsenalp, zur Hütte des Alm-Öhi, schafft es die Gruppe mit den E-Bikes heute nicht mehr. Stattdessen radelt sie an Reben entlang weiter durch das Weingebiet der Bündner Herrschaft. Durch den Föhnwind ist das Klima mild. Die Böden sind kalkhaltig. Ideale Bedingungen für dieses Burgund der Schweiz, wo bereits zahlreiche Pinot-Noirs mit Weltmeistertiteln ausgezeichnet wurden. Bei der letzten Heidi-freien Radpause im „Alten Torkel“ in Jenins kann man sich auf der Terrasse direkt in den Rebbergen mit Panoramaweitsicht einen Überblick über die Weine ertrinken: 150 sind im Angebot. Manch einer begegnet einem im Tal als Begleitung zum Essen wieder – unter anderem bei den feinen Kulinarkreationen in den Gourmet-Restaurants der Spitzenköche Silvio Germann und Sven Wassmer im „Grand Resort“.

Zurück im Tal schenkt auch Anke Scherer beim Tasting im „Grand Hotel“ Wein ein – aber nur einen und dazu vier verschiedene Wasser. Scherer ist schließlich Wassersommelière und zeigt bei dieser Probierstunde, das Wasser nicht gleich Wasser ist und wie die Auswahl des Wassers unter anderem den Geschmack eines Weines beeinflusst.

Eine Wassersommelière? In Bad Ragaz verwundert das nicht, schließlich dreht sich hier vieles ums Thermalwasser – sprudeln doch 5000 Liter pro Stunde aus der Quelle im Berg. „Das Wasser hat eine ausgewogene Zusammensetzung verschiedener Mineralien“, sagt Scherer. „Außerdem ist die Temperatur mit 36,5 Grad ideal zum Trinken.“

Schwerelos beim Haki-Flow

Auch beim Baden in der Therme nebenan sinkt man wohlig in das körpertemperierte Wasser. Auf diese entspannenden Qualitäten wird bei Wellness-Behandlungen gesetzt, darunter „Haki Flow“. Diese Anwendung beginnt, noch bevor die Therme öffnet.

Während in der Stille des Morgens nur das leise Plätschern des Wassers zu hören ist, zieht Haki-Experte Roman Eggenberger einen vorsichtig durch das warme Wasser. Die Beine bleiben durch eine kleine Boje wie schwerelos an der Oberfläche und die Augen geschlossen. Sich treiben lassen. Loslassen. Die Anspannung des Alltags ablegen. Während man bei Heidi wieder ein wenig zum Kind wurde, fühlt man sich nun wie ein Baby, das im Wasser selig tiefenentspannt hin und her gewogen wird.

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