Wenn die Fassade des Schlosses in bunten Farben leuchtet, Raketen mit einem weit gefächerten goldglühenden Schweif in den Nachthimmel sausen, funkelnde Sterne mit farbigen Spitzen glitzernd aus dem Dunkel herabfallen und in das Knallen, Krachen und Knistern sich haargenau zur Zündung des Feuerwerks passende Musik mischt – so sieht es aus, das Finale der Veranstaltung „Schloss in Flammen“ in Mannheim. Wenn auch die Technik sich enorm gewandelt hat, so geht die Tradition von Feuerwerken und festlich illuminierten Gebäuden doch auf das Barock zurück.
„Das gehörte zu den höfischen Festlichkeiten“, sagt Uta Coburger, Konservatorin für Schloss Mannheim bei den Staatlichen Schlössern und Gärten. In der Regel sei mit der Organisation und Durchführung das eigene Militär beauftragt worden.
Befehl ans Militär
Als Beleg dafür dient etwa der erhalten gebliebene Befehl von Kurfürst Carl Theodor vom 7. Juni 1761 mit einer Anweisung an die Artillerie-Compagnie und Generalleutnant von Freysing, „ein Feuerwerk bei glücklicher Niederkunfft der Landes=Mutter abzubrennen“. Doch das entfällt ja leider, weil der kleine Erbprinz am 29. Juni 1761 kurz nach der Geburt durch Kurfürstin Elisabeth Augusta stirbt. Es gibt aber immerhin eine bildnerische Darstellung, nämlich eine Radierung von Barthélemy de La Rocque, die das Feuerwerk im Mannheimer Schlossgarten anlässlich des Geburtstages von Kurfürstin Elisabeth Augusta am 17. Januar 1758 darstellt. „Dies scheint eine damals typische Form gewesen zu sein“, so Coburger.
Besonders gut überliefert ist dank der noch aufbewahrten Ratsprotokolle das, so Coburger, „vermutlich erste Fest in der Residenzstadt“ überhaupt. 1720 hat Kurfürst Carl Philipp seine Residenz von Heidelberg nach Mannheim verlegt und mit dem Bau des Schlosses begonnen. Bis es fertig ist, residiert er im Palais Oppenheimer in R 1. Hier bekommt er Besuch des Fürsterzbischofs Joseph Clemens von Köln und seines Neffen Clemens August von Bayern vom 18. bis 25. November 1722, die per Schiff über den Neckar von Heilbronn aus anreisen.
Berittene Metzger
Am Neckarufer werden sie in Empfang genommen, begleitet von großem Gefolge aus Schweizer Garde, Leibgarde, 70 Pferden und Trompetern. „Dies entsprach dem Zeremoniell eines gleichrangigen Gastes, der zudem Familienmitglied war“, erläutert Coburger. Dann ziehen die Herrschaften in Mannheim ein – in sechsspännigen Kutschen.
Tipps zu den zwei Veranstaltungen
„Schloss in Flammen“: Die festliche Operngala „Schloss in Flammen“ mit Orchester und Solisten des Nationaltheaters und Synchron-Feuerwerk findet am Samstag, 22. Juli, ab 20 Uhr im Ehrenhof mit Blick aufs Mannheimer Schloss statt.
Tickets: Karten zum Preis von 89,90 Euro bis 36,90 Euro bei allen Vorverkaufsstellen sowie an der Theaterkasse des Nationaltheaters und telefonisch unter 01806/570000 oder www.schlossinflammen.de Abonnenten des Nationaltheaters erhalten an der Theaterkasse (O 7) 15 Prozent Rabatt auf die regulären Ticketpreise. Auf den Flächen hinter der Bestuhlung werden zu 30 Euro Picknickplätze angeboten. Dort können Decken, Klapptische- und Stühle, Kerzen, Speisen und Getränke mitgenommen werden. Besonders schön dekorierte Plätze mit kostümierten Besuchern werden von einer Jury prämiert – die schönsten drei erhalten Preise vom Theater.
Lichterfest: Flammenschalen, Lampions und Pylonen verwandeln den Schlossgarten Schwetzingen am Samstag, 29. Juli ab 17 Uhr in ein Lichtermeer. Auf mehr als zwölf Eventflächen gibt es viele Darbietungen, Tanz und Theater, etwa Frauen-Quartett „Schöne Mannheims“, Comedian Chako Habekost, die Band „US-Army Europe Band“ und die Party-Band „Me and the Heat“. Den Abschluss des Abends bildet ein von 2000 Flammenschalen erleuchteter Garten zusammen mit einem großen, 20-minütigem Feuerwerk von 22.40 bis 23 Uhr.
Tickets: Karten zum Preis von 19 Euro für Erwachsene im Vorverkauf, Tages kasse 25 Euro, Kinder (bis 17 Jahre) acht Euro, Tageskasse 10 Euro, Familienkarte für zwei Erwachsene und eigene Kinder 44 Euro (Tageskasse 50 Euro). Die Eintrittskarte berechtigt am Veranstaltungstag bis zum darauf folgenden Tag 3 Uhr zur Fahrt mit allen Bussen und freigegebenen Zügen im Verkehrsverbund Rhein-Neckar (VRN). pwr
Dazu läuten alle Glocken und die Gäste werden mit zwölf Trompetern, Schweizer Garde zu Fuß, Leibgarde zu Pferde, Compagnien aus Bürgerschaft, Schreinern, Schlossern, Bäckern und Schneidern vom Heidelberger Tor durch die illuminierte Stadt geleitet. Das Protokoll vermerkt eigens 80 berittene Metzger, Frauen aber nicht, wie Coburger auffällt: „Es waren also alle Männer Mannheims auf den Beinen.“ Dann gibt es auf dem Markt gebratene Hähnchen und Brot sowie Wein für das Volk. „Es gab großes Frohlocken bei den Einwohnern Mannheims sowie den Zugereisten Kurpfälzern“, zitiert die Konservatorin.
Zum Zeremoniell als höchste Willkommensehre zählen, wie das heute noch bei Staatsbesuchen in Berlin üblich ist, Böllerschüsse. Seinerzeit dient zum Abfeuern (damals „lösen“ genannt) der Kanonen als Startsignal eine einzelne Feuerwerksrakete, „damit man sie auf den Wällen auch sah“, so Coburger. Mehr Feuerwerk ist nicht überliefert – wohl aber das, was laut Ratsprotokoll „unser allseits gnädigster Herr gnädigst verordnet haben“ zur „bevorstehenden Anherokunft Sr. kurf. Durchl. zu Köln.
Danach müssen „gegen Abend alle Häuser illuminiert“ und „alle nach denen Gassen gehende Fenster durchgehends von außen mit brennenden Lichtern völlig besetzt seien, mithin hieran kein Mangel erscheinen solle“, so der Befehl. Auch das Palais, das Rathaus und die Pfarrkirche in F 1 sind entsprechend geschmückt worden. Die Rede ist von „mehr denn 20 000 Ampeln“ an der kurfürstlichen Wohnung und weiteren 50 000 Ampeln und 200 Fackeln an Rathaus und Kirchturm. Unter Ampeln müsse man sich „vermutlich damalige Leuchtmittel wie hängende Öllampen“ vorstellen, also „ein hitzebeständiges Gefäß mit Hängevorrichtung, in dem Öl und brennbares Material steckten“, wie Uta Coburger erläutert.
Hinzu kommen große, beleuchtete Pyramiden mit vier Statuen, Wappen und Namen von Carl Philipp, Joseph Clemens, Clemens August und Max Emanuel (Kurfürst von Bayern und Vater von Clemens August). „Der Engel auf der Pyramidenspitze trug einen Kurhut. Um diese Maschine herum brannten über 20 000 Lichter und aus den vergoldeten Löwenköpfen sprudelte roter und weißer Wein“, zitiert Coburger aus überlieferten Beschreibungen. Das müsse „sensationell“ ausgesehen haben, denkt sie.
Ochs mit Zitronen
Die Festivitäten ziehen sich mehrere Tage hin. „Paradieren, Pistolenschüsse, Fahnenwerfen Degengeschwinge“ ist protokolliert, ein Degentanz der Bäcker und ein Auftritt der Fischer, die ein ausstaffiertes Schiff auf einem Wagen in der Stadt herumfahren. Einmal wird ein mit Rosmarin und Zitronen verzierter Ochs in der Stadt herumgeführt, dann geschlachtet, gebraten, mit Geflügel und Hasen gespickt sowie an das anwesende Volk verteilt. Und am 23. November, zum Namenstag von Joseph Clemens zu Köln, wird erneut die „völlige Illumination der Stadt“ angeordnet. „Da es November war, war es ja früher dunkel, die komplette Illumination der Stadt wirkte daher sicher prächtig“, nimmt die Fachfrau vom Schloss an.
Ein noch viel größeres Fest begeht die Kurpfalz am 17. Januar 1742: eine Doppelhochzeit. Doppelhochzeit. Kurfürst Carl Philipp verheiratet seine beiden ältesten Enkeltöchter – Elisabeth Augusta mit seinem späteren Nachfolger, Carl Theodor, Herzog von Pfalz-Sulzbach und Marquis von Bergen op Zoom, sowie die jüngere Schwester Maria Anna mit Herzog Clemens Franz von Bayern. In einer feierlichen Prozession, voran das Militär und Hofkavaliere mit brennenden Kerzenleuchtern in der Hand, ziehen die Brautleute und die Gäste über den Ehrenhof in die Schlosskirche ein. Nach der Trauung und der festlichen Tafel folgt ein Ball im Rittersaal, der mit einer Polonaise beginnt. Dazu tragen die Kavaliere brennende Kerzenleuchter in der Hand. „Der hochbetagte pfälzische Kurfürst ließ es sich nicht nehmen, diesen zeremoniellen Tanz selbst anzuführen – von zwei Höflingen im Rollstuhl geschoben“, wie Ralf Wagner weiß, der für Schwetzingen zuständige Konservator der Staatlichen Schlösser und Gärten und ebenso intimer Kenner der kurfürstlichen Geschichte und Geschichten.
Bürger müssen zahlen
Dem Tagebuch von Felix Andreas Oefele, Erzieher von Clemens Franz, sowie Berichten des sächsischen Gesandten entnimmt er, das zwei Tage nach der Hochzeit die Residenzstadt festlich illuminiert wird. Die Bürger müssen Kerzen in die Fenster ihrer Häuser stellen. Zusätzlich werden entlang der Breiten Straße Holzgerüste mit mehr als 200 Wahrzeichen, Sinnbildern und Sprüchen in deutscher und lateinischer Sprache aus Lichtern errichtet, und im Ehrenhof gibt es Wein für alle.
„Durch den Weinausschank, das Feuerwerk und die Illumination der Stadt erhielt die Doppelhochzeit den Charakter eines Volksfestes – nur durfte die Residenzstadt auch dafür bezahlen“, so Wagner. Auf Kosten der Mannheimer Hausbesitzer muss die Hafnerzunft 23 600 Tontöpfe als Windlichter für die Illumination anfertigen. Die Veranstaltung „war sicherlich die strahlendste Festivität in der kurpfälzischen Metropole Mannheim in der nur 58 Jahre dauernden Residenzzeit“, so Wagner.
Einen weiteren Beleg für ein prächtiges Feuerwerk findet sich in den von Susan Richter editierten Briefen, die Kurfürstin Elisabeth Augusta an ihren Schwager, den Herzog Clemens Franz in Bayern, geschrieben hat. Der ist seinerzeit ihr – mehr oder weniger heimlicher – Liebhaber. Ihm schildert sie am 8. August 1743 „Ich unterhalte mich bestens“, etwa indem sie das Feuerwerk bewundert habe, „das wir zur Einweihung der Statue veranstaltet haben, die am Paradeplatz errichtet wurde“, womit die Grupello-Pyramide gemeint ist.
Ein böser Streich
Aus heutiger Sicht völlig abwegig klingt, wie sie amüsiert einen Streich schildert, der einem Höfling gespielt worden ist. „Wir haben einen Schwarmer-Feuerwerkskörper an ihm befestigt, und jedes Mal, wenn eine dieser Raketen explodierte, lief dieser Mann wie verrückt durch den ganzen Saal, der abgesehen von der Kerze auf seiner Nase völlig dunkel war“, so Elisabeth Augusta. „Am Schluss wollte er eine der Raketen anzünden und behielt sie zu lange in der Hand, also verbrannte er sich die Tatze, und um den Schmerz zu lindern, legte er sie ins Eis, was ihn so schmerzte, dass er wie ein Verrückter auf sein Zimmer lief“. Sie sei daraufhin „vor Lachen fast geplatzt“.
Im Juni 1775 steigt dann, so Ralf Wagner, „das größte barocke Fest des 18. Jahrhunderts“ – allerdings nicht in Mannheim, sondern in der Sommerresidenz Schwetzingen. Die Gäste reisen in mehr als 200 Kutschen aus Mannheim, Heidelberg, Speyer und Worms nach Schwetzingen an, und die örtlichen Gasthäuser hätten die Massen gar nicht fassen können. Bei den Details bezieht sich Wagner auf Depeschen vom sächsischen Gesandtschaftssekretär Zapf und seinem Chef, dem sächsischen Botschafter Andreas Graf von Riaucour, nach Dresden.
Anlass der Feierlichkeiten ist die Fertigstellung des Apollohains, noch mehr aber die Genesung von Carl Theodor. Er ist im Zuge einer Grippeepidemie schwer erkrankt. „Es bestand Anlass zur Sorge, da beim Tod des kinderlosen pfälzischen Kurfürsten ein Erbfolgekrieg entstehen konnte“, erläutert Wagner den Grund für Bittgottesdienste aller Konfessionen. Selbst die nach dem Tod des neugeborenen Thronfolgers „ihrem Ehemann entfremdete Kurfürstin kam von ihrem Sommersitz Oggersheim nach Schwetzingen und übernachtete dort, was in den sächsischen Gesandtschaftsberichten besonders hervorgehoben wird, um den Ernst der Lage zu unterstreichen“, wie Ralf Wagner betont.
Porzellanskulptur geschaffen
Aufgeführt wird die Oper L’arcadia conservata (Das errettete Arkadien) , sieht man den Schlossgarten doch als neues Arkadien, sprich als Schauplatz glückseligen Lebens. Es folgen ein großes Souper im Speisesaal des Südlichen Zirkelgebäudes, während der Kurfürst mit dreizehn ausgewählten Gästen im Badhaus speist. Der Garten um das Badhaus wird anschließend festlich illuminiert. Es wird getanzt – der Hofstaat auf der Sonnenterrasse und das Volk auf dem Rasenparterre hinter dem Apollokanal, wie Wagner annimmt. Öffentlich ist das Fest in jedem Fall, und es wird mit einem Höhenfeuerwerk abgeschlossen.
Dieses Fest hat laut Wagner seinerzeit „so nachhaltigen Eindruck hinterlassen, dass die kurpfälzische Porzellanmanufaktur in Frankenthal sogar eine Figurengruppe dazu geschaffen hat“. Das beliebte heutige Lichterfest im Schlossgarten sei letztlich heute „die Fortsetzung des Festes“, so der Konservator.
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